Der Theologe Thomas Schirrmacher hält das Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für parteipolitisch einseitig. Außerdem verharmlose es das DDR-Regime. Das erklärt er in einem wissenschaftlichen Gutachten.
Von PRO
Foto: Martin Bucer Seminar
Der Theologe und Religionssoziologe Thomas Schirrmacher hat das EKD-Familienpapier unter die Lupe genommen – und lässt kein gutes Haar an der Schrift
Die Orientierungshilfe der EKD erinnere an ein linkes Parteiprogramm, schreiben Schirrmacher und sein Kollege Titus Vogt in ihrer „soziologischen und theologischen Kritik des Familienpapiers“. Eine Zusammenfassung ist im Magazin des Evangelischen Arbeitskreises der Union „Evangelische Verantwortung“ erschienen. Schon die Zusammensetzung der zuständigen Kommission ließe eine bürgerliche Stimme vermissen. Entsprechend fielen auch die Forderungen des Papiers aus. Sie seien „praktisch identisch“ mit dem Parteiprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, stimmten zum Teil aber auch mit dem der Linken überein. In Fragen der Familienpolitik sei auch eine Nähe zur SPD gegeben, „auch wenn man dort in Bezug auf die völlige Entthronung der Ehe viel zurückhaltender formuliert“, schreiben die Autoren. Als Beispiele führen sie die Ablehnung des Betreuungsgeldes und des traditionellen Ehegattensplittings in der Orientierungshilfe an sowie die Befürwortung einer Ganztagskinderbetreuung und die rechtliche Angleichung von Ehe und Lebenspartnerschaft.
Das Familienpapier „Zwischen Autonomie und Verantwortung“ war im vergangenen Sommer erschienen und hatte große Kritik nach sich gezogen. Die Protestanten sprechen sich darin unter anderem für die Öffnung der Kirche gegenüber homosexuellen Paaren aus. Wie Schirrmacher und Vogt im Vorwort schreiben, haben sie ihre Kritik bereits nach dem Erscheinen der Orientierungshilfe an die EKD herangetragen. Da die Kirche die Stoßrichtung des Familienpapiers mehrmals bekräftigt habe, hätten sie sich nun dazu entschieden, das Gutachten zu veröffentlichen. Denn sie strebe nicht weniger an als eine neue, normative Ethik zu verkünden, gehe dabei aber beispielsweise undifferenziert mit der deutschen Vergangenheit um: „Die DDR erscheint als Ort der Gleichberechtigung durch zwei in Vollzeit erwerbstätige Eltern mit früh einsetzender ganztägiger Kinderbetreuung.“ Nicht thematisiert werde, „dass die Familienpolitik der DDR das vermutlich erfolgreichste Werkzeug gegen die Kirchen war und zur Entfremdung ganzer Generationen von Gott und Kirche geführt hat“.
Verharmlosend, anti-ökumenisch, theologisch dünn
Das Familienpapier verharmlose auch das Scheitern von ehelichen und familiären Beziehungen und stelle Forschungsergebnisse zu Scheidungsfolgen, Kita-Betreuung oder Regenbogenfamilien einseitig dar. „Die sexuelle Treue ist als ethischer Wert abhanden gekommen“, bewerten die Gutachter das Papier weiter.
Auch ein mangelndes Bemühen um die Ökumene werfen Schirrmacher und Vogt den Autoren vor. Andere Kirchen als die EKD und die Katholiken kämen schlicht nicht vor. „Gibt es von Christen außerhalb der EKD und von andersdenkenden Christen innerhalb der EKD gar nichts mehr zu lernen?“, fragen sie und kritisieren „antikatholische Formulierungen“, etwa das Lob der Option zum gemeinsamen Abendmahl konfessionsübergreifender Familien in protestantischen Kirchen. „Das ist eine Einladung an Katholiken, die Lehre ihrer Kirche bewusst zu missachten.“
Die exegetische Begründung der biblischen Nicht-Ablehnung von Homosexualität nennen sie „ausgenommen dünn“ und stellen zudem fest: „Die theologische Argumentation der Orientierungshilfe lautet pointiert formuliert: Die Bibel hat keine Position dazu, sondern kennt Vielfalt, also dürfen wir keine Position dazu haben, sondern müssen für Vielfalt sein.“ (pro)
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