Neue Hagen-Doku: „Liebe, die nie aufhört“

Sie ist ein Hippie, ein Christ und vor allem die "Godmother of Punk". Eine neue gleichnamige Dokumentation zeigt das Leben der Nina Hagen, ihre Hochs und Tiefs zwischen Drogensucht und einer "Liebe, die nie aufhört". Am heutigen Donnerstag feiert der Film in Berlin Premiere.

Von PRO

Nina Hagen hat etwas geschafft, das viele ihrer Berufskollegen jahrelang erfolglos versuchen: Ein Comeback – und das auch noch mit einem Gospelalbum. "Personal Jesus" ist zu einem ihrer am besten verkauften Alben geworden. Mit ihrer Musik tourt sie heute wieder durch Europa. Quietschbunt wie immer, mit Che-Guevara-Schal und Totenkopfspangen in den Haaren, aber im Namen des Herrn, sagt sie. Doch die Dokumentation von Cordula Kablitz-Post, Meyen Wachholz, Christian Eggenberger und Gabriele Conrad zeigt mehr als die schrille Nina, die von vielen belächelt wird. Der Film wirft ein Licht auf ein einst junges Mädchen, das sich mit ihrer Mutter nicht verstand, durch die halbe Welt flüchtete, versuchte Selbstmord zu begehen und fast an Drogen zugrunde ging.

Hagen wächst in einer Künstlerumgebung auf. Ihre Mutter ist Schauspielerin und mit dem Regimekritiker Wolf Biermann liiert. Nina selbst absolviert eine klassische Gesangsausbildung und zeigt schon früh ihr "komisches Talent" als Schlagersängerin, wie sich ihre Mutter Eva-Maria erinnert. Mit 17 wird sie Frontfrau einer Rockkombo namens "Automobil", es folgt der DDR-Hit "Du hast den Farbfilm vergessen". Doch zwischen all dem Trubel fühlt sie sich allein. Schon mit 12 versucht sie, sich die Pulsadern aufzuschneiden. 1976 verlässt sie die DDR, versucht in Hamburg als Künstlerin Fuß zu fassen. Als das nicht gelingt, reist sie nach London, der Wiege des Punkrock. Sie sei schon immer gegen das Establishment gewesen, findet sie da heraus. "Ich bin immer ein Hippie gewesen und wusste nur nicht, dass das eigentlich Punk heißt", sagt sie im Film. Die Nina-Hagen-Band wird zum Vorreiter deutscher Punkmusik und einer neuen Mischung zwischen Rock und Schlager.

"Ich war schon immer Christ – ihr habt nur nicht zugehört!"

Ein Jahr später trennt sich Nina Hagen von ihrer Band, um sich "nicht untreu zu werden", wie sie heute sagt. In Amsterdam gerät sie in die Drogenszene, magert auf 45 Kilo ab, konsumiert "non-stop Kokain". Wie eine Teufelsbesessenheit sei das gewesen. In dieser Phase lernt sie den schwer drogenabhängigen späteren Vater ihrer Tochter Cosma-Shiva kennen, macht mit ihm Musik und tourt durch Europa. "Ich musste damals auch beten", sagt sie in der Doku. An Jesus habe sie schon in dieser Zeit geglaubt. Jesus Christus sei ihr Manager, das habe sie damals schon "gebracht". "Ihr habt nur nicht richtig zugehört", sagt sie. Die Sängerin "Peaches" erinnert sich im Film, wie Nina ihr damals erzählte, dass sie Jesus Christus gefunden habe, als sie auf LSD gewesen sei.

Im Film spricht sie auch über ihre Schwangerschaften. Schon mit 17 habe sie eine Fehlgeburt gehabt, sogar zwei Abtreibungen ließ sie in jungem Alter durchführen. Als sie in West-Berlin erfolgreich als Punksängerin auftritt, verliebt Nina Hagen sich in einen 17-Jährigen, inszeniert Hochzeiten und nimmt ein Album namens "Punkhochzeit" auf. Es folgen weitere Affären, etwa mit Frank Chevalier, den sie durch den Modeschöpfer Jean-Paul Gaultier kennenlernt. Es sei doch schön, brüderlich-schwesterliche Liebe mit so vielen Menschen zu teilen, sagt sie im Film, und: "Der Sex gehört ja irgendwie dazu." Als die Beziehung zu Chevalier zerbricht, flüchtet sie in den Hinduismus, verbringt Zeit bei einem Guru, macht sogar indische Musik. Ihrem Jesus will sie dennoch treu geblieben sein: Zu ihrem 55. Geburtstag folgt ihr Gospelalbum "Personal Jesus" inklusive Kirchentournee. "Sachen die eigentlich unmöglich sind, sind mit Gott möglich", sagt sie.

"Nina Hagen – Godmother of Punk" lässt den Zuschauer nicht wirklich schlauer aus der Person Nina Hagen werden. Sie zeigt sich als linkspolitischer spiritueller und feministischer Freigeist, geleitet von einer Liebe, die sie nur Jesus zuschreiben will. Dennoch vollbringt die Produktion eines: Sie beleuchtet die vermeintlich durchgeknallte Punkrockerin als das, was sie wirklich ist: Vielschichtig und geprägt durch ein Leben, das sie hat lernen lassen, sie selbst zu sein. Auch wenn diese Selbst wohl nur die Wenigsten jemals begreifen. (pro)

"Nina Hagen – Godmother of Punk" feiert am Donnerstag im Berliner Kino Babylon Premiere. “Arte“ strahlt die Dokumentation am kommenden Dienstag, 16. August, um 21.30 Uhr aus.

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