Wie groß darf die Einflussnahme von Religion auf Staat und Gesellschaft sein? Darüber haben bei einem Streitgespräch der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und der Weihbischof Hans-Jochen Jaschke diskutiert. Für Kubicki gehört Gott zwar ins Leben, aber nicht in die Verfassung.
Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki haben in Hamburg diskutiert
Die Tageszeitung Die Welt hat den Weihbischof des Erzbistums Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, und den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki zu einem Streitgespräch eingeladen. Beide diskutierten im Hamburger St. Marien-Dom über die Einflussnahme von Religionsgemeinschaften auf Staat und Gesellschaft.
Laut Jaschke gibt es viele Bereiche, in denen Staat und Kirche gut zusammenarbeiten. Das gelte vor allem für Aufgaben, die der Staat anderen Gruppen überträgt, zum Beispiel bei Krankenhäusern und Schulen: „Der Staat lebt mit einer von Religion geprägten Kultur, die er erbt und übernimmt.“ Religion sei ein Träger einer Kultur, die Christen und Nicht-Christen in Deutschland betreffe.
Dass der Staat christliche Einstellungen und Grundhaltungen fördert, findet Jaschke korrekt: „Immerhin sind 60 Prozent der Deutschen Christen.“ Für den FDP-Politiker Kubicki umfasse der Gott des Grundgesetzes nicht nur den christlichen Gott, sondern auch den jüdischen oder den muslimischen. Im Kieler Landtag, in dem Kubicki FDP-Fraktionsvorsitzender ist, gab es im Juli den Versuch, einen Gottesbezug in die Präambel der Landesverfassung einzubringen. Es fand sich letztlich keine dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit.
Gott im Leben, aber nicht in der Verfassung
Der 64-jährige Politiker sieht in der Verfassung ein Regelwerk für das friedliche Zusammenleben der Menschen. Es sei nicht dazu da, irgendeinen Glauben zu dokumentieren. Für Kubicki gehört Gott in das Leben und nicht in die Verfassung. „Gott ist der größere Horizont für alles, was wir rechtlich regeln“, entgegnete Jaschke. Auf die Anspielung Kubickis, dass Gott dann außerhalb der Verfassung stehe, antwortete er: „Ja, aber nicht als Verfassungsfeind, sondern als die ganz andere Instanz.“
Kubicki stellte fest, dass bei vielen Deutschen die Ausübung einer Religion eine immer kleinere Rolle spiele. Jaschke sieht dies ähnlich, beobachtet aber einen wachsenden Gesellschaftstrend zu einer allgemeinen Religiosität hin, wonach Menschen sich vermehrt die Sinnfrage ihres Daseins stellen. Dort sehe er neues Potenzial für die Kirche. (pro)
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