Nigeria: Hashtags retten keine Leben

Aufmerksamkeit – das hat die Twitter-Kampagne #BringBackOurGirls für die in Nigeria entführten Mädchen erzielt. Dass aber mehr als eine Online-Aktion zur Konfliktlösung notwendig ist, zeigt die Journalistin Nicole Macheroux-Denault.
Von PRO
Auf Twitter rief die amerikanische First Lady Michelle Obama auf: "Bringt unsere Mädchen zurück"
Zahlreiche Menschen zeigen sich seit der Entführung von mehr als 200 Mädchen durch die Sekte Boko Haram in Nigeria empört – wie beispielsweise die amerikanische First Lady Michelle Obama oder der britische Premier David Cameron. Ihrer Entrüstung machen viele in maximal 140 Zeichen mit dem Hashtag #BringBackOurGirls auf Twitter Platz. Ein Foto der Person, die ein Papierschild mit jenen Worten in die Kamera hält, schmückt die Kurznachricht. Dahinter stehe der Anspruch, „Boko Haram, eine der gewalttätigsten islamistischen Terrorgruppen, in die Knie zwingen zu wollen. Gutes tun per Twitter-Tastendruck“, schreibt die n-tv-Autorin Nicole Macheroux-Denault . Dass der „Hashtag-Aktivismus“ etwas bewegen könne, habe die „Social Media-Gemeinde“ mit der Kampagne gezeigt, findet Macheroux-Denault. Immerhin habe die nigerianische Regierung die Entsendung amerikanischer und britischer Truppen in ihr Land genehmigt. Diese hatten angeboten, bei der Suche nach den Mitte April entführten Mädchen zu helfen.

„Zustand des Militärs schlecht“

Doch wie nachhaltig ist dieser Erfolg?, fragt die Autorin. Schließlich seien die Schülerinnen noch immer in der Gewalt von Boko Haram und darüber hinaus befänden sich die Streitkräfte im bevölkerungsreichsten Land Afrikas in einem anhaltend schlechten Zustand. „Und das ist ein Punkt, den niemand, der sich für die Freilassung der am 14. April entführten Mädchen einsetzt, außer Acht lassen kann“, schreibt Macheroux-Denault. Es gibt also zwei Seiten der Medaille, wie die Autorin in ihrem Beitrag zeigt. Der nigerianisch-amerikanische Autor Teju Cole habe das in einem Satz verdeutlicht: „Denkt daran: #BringBackOurGilrls, ein Meilenstein für die nigerianische Demokratie, ist nicht dasselbe wie #BringBackOurGirls, eine Welle globaler Sentimentalität.“ Denn Hilfe von außerhalb ist nicht bei allen Nigerianern willkommen, da man den Druck der Amerikaner bei der Suche nach den Mädchen fürchte. Vielmehr wolle Nigeria den Kampf gegen Boko Haram selbst gewinnen.

„Stärkung der Zivilgesellschaft“

Macheroux-Denault fasst also zusammen, dass die „Online-Konfliktlösungs-Industrie“ nichts zur Suche der Mädchen beitragen werde. Weder durch Twitter noch durch Spezialeinheiten aus dem Ausland könnten dabei Erfolge erzielt werden. „Nigerias Probleme sind systembedingt und Weltpolizisten sollen vorsichtig sein, nicht genau die Kräfte der nigerianischen Politik zu stärken, die dieses Chaos kreiert haben“, warnt die Journalistin. Das Militär sei notorisch unterbezahlt, schlecht ausgebildet und stehe einem „hoch motivierten und gut ausgerüsteten Feind“ gegenüber. „Kein Wunder, dass Soldaten die Entführer der Mädchen von Chiboc nicht verfolgt haben. Sie hatten keine Chance gegen sie zu gewinnen.“ Um die Gesellschaft gegen solche Vorfälle wie die der Entführung besser zu rüsten, müsse an einer anderen Stelle angesetzt werden. Beispielsweise seien in den vergangenen 50 Jahren laut Weltbank 30 Milliarden Euro Staatsgelder im Ausland veruntreut worden. Staatsrepräsentanten hätten mehrere Villen im Ausland, während die Bevölkerung „bettelarm“ sei. „Das sind bessere Ansätze für eine Kampagne für eine sichere nigerianische Zivilgesellschaft als die Hashtag-Messages und darin verschickte Fotos von Schildträgern, mögen sie auch noch so berühmt sein.“ Die Autorin folgert: „Es lebe der Hashtag! Aber die Mädchen von Chibok retten kann er nicht.“ (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/entfuehrte-maedchen-zum-islam-konvertiert-88086/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/boko-haram-schuelerinnen-als-sex-sklaven-88036/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/es-regiert-der-der-das-gewehr-in-der-hand-hat-87680/
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