Noch mehr Unmut zur Kruzifix-Forderung beim NSU-Prozess

Die Äußerung des türkischen Palamentariers Mahmut Tanal zum Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat zu noch mehr Kritik geführt. Tanal hatte das Oberlandesgericht in München aufgefordert, in dem Gerichtssaal das Kruzifix zu entfernen, da er sich von dem christlichen Symbol „bedroht“ fühle.
Von PRO

Tanals Forderung stieß sowohl bei deutschen Politikern, als auch bei Islam-Vertretern auf Kritik. Der innenpolitsche Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), vertritt die Auffassung, dass es beim NSU-Prozess „keine Sonderregeln“ geben könne, wenn in dem Gerichtssaal normalerweise auch ein Kruzifix hänge.

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Innenminister Günther Beckstein (CSU) äußerte sich gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) zu der Forderung Tanals. So berichtet evangelisch.de am Donnerstag, dass Beckstein keine Notwendigkeit sehe, der Forderung eines türkischen Politikers nachzukommen, das Kreuz im Verhandlungssaal abzunehmen. Beckstein, der auch Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EDK) ist, hält es für wichtig, deutlich zu machen, dass Gott über dem Menschen stehe. Für den CDU-Politiker Günter Krings sei das Kreuz ein Symbol der Nächstenliebe und Toleranz, berichtet das evangelische Onlineportal. Daher sehe er keinen Grund, das Kreuz abzunehmen.

Renate Künast, die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, hält es unterdessen nicht für hilfreich, „wenn Nicht-Verfahrensbeteiligte Kommentare etwa zum Kruzifix im Gerichtssaal abgeben“, berichtet die Tageszeitung taz. Auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, übte Kritik an Tanals Äußerung und empfahl: „Herr Tamal möchte sich mit seiner Belehrung der deutschen Justiz etwas zurückhalten“, zitiert die Bild-Zeitung Mazyek.

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, appellierte in einer Presseerklärung, man solle das NSU-Verfahren nicht durch unnötige Debatten belasten und wies darauf hin, dass die Rechtslage seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1973 klar sei. Demnach können nur Verfahrensbeiteiligte, also Kläger, Nebenkläger und Angeklagte, verlangen, dass das Kreuz abgehängt wird, sollten diese sich daran stören. Gegenüber der Online-Ausgabe der Welt sagte Beck, dass dieser Prozess nicht der Ort sei, um Fragen kultureller oder religiöser Identität zu klären und bezeichnete die Äusserungen auf die Forderung Tanals als reflexhafte Reaktionen.

Serkan Tören, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages, hält die Forderung Tanals für überzogen. „Die Forderderung, das Kreuz abzunehmen ist übertrieben und wenig hilfreich“, sagte Tören dem Tagesspiegel. Dort äusserte sich ebenfalls der CSU-Politiker Norbert Geis und vertrat die Ansicht, man solle aus der Forderung eines türkischen Parlamentariers keine große Debatte machen.

„Ich selbst kann nicht verstehen, warum Kruzifixe manchmal zu einer gesellschaftlichen Diskussion führen oder gar zu einem juristischen Problem werden“, meint der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Ismail Tipi, der selbst Moslem ist. Für juristische Entscheidungen, in manchen öffentlichen Räumen das Kruzifix abzuhängen hat er kein Verständnis. „In einer christlich geprägten Gesellschaft sollte es normal sein, dass das Kruzifix als christliches Symbol seinen Platz im täglichen Leben hat.“

„Es verwundert mich nicht, dass diese Diskussion immer wieder aufkommt, da eine bestimmte Gruppe der Gesellschaft sich immer weiter vom Glauben entfernt. Eine Gesellschaft, die sich nicht zu ihren gesellschaftlichen und religiösen Werten bekennt, sondern sich von ihnen entfernt, verliert am Ende auch ihre Identität. Eine Folge davon ist die Angst vor anderen Religionen und die Gefahr durch islamischen Extremisten.“ Seine Stellungnahme verbindet Tipi auch mit dem Wunsch, nicht nur nach den Gesetzestexten zu entscheiden sondern auch nach dem Gewissen, was für unsere zukünftige Gesellschaft gut ist. (pro)

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft.html?&news[action]=detail&news[id]=6608
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