Nigeria versinkt in blutigem Chaos

Die islamistische Sekte "Boko Haram" hat an diesem Wochenende mehrere Anschläge im Norden Nigerias verübt. Seit Freitag kamen mehr als 190 Menschen ums Leben. Die Gewalt richtete sich gegen Christen und staatliche Einrichtungen. Christen im Norden des Landes kündigten eine Massenflucht an.
Von PRO

Nach der neuesten Gewaltserie im Norden Nigerias hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, die Regierung Nigerias aufgefordert, für einen besseren Schutz der Christen zu sorgen. "Wir bitten unsere muslimischen Freunde, auf die Verrückten von Boko Haram Einfluss zu nehmen, damit die Gewalt endlich aufhört", sagte Schneider in der Montagsausgabe der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". "Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien. Wir denken an sie und beten für sie."

Nigeria sieht sich seit mehr als zwei Jahren den Anschlägen der radikalislamischen Sekte "Boko Haram" ausgesetzt. Seit Weihnachten letzten Jahres, als es zu mehreren Bombenanschlägen auf christliche Kirchen kam, haben sich die Angriffe gehäuft. Am 1. Januar 2012 gab die Sekte den Christen im Norden des Landes drei Tage Zeit, in den südlichen Teil Nigerias zu fliehen. Sie kündigte an, nach Ablauf der Frist Christen gezielt anzugreifen. Seither gab es mehrere Anschläge gegen Christen.

Blutiges Wochenende in Nigeria

Am vergangenen Freitag kam es zum vorläufigen negativen Höhepunkt der Gewalt. Autobomben und Selbstmordattentäter sprengten Regierungsgebäude und Polizeistationen in die Luft. Laut "Radio Vatikan" waren auch christliche Einrichtungen betroffen. Nach den Explosionen schossen weitere Attentäter mit Maschinenpistolen auf die fliehenden Menschen. Gesundheitsbehörden zufolge sind dabei mindestens 178 Personen ums Leben gekommen.

Am Samstag hieß es in einem Bekennerschreiben, die Anschläge seien die Vergeltung für die Weigerung der Regierung, inhaftierte Sektenmitglieder freizulassen. "Unser Kampf richtet sich gegen die Regierung, die Sicherheitskräfte und den Verband der Christen in Nigeria, weil sie uns abgeschlachtet haben", heißt es in der Stellungnahme des "Boko Haram"-Führers Abubakar Shekau.

Nach dem Attentat von Kano folgten weitere Anschläge. In der Nacht zum Sonntag starben elf Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine Bank in der nordnigerianischen Stadt Tafawa Balewa. Am Sonntagmorgen explodierten Bomben in zwei Kirchen in der Stadt Bauchi, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Norden Nigerias, bei denen jedoch keine Menschen getötet wurden.

Christen künden Massenflucht an

Angesichts der Gewalt haben die überwiegend christlichen Ibo, eine nigerianische Bevölkerungsgruppe, die Flucht von drei Millionen Mitgliedern aus dem Bundesstaat Kano im Norden Nigerias angekündigt, berichtete die "Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV) am Sonntag. Demnach forderte Michael Idika, der Vorsitzende der Ibo-Organisation "Ohanaeze Ndigbo", die Behörden dazu auf, Fahrzeuge bereitzustellen, um die Flucht in den Südosten des Landes zu gewährleisten.

Laut Informationen der GfbV sind bereits in den letzten vier Wochen mehrere zehntausend Christen aus dem Norden des Landes geflohen. "Der Terror in Nordnigeria gegen Christen und Polizisten eskaliert immer mehr", erklärte Ulrich Delius, der Afrikareferent der GfbV. "Wenn Boko Haram mit der gleichen Intensität weiter Angst und Schrecken verbreitet, wird das Jahr 2012 das blutigste Jahr in Nigeria seit dem Völkermord in Biafra. Nigerias Polizei und Sicherheitsapparat ist mit dem Schutz der Minderheiten und staatlicher Einrichtungen sichtlich überfordert."

Der Norden Nigerias soll ein islamischer Staat werden

Der Name "Boko Haram" bedeutet so viel wie "westliche Bildung verboten". Gemeint ist damit jede abendländische Kultur, das Christentum eingeschlossen. Die Sekte machte erstmals im Jahr 2004 von sich reden, als sie an der Grenze zum nördlichen Nachbarland Niger ein Trainingslager namens "Afghanistan" einrichtete und gezielt junge Männer rekrutierte. Das Ziel der Sekte ist es, im Norden Nigerias einen islamischen Staat zu schaffen und die Scharia, das islamische Recht, einzuführen.

Das Mittel zu diesem Zweck ist der Terrorismus. Der Sekte werden Verbindungen zu den islamistischen Taliban sowie zum Terrornetzwerk Al-Qaida nachgesagt. Das erklärt auch die gute Koordination der Anschläge vom Freitag. Zudem gestand der Präsident Nigerias, Goodluck Jonathan, dass er Sympathisanten der Sekte in seinem eigenen Kabinett sowie bei hochrangigen Militärs vermutet.

Westliche Regierungen sind besorgt

Jonathan kündigte indessen an, dass die "Feinde unserer Demokratie" und "Agenten des Terrorismus" verfolgt und ihrer Strafe zugeführt würden. Die Regierungen in Paris und London äußerten sich tief besorgt über die Entwicklung in Nigeria. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sah in den Angriffen auf Christen und staatliche Stellen eine "große Gefahr" für den inneren Frieden Nigerias. Extremistischen Gruppen wie "Boko Haram" müsse "so schnell wie möglich das Handwerk gelegt werden". (dpa/pro)

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