Norbert Lammert: „Die Kirche muss sich nicht zu allem äußern“

Inwiefern sind Politik und Gesellschaft ein Gesprächspartner für die Kirchen? Mit dieser Frage haben sich der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Katrin Kortmann in einer Podiumsdiskussion bei der Tagung „Aus dem Glauben Gesellschaft gestalten“ beschäftigt.
Von Johannes Blöcher-Weil
Norbert Lammert (links) und Moderator Volker Resing

„Kein Bischof muss sich zur Zweckmäßigkeit der Maut auf deutschen Straßen äußern. Bei kaum einem anderen Thema war es naheliegender, dass sich die Kirchen zu Wort melden, als in der Flüchtlingsfrage.“ Diese Einschätzung hat der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert getroffen. Es sei eine wesentliche Aufgabe der Kirche, sich zu bestimmten Fragen in der Gesellschaft zu äußern. Der Kirche und den Bischöfen müsse aber auch klar sein, dass die christliche Sicht nicht die einzig mögliche Bewertung eines Themas sei.

Lammert, der auch der Konrad-Adenauer-Stiftung vorsteht, verdeutlichte, dass in bestimmten Fragen eine Stellungnahme der Kirchen nicht nur erlaubt, sondern auch erwartet werde. Dabei gehe es um biomedizinische Fragen. Die Menschheit sei erstmals technisch in der Lage, manipulierend einzugreifen und das Leben zu verlängern. Nicht alles, was möglich ist, solle aber auch erlaubt sein. „Viele dieser Fragen lassen sich ohne die Hilfe von Überzeugungen nicht beantworten.“

Lammert beteuerte, dass die Stellungnahmen der Kirchen in den Bundestagsdebatten der letzten Legislaturperioden einen beachtlichen Einfluss gehabt hätten. Der CDU-Politiker verwies auch auf das hohe Maß öffentlicher Willkommenskultur während der Flüchtlingskrise 2015. Diese Kultur sei zu Recht gelobt und im Ausland bewundert worden. Die SPD-Politikerin Karin Kortmann schrieb den Kirchen ins Stammbuch, sich beim Thema Lebensschutz zu Wort zu melden. Aber sie müssten auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder ähnliches thematisieren. „Kirche muss sich aber nicht zu allem äußern, weil sie dann unklar und unpräzise wird.“

„Das Kreuz soll einladen“

Auch auf die „Causa Markus Söder“ gingen die Diskutanten ein. Dessen Kabinett hatte beschlossen, in bayerischen Behörden Kreuze aufzuhängen. Die SPD-Bundestagabgeordnete Kortmann, die auch Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist, freute sich darüber, wenn Christen ein Kreuz aufhängen. Dieses erinnere sie an Jesu Leid und das, wofür er stand: „Er kümmerte sich nämlich auch um die gesellschaftlich Ausgegrenzten.“

Im Schatten von Söders Bewertung des Islam und der schnellen Rückführung der Flüchtlinge müsse sie der Aktion widersprechen. „Damit wird das Kreuz instrumentalisiert. Das Kreuz soll aber einladen.“ Kortmann verwies auf den Andachtsraum des Bundestages und den Gebetsfrühstückskreis. „Auch wenn es meistens nicht in den Parteiprogrammen niedergeschrieben ist, hat der christliche Glaube etwas Prägendes“, verdeutlichte die Sozialdemokratin.

Trotzdem waren sich beide Politiker einig, dass die Bindungskräfte auch im Parlament sinken. „Immer weniger Bundestagsabgeordnete geben ihre Religionszugehörigkeit an“, erklärte Kortmann. Lammert ergänzte, dass sich die Repräsentativität der Gesellschaft immer sehr schnell im Bundestag niederschlage. Die Demonstration des Christlichen mit Hilfe eines Symbols hielt Lammert für zulässig, „aber für nicht ausreichend, wenn sie bei der demonstrativen Geste stecken bleibt“.

Volker Resing, Chefredakteur der Herder Korrespondenz und Moderator der Debatte in Mainz, betonte, dass das Verhältnis zwischen Politik und Kirche ein Dauerbrenner in Katholischen Akademien sei. Die Debatte habe sich durch die Säkularisierung und religiöse Pluralisierung geändert und scheine ein eingespieltes Verhältnis aufzubrechen.

Von: Johannes Weil

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