Manfred Spitzer: Besser lernen ohne Computer

U l m (PRO) - Was Kinder und Jugendliche lernen müssen, lernen sie besser ohne Computer. Davon ist der Hirnforscher und Professor für Psychiatrie, Manfred Spitzer, überzeugt. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" rief er Schulen dazu auf, das Geld für Computerausstattung zu sparen und dafür mehr Lehrer einzustellen.
Von PRO

Das häufig genannte Argument, Kinder müssten den Umgang mit dem Computer so früh wie möglich lernen, um später im Beruf gute Zukunftschancen zu haben, hält Spitzer für einen skandalösen Ansatz, der für eine gelungene Marketingstrategie spreche: „Bill Gates hat es geschafft, dass seine Produkte Word, Excel und Powerpoint quasi zu Schulfächern erhoben wurden“, so Spitzer. Aber schließlich lernten Schüler ja auch nicht das Auto Fahren in der Schule, obwohl sie dies zweifellos später bräuchten.

Fernsehen hinterlässt Spuren im Gehirn

Der Hirnforscher und Vater von fünf Kindern hat selbst den Fernseher abgeschafft, „weil es in der Familie fast jeden Abend Streit gab, wer was sehen darf“. Seiner Ansicht nach behindert häufiges Fernsehen die Gehirnentwicklung. Als Beleg dafür führte Spitzer eine Untersuchung aus Neuseeland an: dort habe man mehr als 1.000 Menschen vom Babyalter an 30 Jahre lang begleitet und auch den Fernsehkonsum dokumentiert. Dabei habe man festgestellt, dass von denjenigen, die weniger als eine Stunde pro Tag ferngesehen hätten, heute 40 Prozent einen Hochschulabschluss hätten. Die Gruppe derjenigen, die mehr als drei Stunden am Tag vor der Flimmerkiste gesessen habe, weise nur zehn Prozent Hochschulabgänger auf, aber 25 Prozent Schulabbrecher.

Spitzer sieht einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und dem Fernsehkonsum. Bereits in seinem 2005 erschienenen Buch „Vorsicht Bildschirm“ wies er auf die Spuren des Medienkonsums in den Gehirnen von Kindern hin. Anhand internationaler Studien zeigt Spitzer die Folgen auf: Übergewicht, Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen, gestörtes Sozialverhalten, steigende Gewaltbereitschaft und eine massiv gestörte geistige Entwicklung. Das Sachbuch ist bei Medien- und Erziehungswissenschaftlern umstritten. Beispielsweise wirft Stefan Aufenanger, Medienpädagoge an der Universität Mainz, Spitzer vor, die Forschungsergebnisse nicht differenziert genug zu betrachten und falsche Daten bezüglich des Fernsehkonsums von Kindern zu verwenden.

32.000 Fernseh-Morde in 18 Jahren

Manfred Spitzer sieht einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe des Fernsehkonsums und der persönlichen Gewaltbereitschaft. „Wenn ein Amerikaner 18 Jahre alt ist, hat er im Schnitt 32.000 Morde im Fernsehen gesehen. Diese Sinneseindrücke werden nach Spitzers Untersuchungen im Gehirn ständig weiter verarbeitet.“ Dies habe unvorhersehbare Risiken und Nebenwirkungen, auf die er hinweisen wolle.

Im Herbst 2006 erschien Manfred Spitzers Buch: „Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens“.

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