Oscar-Preisträger wurde im Siegerland christlich geprägt

Der Komponist Volker Bertelmann bekam für seine Musik für den Film „Im Westen nichts Neues“ einen Oscar. Der 56-Jährige kam in einer Evangelischen Gemeinschaft im Siegerland zum ersten Mal in Kontakt mit einem Klavier.
Von Jörn Schumacher
Volker Bertelmann, Flügel, Komponist

Der Oscar für die beste Filmmusik ging in diesem Jahr an den deutschen Komponisten und Pianisten Volker Bertelmann. Er veröffentlicht seit 30 Jahren Musik, teilweise unter dem Künstlernamen „Hauschka“. Der 1966 in Kreuztal im Siegerland geborene Künstler komponierte zudem schon mehrmals die Musik für Kinofilme.

Bereits im Jahr 2017 war er für seine Zusammenarbeit an der Filmmusik zum Spielfilm „Lion – Der lange Weg nach Hause“ für einen Oscar nominiert. In diesem Jahr war es dann soweit: Für seine Komposition der Musik zum Film „Im Westen nichts Neues“, der zudem in der Kategorie Bester Internationaler Film gewann, wurde Bertelmann bei der 95. Oscarverleihung mit dem Preis ausgezeichnet.

Bertelmann wuchs als zweitjüngstes von sechs Kindern in Ferndorf im Siegerland auf. Wie er in einem Interview mit der Zeitung Unsere Kirche im Jahr 2017 sagte, ging mit seiner Familie in die Gottesdienste der Evangelischen Gemeinschaft am Ginsterweg in Kreuztal. In dieser Gemeinde kam er mit acht Jahren auch zum ersten Mal in Kontakt mit dem Klavier, nämlich bei einem Konzert. „Das war für mich eine ganz tiefe Berührung, fast wie ein Erweckungserlebnis. Bis heute ist das Klavier für mich so etwas wie Heimat.“

Von da an habe er Klavierunterricht bekommen und den Chor in der Kirche begleitet. „Gottesdienst, Jungschar, Flötenkreis, Jugendchor – das alles habe ich mitgemacht“, sagte Bertelmann. „Ich glaube, es gab wenige Tage, an denen ich nicht in der Kirche war.“

Zusammenbruch und Erfolg

Im Alter von 14 Jahren gründete Bertelmann seine erste Rockband, schon mit 18 schrieb er die Filmmusik für zwei Folgen der ZDF-Serie „Ein Fall für Zwei“. Später folgten Auftragsarbeiten für Fernsehmusik und Tätigkeiten als Sänger in verschiedenen Bands. Nach dem Abitur studierte Bertelmann in Köln erst Medizin und dann BWL, er brach jedoch beide Studiengänge ab und widmete sich ganz der Musik.

Mit seinem Cousin gründete er 1992 die Hip-Hop-Band „God’s Favorite Dog“ (Gottes Lieblingshund), mit der er einige Auftritte hatte, unter anderem im Fernsehen und als Vorgruppe der „Fantastischen Vier“.

Bertelmann zog nach Düsseldorf und komponierte unter dem Namen „Hauschka“ Klavierstücke – der Namen lehnt sich zum einen an den böhmischen Komponisten Vinzenz Hauschka an sowie an die Arznei-Produkte von „Dr. Hauschka“. Mit Mitte 20 blieb auf einmal der Erfolg aus, die Plattenfirma gab der Band keinen neuen Vertrag, sie löste sich auf.

Wie Bertelmann berichtet, ging sein bester Freund in ein Kloster, seine Freundin trennte sich von ihm. Er brach zusammen, wie er in einem Interview des Deutschlandfunks sagte. „Da ging gar nichts mehr. Ich war einfach ans Bett gefesselt, ich hatte einfach totale Wahrnehmungsstörungen. Also psychisch und körperlich war ich einfach ein Wrack.“ In dieser Zeit versorgten ihn seine Eltern im Siegerland.

Mit 29 lernt Bertelmann seine neue Freundin kennen, zwei Jahre später wurde er Vater von Zwillingen. Bertelmann komponierte 2005 Stücke für das Album „The Prepared Piano“, bei denen er Gegenstände auf die Saiten des geöffneten Flügels legte: Filz- oder Gummistücke, Alufolie, Kronkorken oder Tischtennisbälle.

Im Jahr 2012 produzierte Bertelmann die Filmmusik zu Doris Dörries Film „Glück“ und zum israelischen Dokumentarfilm „Schnee von gestern“ von Yael Reuveny. Es folgten weitere Filmmusiken, darunter 2019 für den Film „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, für die Fernsehserie „Der Name der Rose“, 2021 für den Film „Sörensen hat Angst“ und „Monte Verità – Der Rausch der Freiheit“. Bertelmann lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Düsseldorf.

„Glaube ist mir bis heute wichtig“

Auf die Frage, ob ihn das christliche Gemeindeleben in seiner Jugend geprägt habe, antwortete Bertelmann im UK-Interview: „Ja, natürlich. Musikalisch bin ich mit Kirchenmusik groß geworden, und Glaube ist mir bis heute wichtig.“ Er sei „sehr froh“ über diese Prägung im Siegerland.

Doch die Frömmigkeit in der Gemeinschaft sei „schon recht streng“ gewesen, sagte Bertelmann rückblickend. „Mit Genuss und Freude hatte man es nicht so. Das führte zu Problemen, als ich anfing, mich mit Pop-Musik zu beschäftigen. Pop bedeutet Körperlichkeit, und das galt als Teufelszeug.“ Außerdem habe er sich als Jugendlicher gefragt, „wieso gerade wir angeblich in den richtigen Glauben hineingeboren sind und alle anderen missionieren sollen“.

Bertelmann fügte hinzu: „Am Ende zählt für mich nicht, ob jemand Christ, Buddhist oder Moslem ist, sondern wie er lebt und was er tut.“ Viele Jahre später habe er bei einem Besuch in Russland deutsche evangelische Gemeinden gesehen, die ihn an seine Zeit als Jugendlicher in der Siegerländer Gemeinde erinnert hätten. „Die starren Formen der Frömmigkeit erlauben keinen Ausbruch, keine Lebendigkeit.“

Beim Zivildienst auf einer Krebsstation habe er viele Menschen beim Sterben begleitet, sagte Bertelmann. „Ich habe gesehen: Gläubige leiden und sterben manchmal genauso unruhig wie Nicht-Gläubige, Arme genauso wie Reiche. Das hat mein Verständnis von Frömmigkeit ziemlich auf den Kopf gestellt.“

Auf die Frage, ob er auch Kirchenmusik schreiben würde, sagte der Komponist: „Absolut. Wenn ich Musik mit meditativen Elementen mache, entsteht schnell so ein kirchliches Gefühl bei mir, vor allem dann, wenn Chor und Orchester dabei sind.“ Musikalisch sei ihm der Komponist Arvo Pärt sehr nah, der viel Kirchenmusik geschrieben hat.

„Meine Ideen beim Komponieren haben immer mit Lebensfragen zu tun, mit Weite, Sehnsucht nach Liebe und der Achtung dem Leben gegenüber.“

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