Neue Debatte um Betreuungsgeld für Eltern

Die Diskussion um das Betreuungsgeld für Eltern von Kleinkindern ist erneut entflammt. Der Kurs in der Familienpolitik spaltet die Regierung immer mehr. Nachdem die CSU am vergangenen Montag einen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld beim Bund eingereicht hat, kommt Kritik von Politikern der SPD, aber auch aus CDU und aus den Reihen der CSU selbst. Dabei hatten sich die Parteien im April dieses Jahres bereits auf die Einführung eines Betreuungsgeldes geeinigt. Nur leere Versprechungen?
Von PRO

von Ellen Nieswiodek-Martin

Die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger hat sich gegen eine Einführung des Betreuungsgeldes ausgesprochen, bevor der geplante Ausbau der Kleinkinderbetreuungsplätze verwirklicht wurde. In einem Interview mit der br>
Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) sagte die zweifache Mutter: „Von 2013 an soll es ein Betreuungsgeld geben, denn wir wollen die Leistung von zu Hause erziehenden Eltern würdigen. Jetzt aber wäre es ein falsches Signal an junge Mütter und Väter.“ Hessen wolle allerdings die Betreuungsplätze für unter Dreijährige bereits bis zum Jahr 2008 massiv ausbauen.

Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, tun dies bisher unentgeltlich. Meist sind es die Mütter, die sich dafür entscheiden, ihr Kind zu Hause zu betreuen. Bisher hatten sie auch kaum eine Wahl, denn in vielen Regionen Deutschlands mangelt es an Betreuungsangeboten für unter Dreijährige. Damit dies anders wird, hatten Bund, Länder und Kommunen im April dieses Jahres beschlossen, die Betreuungsangebote für Kleinkinder auszubauen. Bis zum Jahr 2013 soll für jedes dritte Kleinkind ein Tagesmutter- oder Krippenplatz zur Verfügung stehen.

Der Kritikpunkt bei dieser Regelung: Eltern, die ihr Kind selbst erziehen, verzichten damit auf staatlich finanzierte Betreuungsplätze, haben aber keine finanzielle Entschädigung. Zahlreiche Familienverbände, Bischöfe und die Deutsche Evangelische Allianz, aber auch etliche Politiker, forderten für Eltern, die ihr Kleinkind selbst erziehen, ein monatliches Betreuungsgeld. Darauf reagierte die große Koalition und beschloss im April ebenfalls ein Betreuungsgeld von 150 Euro pro Monat für innerfamiliäre Betreuung.

Bereits im Mai war dann in der „Berliner Zeitung“ zu lesen, Familienministerin Ursula von der Leyen werde die neue Geldleistung für Eltern nicht in ihren Gesetzentwurf zum Ausbau der Krippenplätze aufnehmen. Lediglich der geplante Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 solle im Gesetz verankert werden.

Bayern reicht Gesetz zum Betreuungsgeld ein

Nun ist das Bayerische Familienministerium tätig geworden und hat am vergangenen Montag einen Gesetzentwurf zur Einführung des Betreuungsgeldes beim Bund eingereicht. Der Entwurf sieht vor, dass Eltern vom Staat jeden Monat 150 Euro im zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes erhalten. Diese Leistung würde sich an das Elterngeld anschließen, das in der Regel ein Jahr lang gezahlt wird. Dafür dürfte die Familie allerdings für ihr Kind keine öffentlich subventionierte Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Die Leistung soll zudem an den Nachweis der Kleinkind-Vorsorgeuntersuchungen U6 und U7 gekoppelt werden.

Wie die bayrische Familienministerin Christa Stewens mitteilte, wolle die CSU mit ihrem Vorstoß nicht am Ausbau der Kleinkindbetreuung für unter Dreijährige rütteln. Es dürfe aber nicht ausgeblendet werden, dass zwei Drittel der Eltern ihre Kinder gerade in den ersten drei Lebensjahren selbst erziehen wollten. Nur mit dem Ausbau der Kita-Plätze und dem Betreuungsgeld gebe es tatsächlich Wahlfreiheit für die Eltern.

Uneinigkeit in CDU und CSU

Der Gesetzentwurf entflammte die Diskussion um das Betreuungsgeld zwischen Politikern der CDU und CSU neu. Familienministerin von der Leyen hatte sich gegen eine Auszahlung der Leistung ausgesprochen. Sie favorisiert die Ausgabe von Gutscheinen, die Eltern einlösen können, um einem Missbrauch vorzubeugen. Das Geld nütze den Kindern nichts, wenn Eltern, statt sich um eine bessere Betreuung zu kümmern, mit 150 Euro lieber ihre Haushaltskasse aufbesserten, so die Ministerin. Bereits auf dem „Kindergipfel“ zum Weltkindertag im September vergangenen Jahres in Berlin hatte von der Leyen auf die Notwendigkeit der frühkindlichen Bildung und Frühförderung in Kindertagesstätten hingewiesen.

Auch dafür erhält von der Leyen Unterstützung von Hessens Sozialministerin Lautenschläger: „Es gibt Familien, die bereits heute das Kindergeld nicht für ihre Kinder einsetzen. Die Spanne bis 2013 gibt uns Zeit, die Lage von Problemfamilien mit kleinen Kindern genauer zu betrachten und Lösungen zu finden.“

„Das Betreuungsgeld hilft nicht weiter“, sagte auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in einem Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“. Er respektiere die Entscheidung einer Familie, ihr Kind nicht in eine Kindertagesstätte zu geben. Dafür müsse es aber keinen staatlichen Zuschuss geben. Als Alternative schlug er vor, Erziehungszeiten stärker bei der Rentenzahlung zu berücksichtigen. Damit würde auch das Problem umgangen, dass das Betreuungsgeld missbraucht werden könnte, „etwa zum Kauf von Zigaretten und Alkohol“, so Rüttgers.

Finanzierung der Kinderbetreuungskosten immer noch nicht gesichert

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ina Lenke, sieht in der Diskussion nur ein Ablenkungsmanöver von anderen Problemen: „Der CSU-Vorstoß nach einem Betreuungsgeld ist aussichtslos. Er soll nur konservatives Wählerklientel beruhigen. Die Streitereien um Betreuungsgeld oder Gutscheinmodell sind ohnehin nur Nebenkriegsschauplätze innerhalb der Koalition bei der Familienpolitik. Es wird verschleiert, dass die Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung immer noch nicht klar ist.“

Laut Angaben der Familienministerin wird der Bund für den Ausbau der Kleinkindbetreuung vier Milliarden Euro bereitstellen und damit ein Drittel der Ausbaukosten tragen. Den größeren Teil müssen Länder und Kommunen aufbringen. Ab dem Jahr 2012 werde es dann Zuschüsse für die laufenden Betriebskosten der Betreuungseinrichtungen geben.

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