NSU-Prozess: „Kruzifix soll weg“

Saal 101, Oberlandesgericht München: Beim Auftakt des NSU-Prozesses am Montag hat sich ein türkischer Parlamentsabgeordneter durch ein Kruzifix im Prozesssaal „bedroht“ gefühlt. Nun verlangt er, dass es von der Wand entfernt wird.
Von PRO

Der türkische Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal hat das Oberlandesgericht  aufgefordert, das Kruzifix „sofort“ zu entfernen. Das berichtet der Nachrichtensender n-tv. Das christliche Symbol stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaats dar. Ferner sei das Kreuz „eine Bedrohung für alle Nichtchristen“. Tanal verwies dabei auf die vielen muslimischen Angehörigen der NSU-Opfer.

Die Bayerische Staatsministerin der Justiz, Beate Merk (CSU), empfindet Kruzifixe in Gerichtssälen hingegen als sinnvoll. „Mir sind Kreuze in bayerischen Gerichtssälen sehr wichtig, damit unsere christlichen Wurzeln und Werte auch in unseren Gerichten deutlich werden“, sagt sie gegenüber pro. „Ob im Einzelfall ein Kreuz auf Verlangen eines Beteiligten abgehängt werden muss, darüber entscheidet aber allein das zuständige Gericht in richterlicher Unabhängigkeit.“

Laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1973 kann das Kruzifix im einzelnen Prozess abgehängt werden, wenn ein Prozessbeteiligter dies auf Grund seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit verlangt. Das Justizministerium hat darauf keinen Einfluss.

Kreuz als Symbol der Verletzlichkeit

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, warnt vor vorschnellen Handlungen. Religion sei keine bloße Privatsache, sondern habe viel mehr eine öffentliche Bedeutung. „Es tut jedem Staat gut, wenn er an die Grundlagen von Menschenwürde, Toleranz und Humanität erinnert wird. Das Kreuz ist nicht nur christliches Symbol, sondern es ist auch ein Symbol der Verletzlichkeit des Menschseins und passt deswegen durchaus gut in einen Gerichtssaal. Es bedroht niemanden und schließt niemanden aus.“

Der türkische Politiker Tanal gehört zu einer sechsköpfigen Parlamentarierdelegation aus Ankara, die am Montag zum Prozessauftakt anwesend war. Er ist Mitglied der säkularen Oppositionspartei CHP. Schon vor dem Prozess hatte er in der Türkei die Ansicht vertreten, dass der NSU von deutschen Behörden unterstützt worden sei. Ohne den Schutz durch Kräfte im deutschen Sicherheitsapparat hätte der NSU die Verbrechensserie nie so ungestört begehen können, äußerte Tanal. (pro)

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