Neuer Atheismus: SPD-Laizisten zeigen Flagge

Der Streit um die Gründung eines laizistischen Arbeitskreises bewegt die SPD noch immer. Am Montag diskutierten laizistische und christliche Parteimitglieder, aber auch Theologen und Humanisten in Berlin über die Frage: Ist der Neue Atheismus eine Alternative zu den Religionen?

Von PRO

Michael Bauer vom Sprecherkreis der Laizisten und Laizistinnen der SPD erklärte bei der Debatte in der Friedrich-Ebert-Stiftung, in einer modernen Welt sei der Bezug auf die Kirchen in der Politik nicht aufrechtzuerhalten. Der Staat habe bei der Verteilung seiner Mittel alle gleich zu behandeln. Das sei derzeit etwa beim Religionsunterricht an Schulen nicht der Fall. Die Durchsetzung des Laizismus sei eine "Frage der Emanzipation". Werner Schultz vom Humanistischen Verbandes in Berlin erklärte, die SPD bemühe sich derzeit um die Vermeidung der Debatte um den Laizismus. In einem Land, in dem immer weniger Jugendliche an Gott glaubten, müsse sie genau das Gegenteil tun, wenn sie nicht belanglos werden wolle.

Im Juni des vergangenen Jahres trafen sich 12 SPD-Mitglieder in den Räumen des Humanistischen Verband Deutschlands in Nürnberg zur Gründung eines laizistischen Arbeitskreises. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, seit 20 Jahren Mitglied der Partei und gläubiger Katholik, betonte damals gegenüber pro, dass die SPD auch mit einem laizistischen Arbeitskreis keine antikirchliche Partei werde: "Die SPD ist eine weltanschaulich plurale Partei. Hier wirken Menschen mit unterschiedlichen religiös-weltanschaulichen Überzeugungen zusammen. Deswegen gibt es in dieser SPD auch Atheisten, Agnostiker und Laizisten." Bis heute hat der Parteivorstand die Gruppe nicht offiziell anerkannt.

Benno Haunhorst vom Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD rechtfertigte dies mit dem Parteiprogramm: "Die SPD ist keine laizistische Partei, sondern genau das Gegenteil", sagte er. Stattdessen stehe sie für Toleranz und lege kein Mitglied auf eine Weltanschauung fest. Daher könne er sich nicht vorstellen, dass der Parteivorstand einen laizistischen Arbeitskreis jemals zulassen werde.

Täglich velässt ein ICE die Kirche

Der Theologe Andreas Fincke erklärte, der Begriff "Neuer Atheismus" sei ein Import aus den USA und Großbritannien. Autoren wie Richard Dawkins bezögen sich in ihrer Religionskritik meist auf den 11. September 2001, beschrieben Glauben als Dummheit und trügen ihre Thesen überwiegend herablassend vor. Sie kritisierten nicht nur Missstände, sondern forderten mit "missionarischem Eifer" die Abschaffung aller Religionen. Ihr Sendungsbewusstsein gleiche dem amerikanischer Fernsehprediger. Fincke nimmt ein zunehmendes Klima der Kirchenkritik wahr, das etwa die Giordano Bruno Stiftung "findig" aufgreife. So gehe Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung, "keinem Streit um Religion aus dem Weg" und äußere dabei teils "verächtliche Polemik".

Der Neue Atheismus sei nicht nur eine Kampfansage an die Kirchen, sondern eine Kampfansage an alle Religionen. Er sei verletzend und für einen Verständigungsprozess nicht hilfreich. Mit jährlich 330.000 Austritten aus beiden Volkskirchen verlasse werktäglich ein "ICE mit 18 Wagen" die Kirchen. "Mich kosten Konfessionslose, die ihre Kinder taufen lassen wollen, zur Zeit relativ viel Kraft", erklärte der Pfarrer und forderte seine Kirche dazu auf, das humanistische Potential nicht zu unterschätzen. "Keine Region der Welt ist so entkirchlicht wie der Großraum zwischen der Lutherstadt Wittenberg und der Lutherstadt Eisleben", sagte er. Er verstehe nicht, warum sich die Kirchen dem Thema nicht annähmen. Humanisten hätten besser verstanden, dass sie die Konfessionslosen umwerben müssten, als die Kirchen.

Horst Groschopp von der Humanistischen Akademie in Berlin forderte einen differenzierten Umgang mit Begriffen wie Atheismus und Humanismus. Weltweit gebe es mehr als 40 Humanismen, etwa den konfuzianischen, arabischen oder eben den Neuen Humanismus. Neben der Girodano Bruno Stiftung hätten sich auch die Humanistische Union und der Humanistische Verband, der eine quasi-konfessionelle Gleichbehandlung mit den Religionsgemeinschaften anstrebe, dem Thema gewidmet.

Ein neuer Humanismus gehe davon aus, dass es keine übernatürlichen Beschützer oder Feinde des Menschen gebe. So sei es allein Aufgabe des Menschen, Leid zu vermeiden und die Gemeinschaft zu verbessern. Die Wissenschaft sei für den Humanismus eines der wertvollsten Instrumente zur Verbesserung der Welt. Gemeinsam sei den vielfältigen humanistischen Gruppierungen, dass sie den Laizismus anstrebten. Manche forderten eine Gleichstellung mit den Kirchen, durch eine Verleihung kirchlicher Privilegien an alle Weltanschuungsgemeinschaften, andere strebten eine Abschaffung dieser Vorteile an. Groschopp selbst nannte es einen "Skandal, dass es in Deutschland nicht einen Lehrstuhl für Humanismus gibt". Dennoch versuche der Humanismus nicht, Menschen aus den Kirchen zu treiben. "Dazu leisten die Kirchen schon selbst ihren Teil", sagte Groschopp. (pro)

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