Den Nationalen Gebetstag hatte Präsident Harry S. Truman 1952 eingeführt. Jeder Präsident solle jedes Jahr neu einen „National Day of Prayer“ festlegen. Bereits seit dem 18. Jahrhundert gab es immer wieder Aufrufe aus dem Weißen Haus zu einem landesweiten Gebetstag, vor allem in Krisen- oder Kriegszeiten. Präsident Ronald Reagan setzte im Jahr 1988 fest, dass der Gebetstag jeden ersten Donnerstag im Mai stattfinden solle.
Christen und andere Gläubige sind aufgerufen, an diesem Tag für die Regierung, das Militär, die Medien, die Bildung, die Kirchen und die Familien in den USA zu beten. Auch wenn diese Institution ihre Wurzeln in der jüdisch-christlichen Tradition hat, sind Amerikaner aller Glaubensrichtungen eingeladen, sich zu beteiligen.
Für George W. Bush hatte dieser Tag seit seinem Amtsantritt 2001 eine besondere Bedeutung, berichtet die Tageszeitung „Washington Post“. Er lud protestantische, katholische und jüdische Vertreter ins Ostzimmer des Weißen Hauses ein. Dazu gehörte etwa der Gründer der evangelikalen Organisation „Focus on the Family“, James Dobson. Religiöse Gruppen kritisierten, dass das Treffen in den vergangenen Jahren zu einer exklusiven evangelikalen Veranstaltung geworden sei.
Obama beendet jährliches Gebetstreffen
Wie „USA today“ berichtet, will Obama am Nationalen Gebetstag kein Gebetstreffen im Weißen Haus mehr durchführen. Stattdessen werde er in diesem Jahr eine Erklärung veröffentlichen, mit der der Tag gewürdigt werde. Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, teilte am Dienstag laut CNN mit: „Gebet ist etwas, was der Präsident jeden Tag abhält.“ Obama habe in seinem persönlichen Leben und im Leben seiner Familie die Rolle des Gebetes verstanden. „Präsident Obama ist überzeugter Christ und glaubt, dass wir gläubige Amerikaner unterstützen sollten, damit unser Land erneuert wird“, hieß es weiter.
„Wir sind enttäuscht, dass die Obama-Regierung nicht mehr daran teilnimmt“, schrieb die Leiterin des Komitees zur Durchführung des Gebetstages, Shirley Dobson, am Montag in einer Erklärung. „An diesem Punkt in der Geschichte unseres Landes wünschten wir, dass unser Präsident mehr von der Bedeutung des Gebetes überzeugt wäre.“
Enttäuschung bei evangelikalen Gruppen
„In der Vergangenheit fühlten wir uns geehrt, Gäste im Weißen Haus zu sein. Bis jetzt haben wir aber keinen Piep von dort gehört“, sagte Brian Toon, stellvertretender Vorsitzender des Komitees zur Ausrichtung des Nationalen Gebetstages. „Jetzt beten wir in unseren eigenen Räumen für den Präsidenten. Wir haben um Kontakt mit einem Vertreter der Obama-Regierung gebeten, aber wir warten noch immer darauf, dass sie auf uns zukommen.“ Toon fügte hinzu: „Vor George W. Bush gab es im Ostzimmer des Weißen Hauses zum Gebetstag kein Treffen. Es wäre schade, wenn es in diesem Jahr wieder keine Veranstaltung mehr gäbe. Uns sind politische Richtungen egal. Uns geht es darum, für die Führer dieser Nation und ihre Familien zu beten.“
Andere religiöse Gruppen hatten Obama geschrieben, die evangelikalen Teilnehmer des Gebetstreffens würden niemanden anderen am Treffen im Weißen Haus teilnehmen lassen und hätten die Institution an sich gerissen. Die Gruppen „Interfaith Alliance“ und „Jews on First“ baten Präsident Obama, das Treffen wieder für andere religiöse Gruppen zu öffnen. „Wir würden es natürlich am liebsten sehen, wenn sie alles beenden und gar nichts mehr tun“, kommentierte der Sprecher der Organisation „Amerikaner für die Teilung von Kirche und Staat“, Rob Boston, laut der „Washington Post“.
„Gebetstag ist mehr“
Der Sprecher der Organisation „Amerikanische Atheisten“, David Silverman, sagte: „Es ist nicht Aufgabe des Präsidenten, den Menschen zu sagen, sie sollten beten. Wir sind sehr froh, dass er die Feiern und Partys aus der Zeit George W. Bushs beendet hat.“ Kirche und Staat müssten getrennt sein, forderte er.
Becky Armstrong, die Pressevertreterin des Komitees für den Nationalen Gebetstages, sagte am Mittwoch: „Das Weiße Haus ist nur ein kleiner Teil von dem, was am Nationalen Gebetstag passiert. Morgen gibt es Dutzende Veranstaltungen in der Hauptstadt, und Gouverneure aus allen 50 Staaten haben bereits Erklärungen zum Gebetstag veröffentlicht. Es würde all die Millionen von Menschen herabwürdigen, wenn man den Tag nur auf eine Veranstaltung im Weißen Haus reduzieren würde.“ (PRO)