„Nein zu Antisemitismus“

Am Sonntag haben die Beratungen des Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche in Deutschland begonnen. Zum Auftakt der Synode stand der Kampf gegen Antisemitismus im Zentrum.
Von Norbert Schäfer
Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich

Am Sonntag hat in Ulm die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen. Schwerpunkt der viertägigen Beratungen des Kirchenparlaments ist die Kommunikation des Glaubens. „Vom Glauben zu reden, ist kein Marketingkonzept für die Kirche. Ob die Menschen zustimmen oder mit dem Kopf schütteln, das kann nicht der Maßstab sein“, sagte der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl.

Beim Eröffnungsgottesdienst der Synode in der Martin-Luther-Kirche erteilte Gohl Antisemitismus in Deutschland eine Absage: „Nein zu Antisemitismus. Da sind wir in der Kirche einig.“

Bas fordert „Schulterschluss“ gegen Antisemitismus

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) erinnerte die Synode in einem Grußwort an den 85. Jahrestag der Reichspogromnacht. „Dieses Verbrechen hatte seinen Ursprung im Missbrauch der Sprache. Die Nationalsozialisten missbrauchten die Sprache mit judenfeindlicher Propaganda in allen Bereichen des öffentlichen Lebens“, sagte Bas und forderte einen „Schulterschluss“ von Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur, Sport, Kirchen und Religionsgemeinschaften gegen Antisemitismus.

Die Bundestagspräsidentin bemängelte in ihrer Rede das schwindende Vertrauen der Menschen in demokratische Prozesse und die Herabsetzung von Minderheiten, dem Verbreiten von Lügen und Halbwahrheiten, Desinformation und Manipulation im Internet. Mit dem Internet seien eigentlich die Diskursräume größer geworden. „Wir kommen dennoch weniger miteinander ins Gespräch, weil viele lieber in ihren Blasen bleiben“, sagte Bas.

„Wir brauchen die christlichen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften, gerade in Krisenzeiten. Sie sind Brückenbauerin in alle gesellschaftlichen Schichten“, erklärte die Bundestagspräsidentin an die Synode gerichtet. Die Kirchen seien wichtige Partner des Staates, auch in sozialen Fragen. „Kirche und Politik werden besonders streng danach beurteilt, ob Worten Taten folgen“, erklärte Bas vor den Synodalen, die sich bei Ihrer Tagung besonders der „Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben“ widmen. Die Bibel mahne an vielen Stellen zum umsichtigen und klaren Umgang mit der Sprache und warne in kraftvollen Bildern vor Geschwätzigkeit, Unredlichkeit, Falschheit, Heuchelei und Überheblichkeit im Reden.

Heinrich: „Reden und Handeln gehören zusammen“

Das Schwerpunktthema „Sprach- und Handlungsfähigkeit“ stand im Mittelpunkt des Präsidiumsberichts, den die Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich, zur Eröffnung des Plenums vor den 128 Synodalen hielt. „Die kirchliche Stimme wird umso überzeugender, je klarer sie in den heilvollen Erzählungen der Bibel gründet, je authentischer sie mit persönlichen Glaubensüberzeugungen zusammenstimmt und je praktischer sie sich im eigenen Engagement widerspiegelt“, sagte Heinrich. Die Präses betonte die Bedeutung von Sprachfähig außerhalb des kirchlichen Kontextes und das Vermögen, auf Fragen und Zweifel eingehen und sich klar mit Bezug auf die Botschaften des Glaubens verständlich, wahrnehmbar einbringen und Position beziehen zu können. „Reden und Handeln gehören dabei untrennbar zusammen.“

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus forderte in ihrem Bericht vor der Synode, entschiedeneres Engagement gegen Antisemitismus in den Reihen der Kirche. Kurschus erinnerte an die Wurzeln von Antisemitismus in der Kirche: Antisemitismus „kommt aus unserer christlichen Geschichte, er keimt auch in unserer Mitte, unter unseren Kirchenmitgliedern“, erklärte die Ratsvorsitzende.

Solidarität nicht gegen Mitleid mit Opfern ausspielen

Juden dürften „nicht den Hauch eines Zweifels haben, dass sie auf die Kirchen zählen können“, sagte die Ratsvorsitzende. Kurschus bekundete ihre Solidarität mit dem von der Terrororganisation Hamas angegriffenen Israel und warnte zugleich vor Hass auf Muslime, der sich als Israelfreundlichkeit tarne. Die Solidarität mit Israel und die Empathie für die palästinensischen Opfer dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Die Ratsvorsitzende forderte Mäßigung bei den Debatten über Flucht und das Klima. „In perfider sprachlicher Verdrehung wird aus den Ertrinkenden die Flut gemacht und aus den Schiffbrüchigen die Welle, die uns angeblich überschwemme“ erklärte sie in ihrem Bericht vor dem Kirchenparlament. Über Flüchtlinge werde von Zahlen gesprochen, die „runter müssten“, als ginge es dabei um eine „mittelschwere Matheaufgabe“. Kurschus sprach sich gegen unbegrenzte Zuwanderung aus, aber auch gegen die Festlegung einer Obergrenze.

Mit Spannung werden von der Synode die Ergebnisse einer Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung erwartet. Sie sollen am Dienstag vorgestellt werden. Die Synode der EKD tagt noch bis zum 15. November in Ulm. Zu den Aufgaben der Synode zählen die Erarbeitung von Kundgebungen und Beschlüssen zu Fragen der Zeit sowie die Verabschiedung des EKD-Haushaltes und Kirchengesetzen. Geleitet wird die Synode vom Präsidium unter dem Vorsitz von Präses Anna-Nicole Heinrich, die auch dem Rat der EKD angehört. Vorsitzende des Rates der EKD ist Annette Kurschus. Die EKD ist die Dachorganisation von 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen in Deutschland mit derzeit rund 19,2 Millionen Mitgliedern.

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