NRW: Landesweiter Islamunterricht kommt

Nordrhein-Westfalen hat einen landesweiten Schulversuch zur Einführung eines regulären islamischen Religionsunterrichts beschlossen. Er soll ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer bekenntnisorientierten Islamkunde im Sinne des Grundgesetzes sein. Hinderlich ist nach wie vor die uneinheitliche Struktur des Islams in Deutschland.
Von PRO

Kaum hat die Deutsche Islamkonferenz zum vorerst letzten Mal getagt, werden auch schon die ersten Konsequenzen in der Politik spürbar: Das Bundesland Nordrhein-Westfalen will ab dem Schuljahr 2010/2011 einen islamischen Religionsunterricht einführen. Die Weisung dazu ging von der Islamkonferenz aus. Armin Laschet (CDU), Integrationsminister in NRW, teilte laut der Tageszeitung „Rheinische Post“ am Mittwoch in Düsseldorf mit: „Wir werden einen landesweiten Schulversuch vorbereiten, der den bisherigen Schulversuch Islamkunde in deutscher Sprache ablöst, der derzeit in 128 Schulen im Land läuft.“

Islamkunde – deutsche Sprache, deutsche Aufsicht, deutsche Lehrer

Der geplante Unterricht werde in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und von deutschen Lehrern erteilt. Über die Inhalte werde sich das Land mit den vier in der Deutschen Islamkonferenz vertretenen islamischen Verbänden einigen. Fest stehe aber, dass der Unterricht nicht die rechtliche Qualität eines bekenntnisorientierten Religionsunterricht haben werde, wie ihn die christlichen Kirchen erteilen, auch wenn er ähnlich gestaltet werden soll, so Laschet.

Ein bekenntnisorientierter muslimischer Unterricht ist laut Grundgesetz bisher nicht möglich, weil es keine einheitliche muslimische Dachorganisation in Deutschland gibt, die alle Muslime vertritt. Eine solche Institution ist aber für die Erteilung des Bekenntnisunterrichts zuständig und erforderlich. Im Grundgesetz heißt es: Der Religionsunterricht wird „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt“. Im Falle des Islam ist dies in Deutschland bisher unmöglich. Die neue Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ zeigt hingegen, dass mehr als zwei Drittel der hier lebenden Muslime die Einführung eines solchen Religionsunterrichts begrüßen.

Bisher war das Fach Islamkunde nachmittags und an nur einigen Schulen im Bundesland unterrichtet worden. Nun soll der Unterricht innerhalb der regulären Schulzeit stattfinden und versetzungsrelevant sein. Zudem soll der Unterricht an allen 6.600 Schulen des Landes gegeben werden. Weil es an muslimischen Religionslehrern mangele, könnten sich an dem Versuch anfangs allerdings nur wenige Schulen beteiligen. Die Unterrichtsinhalte will die Landesregierung laut der Tageszeitung „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit den vier größten islamischen Verbänden abstimmen, dem Zentralrat der Muslime, der Islamrat, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Sie sollen ebenso wie weitere Islam-Vertreter auf einem Konvent ihr Einverständnis geben. Auch Wissenschaftler und Eltern sollen einbezogen werden. Bei der bisher erprobten Islamkunde habe der Staat die Inhalte festgelegt. „Davon wollen wir qualitativ weg“, erklärte Laschet. Die Religionsgemeinschaft selbst solle in einem bekenntnisorientierten Unterricht die Inhalte festlegen.

Eine Vertretung für alle Muslime finden

„Jetzt wird nicht mehr gewartet“, kommentierte Laschet. Auch wenn sich nicht alle Islamverbände an der Erarbeitung der Lehrpläne beteiligen sollten, müsse ein Islamunterricht entstehen. Die Islamkonferenz habe gezeigt, dass sich rund 25 Prozent der Muslime durch einen der großen vier Islamverbände vertreten fühlen. Es müsse aber auch mit den übrigen 75 Prozent „in irgendeiner Weise gesprochen“ und für sie eine Vertretung gefunden werden. Laschet nannte die Einführung des Versuchs laut „Rheinischer Post“ einen „dringend notwendigen Kompromiss“, um der Verantwortung gegenüber den muslimischen Schülern gerecht zu werden.

Laut Laschet ist nun das NRW-Schulministerium aufgefordert, eine Ergänzung zum Schulgesetz zu erarbeiten, den Versuch vorzubereiten und die Lehrerausbildung zu regeln. Der Islamunterricht solle zunächst von jenen Lehrern erteilt werden, die bislang den Modellversuch betreuen. Sie könnten Fortbildungen besuchen, während zusätzlich Lehrer muslimischen Glaubens für das Fach angeworben werden. Hinzu kämen in einigen Jahren die jetzigen Lehramtsstudenten für islamischen Religionsunterricht.

Über eine Million Muslime in NRW

Die „Rheinsche Post“ erklärt: „In Nordrhein-Westfalen leben nach Angaben des Landes zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Muslime. Das sind 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung. Etwa 46 Prozent von ihnen sind deutsche Staatsbürger. Die Sunniten bilden mit etwa 80 Prozent die Mehrheit unter den Menschen muslimischen Glaubens, 6 Prozent sind Schiiten. Hinzu kommen 9 Prozent Aleviten, die als einzige muslimische Gemeinschaft die Anerkennung als Religionsgemeinschaft besitzen. Für sie wird in NRW seit 2008 bekenntnisorientierter Religionsunterricht erteilt.“ Laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sind etwa 310.000 Schülerinnen und Schüler in NRW Muslime. An dem derzeit noch laufenden Schulversuch nähmen etwa 10.000 Kinder und Jugendliche teil, die von 107 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden.

Der Evangelische Pressedienst (epd) berichtet, dass die evangelische Kirche den geplanten islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen begrüßt. „Als evangelische Kirchen in NRW treten wir schon lange für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht ein“, habe der zuständige Landeskirchenrat der rheinischen Kirche, Eckhard Langner, am Mittwoch auf epd-Anfrage erklärt. Er hält den nun beschlossenen Schritt für sinnvoll, mahnte aber auch: „Das langfristige Ziel, einen islamischen Religionsunterricht nach den Vorgaben des Grundgesetzes einzurichten, sollte nicht aus dem Blick geraten.“ Die evangelischen Kirchen stünden dafür als Dialogpartner gerne zur Verfügung.

Der „epd“ berichtet weiter, dass der Islambeauftragte der westfälischen Landeskirche, Gerhard Duncker, durch die geplante Gleichstellung des Islamunterrichts auf Dauer auch den christlichen Religionsunterricht gestärkt sieht. Da Islamunterricht ein reguläres Fach werden solle, seien die Transparenz der Lehrpläne und der Einsatz qualifizierter Lehrkräfte garantiert.

Auch die muslimischen Verbände VIKZ und Islamrat hätten die Pläne begrüßt und sich zur Mitarbeit bereit erklärt. „Wir möchten einen islamischen Religionsunterricht“, sagte der VIKZ-Dialogbeauftragte Erol Pürlü. Der Islamrats-Vorsitzende Ali Kizilkaya sagte auf Anfrage von „epd“: „Wir bemühen uns seit Jahren, dass das eingeführt wird.“ Ein regulärer islamischer Religionsunterricht sei bereits im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Landesregierung als Ziel formuliert worden. Die muslimischen Schulkinder hätten nach dem Grundgesetz ein Recht auf Religionsunterricht. (PRO)

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