„Was ist das für eine Kirche mit dem ‚abgebrochenen‘ Turm“, fragen viele Nicht-Erlanger, wenn sie an diesem Gebäude auf dem Bohlenplatz mitten in der Stadt vorübergehen. „Keine Kirche“, müsste man eigentlich antworten und trotzdem gleichzeitig sagen: eine deutsch-reformierte Kirche. Das wäre die geschichtlich korrekte Antwort auf diese Frage. Ein „Haus der Kirche“ war es schon immer: Das Kirchengebäude der deutsch-reformierten Gemeinde, das Gemeindehaus der Neustädter (Universitäts-) Kirche und jetzt Heimat von „Kreuz+Quer“.
Kreuz+Quer ist das „Haus der Kirche in Erlangen“, wie der Untertitel verrät. So bleibt es nach wie vor das Gemeindehaus der Neustädter Kirche, gibt kirchlichen Gruppen die Möglichkeit, Veranstaltungen durchzuführen, für Gemeinden, Landeskirche, aber auch für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Es ist auch Ort für Veranstaltungen des Dekanats, wie Dekanatssynoden, Workshops und Fortbildungen. Und trotzdem ist es nicht nur ein Haus der Kirche: Es ist ein Haus, mit dem die Erlanger Christen die Kirche mitten in die Gesellschaft bringen möchten. Es solle die Möglichkeit geben, einander zu begegnen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen, sagt der Erlanger Dekan Peter Huschke. Dafür gehen die Erlanger auch ganz bewusst auf nicht-kirchliche Gruppen zu. Sie planen Kooperationen für Veranstaltungen mit der Universität und der Volkshochschule, wollen aber den Katharinensaal und die Räume im Erdgeschoss ebenso vermieten. Bei der Eröffnung äußerte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Vorschlag, den Präsidenten des Zentralrats der Juden zu einem Gespräch einzuladen. Doch nicht nur konzeptionell passt der Name Kreuz+Quer, sondern ebenso geschichtlich wie architektonisch.
Mensch rückt in den Fokus
Das Gebäude ist ein barockes Denkmal der deutsch-reformierten Gemeinde in Erlangen. „Eigentlich ist es eine Flüchtlingsgeschichte, die zum Bau des Hauses geführt hat“, sagt Christian Düfel, Beauftragter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Dekanats Erlangen. Reformierte Flüchtlinge aus Frankreich und der Schweiz gründeten im 17. Jahrhundert in Erlangen zwei Gemeinden. Es entstand 1734 die Christuskirche, das heutige Kreuz+Quer. Diese Entwicklung war nur möglich, weil die Reformierten einen Neuaufbruch wagten. Sie fusionierten und verkauften ihr Gotteshaus 1921 an die evangelisch-lutherische Kirche. Diese zog – beim bisher größten Umbau des Gebäudes – eine Zwischendecke ein, sodass zwei Stockwerke entstanden – ein Saal im Obergeschoss und kleinere Räume unten.
Kreuz+Quer zeigt sich das Gebäude insbesondere nach dem Umbau der letzten eineinhalb Jahre. Der ursprünglich wegen Geldmangel nicht fertiggestellte Turm passt deshalb hervorragend zum Bau. Der Umbau zum Kreuz+Quer erhält den ursprünglichen Charakter der Kirche, wie die Rundbogenfenster und die Stuckdecke im Katharinensaal, vereint diese aber mit modernen Elementen wie großen Glaswänden.
Das Kreuz+Quer ist jetzt der Neuaufbruch der Lutheraner in Erlangen. Es soll, wie Hans Jürgen Luibl, Leiter von Bildung Evangelisch und Kreuz+Quer im Magazin zur Eröffnung schreibt, ein „neuer Spielraum des Evangeliums in der Zivilgesellschaft“ werden. Der Versuch, Kirche nicht hinter dicken Kirchenmauern zu verstecken. Damit rücken die Erlanger den Menschen, die Gesellschaft, 500 Jahre nach Martin Luthers Reformation wieder in den Fokus. „Kreuz+Quer ist ein Vorzeigeprojekt“, wie die Präsidentin der bayerischen Landessynode, Annekathrin Preidel, in ihrem Grußwort sagte. Ein Beispiel, dem viele Gemeinden und Dekanate folgen könnten. (pro)EKD: Lutherbibel als kostenlose App (pro)