Neues Buch: Huber zeigt Perspektiven der Wende

"Die Mauer ist weg" lautet der Titel eines neuen Buches von Bischof Wolfgang Huber. Er und 17 weitere Autoren schildern dort ihre Erinnerungen an den Mauerfall im Jahr 1989. Gemeinsam haben die Verfasser vor allem eines: Sie erlebten, wie sich Deutschland grundsätzlich veränderte.
Von PRO

„Ich wusste, es hatte sich etwas grundsätzlich verändert“, schreibt Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der EKD, in seinem neuen Werk über den Mauerfall vor zwanzig Jahren. Diesem „Wunder“ der friedlichen Revolution widmet er ein ganzes Buch. In „Die Mauer ist weg“ kommen nicht nur er, sondern auch Publizisten, Schriftsteller oder Musiker zu Wort, die alle eine Gemeinsamkeit aufweisen: Sie haben den Mauerfall miterlebt – in Ost- oder Westdeutschland, manche sogar im Ausland. Aus ihren eigenen Perspektiven schildern sie in diesem „Lesebuch“ in knappen Episoden die Geschehnisse des Novembers 1989.

„Wir hielten den Sozialismus für die Zukunft“

„Wir fanden doch die DDR im Prinzip gut, die hatten schon den Sozialismus, den wir für die Zukunft hielten“, schreibt etwa Thommie Bayer, Schriftsteller und Musiker aus Esslingen. Bei einer Tour durch die DDR änderte sich sein Blick: „Der schiere Augenschein war stärker als alles, was ich mir einreden konnte: Dies war nicht gut, es war ein Gefängnis.“ Zunächst versuchte der Künstler, seinem bourgeoisen Weltbild nicht untreu zu werden, in dem „Eltern irgendwie die Bösen waren, der Kapitalismus etwas, das die Menschen zerstört, und der Sozialismus das anzustrebende Gute“. Es folgte das „Durcheinander“ des Mauerfalls. Schnell wurde Bayer klar, dass die Politik sein Leben weit weniger beeinflusste als gedacht: „Mein Land war ein anders geworden – mein Leben war mein Leben wie bisher“, resümiert er.

Ähnliches berichtet die Tänzerin und Autorin Martina Hefter. Sie arbeitete im Sommer 1989 in einem Österreicher Hotel und lernte dort Flüchtlinge aus der DDR kennen. Dennoch erlebt sie den Mauerfall „teilnahmslos“, wie sie schreibt. Als sie im Winter in das Hotel zurückkehrt, trifft sie wieder auf die Flüchtlinge. Diesmal aber sind sie frei, haben eine Wohnung gefunden und feiern ein friedliches Weihnachtsfest.

Alles begann mit Friedensgebeten

Die heutige Journalistin Kathrin Aehnlich erlebte die Proteste in ihrer Heimat Leipzig von weit entfernt – sie war auf einer lang ersehnten Reise in Polen. Zunächst taten sich die Leipziger zu Friedensgebeten zusammen, dann organisierten sie Straßenmärsche, schließlich fiel die Mauer. „Es war das erste Mal, dass ich Leipzig ungern verließ. Eine Stadt, in der die Leute auf die Straße gingen, ohne Aufforderung des Staates. Nach und nach öffneten sich die Kirchen. Friedensgebete für Nichtchristen. Die Kirche als unantastbarer Ort, als politischer Ort. Nach dem Gottesdienst standen sich auf den Straßen Demonstranten und Polizisten gegenüber“, schreibt sie.

Der Publizist und heutige EKD-Mitarbeiter Jürgen Israel war hautnah dabei, als sich die Grenze nach Westen öffnete. Gleich nachdem die Übergänge passierbar waren, reiste er aus. „Als wir nach einer Weile an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche standen, wurde mir klar bewusst, dass es die DDR, die ihre Bürger ängstlich und gewaltsam festhielt, nicht mehr gab, dass wir nicht mehr festzuhalten waren. Ich war glücklich und frei.“ Wie sehr diese Freiheit im Gegensatz zum DDR-Regime steht, bemerkte er erst einige Tage später: „Ich entsinne mich noch genau des Moments, als ich am Katalogkasten stand und begriff: Jetzt kann ich jedes Buch bestellen und lesen. Keiner fragt mich, wozu ich es brauche. Und wenn das Buch noch so obskur ist – es gibt keinen Menschen, der es mit verbieten kann.“ 1991 gab er das Buch „Zur Freiheit berufen – Die Kirche in der DDR als Schutzraum der Opposition“ heraus.

Gewinn für alle, die den Mauerfall nicht erlebten

Es sind insgesamt 17 Episoden, die Bischof Huber in seinem Buch zusammenträgt. Dabei liegt der Reiz dieses Lesebuchs vor allem in der Vielseitigkeit der Autoren und Geschichten. Für manche war der Mauerfall eine zentrale Lebensveränderung, andere nahmen sie nur am Rande wahr. Manche waren dem Sozialismus grundsätzlich positiv gesinnt und ließen sich erst bei Besuchen der DDR eines besseren belehren, für andere war das DDR-Regime das Ende aller Freiheit. Hubers Buch ist kein Sachbuch über die DDR-Zeit, sondern eröffnet Blickwinkel, die vor allem jenen, die das Ende der DDR nicht miterlebt haben, neue Perspektiven eröffnen könnte. (PRO)

Die Mauer ist weg – ein Lesebuch, Wolfgang Huber (Hg.), 136 S., Edition Chrismon, 16 Euro

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