Necla Kelek: „Der Islam ist in sich widersprüchlich

Die deutsche Islamkritikerin Necla Kelek hat den deutschen Politikern "Gedankenfeigheit" in der Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin vorgeworfen. Einerseits lehnten sie dessen Buch ab, andererseits griffen sie das Thema Integration nun auf. Der Islam sei "in sich widersprüchlich" und unterscheide nicht zwischen Politik und Glaube, warnte Kelek zudem in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt".
Von PRO
"Die reflexhafte und einhellige Ablehnung des Buches durch alle Parteien von der Regierung bis zu Linken ist schon einzigartig", wundert sich die Sozialwissenschaftlerin. "Nachdem man den Autor arbeitslos gemacht hat, folgt die zweite Überraschung. Plötzlich reden sich alle Politiker das schlechte Gewissen in Sachen Integration von der Seele, um zu beweisen, dass sie jemanden wie Sarrazin nicht brauchen." Kelek hatte Sarrazin bei seinen Thesen unterstützt und ihm bei der Präsentation des Buches "Deutschland schafft sich ab" vor vier Wochen in Berlin zur Seite gestanden.

Die Bundesregierung habe "in Wochenfrist einen Integrationsplan aus dem Hut gezaubert", und auf einmal höre man den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel von strengen Strafen für Integrationsverweigerer reden, so Kelek. Die in Anatolien geborene Frauenrechtlerin kritisierte, dass sich die "Mitverursacher der Integrationskrise", Migrationsforscher, Islamfunktionäre und politische Sozialarbeiter, jetzt "wegducken und nur darauf warten, dass sich die Aufregung legt, um in ein paar Wochen an die Fleischtöpfe der Integrationsetats zurückzukehren".

Kelek prangert eine "Gedankenfeigheit" unter Politikern an, einen Mangel an Mut, die von Sarrazin angesprochenen Probleme von Grund auf zu analysieren. Das frühe Kommentieren des Buches durch Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte Kelek mit den Worten: "Die soziale Realität lässt sich eben auf Dauer nicht von der Tagesordnung streichen, auch wenn man den Überbringer der schlechten Nachrichten vom Hof jagt." Sie bezeichnete es als "illiberal", wenn die Politiker jemanden wie Sarrazin aus Amt und Partei drängten und gleichzeitig behaupteten, es gäbe Meinungsfreiheit.

"Für den Islam sind Politik und Glaube eins"

Kelek hat seit 1995 die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie habe in Deutschland gelernt, "ein ‚Ich‘ zu sein, für meine Entscheidungen Verantwortung zu tragen", sagt sie. "Ich habe mich in diesem Sinne aus dem autoritären Kollektiv der Türken und Muslime und von der Schicksalhaftigkeit des Lebens gelöst." Dennoch empfinde sie ihr "Türkischsein" als eine Bereicherung. Kelek wiederholte die von ihr bereits bekannte These: "Der Islam ist eine Religion, für die Politik und Glaube eins ist, die als Kollektiv ihre Gläubigen kontrolliert, die Gesellschaft in Männer und Frauen trennt, weil sie davon ausgeht, dass nur Gottes Gesetze die Triebe in Schach halten können. Solche Auffassungen sind für eine moderne demokratische Gesellschaft ein Problem." Der Islam sei keine theologische Einheit, "sondern in sich widersprüchlich. Er ist ein Gespenst", so Kelek.

Die Geschichte zeige, dass oft diejenigen gesiegt hatten, die "rücksichtsloser und brutaler" waren. "Untergegangen sind diejenigen, die sich nicht Innovationen und Veränderungen geöffnet haben und keine Gegenwehr leisteten. Wir können für den Islam hoffen, dass er sich der gedanklichen Aufklärung öffnet, aber ein Automatismus ist das nicht. Denn was ist mit der Milliarde Muslime in aller Welt, werden die plötzlich zu Zweiflern? Genauso wenig kann der Westen darauf spekulieren, die Oberhand zu behalten. Wer seine Werte nicht verteidigt und gleichzeitig die Gesellschaft und Religion innovativ weiterentwickelt, den wird die Geschichte bestrafen."

"Dauernd über die Forderungen des Islam reden"

Im selben Interview kam auch die Schriftstellerin Monika Maron zu Wort. Zum Vorwurf, die Sarrazin-Debatte habe die Integrationsatmosphäre vergiftet, sagte sie: "Sarrazin und sein Buch haben die Atmosphäre nicht vergiftet, sondern überhaupt erst offenbart." Wenn jetzt Politiker und ein Teil der Medien behaupteten, man hätte nicht Sarrazin gebraucht, um die Probleme der Integration zu erkennen, sei das umso schlimmer.

Weder die Politik noch die Medien hätten die "Atmosphäre, die sich längst landesweit ausgebreitet hatte", bemerkt, so Maron, die die Diskussion nach Sarrazins Buch "lebenswichtig" nennt. Die jetzige Debatte, die durch Sarrazin losgetreten sei, könne "zu einem Prozess der Entgiftung werden, wenn endlich ernst genommen wird, warum die Menschen beunruhigt sind und worum sie fürchten". An ihrem "Eindruck, dass auf der muslimischen Seite die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstkritik nicht sehr entwickelt ist",  habe sich nichts geändert. "Es bleibt vorwiegend bei Schuldzuweisungen und Forderungen an die deutsche Gesellschaft." Für sie seien die Verfechter von Schleier und Kopftuch, "die offensichtliche Missstände verschweigen oder beschönigen und Kritiker diffamieren", die eigentlichen Reaktionäre.

Maron ist überzeugt: "Wie weit der Islam unser Leben verändert hat, zeigt sich allein schon daran, dass wir andauernd über ihn reden müssen." Keine Religion beherrsche das öffentliche Gespräch so fordernd wie der Islam. "Mit der Berufung auf die Religionsfreiheit verändert der Islam unseren Alltag – vegetarisches Essen in Kindergärten und Schulen, Burkinis in Schwimmbädern, Moscheen auch da, wo kein Moslem wohnt und in einer Architektur, die keine Rücksicht auf das Stadtbild nimmt, ganz zu schweigen von einem Frauenbild, das wir zum Glück längst hinter uns hatten.  (…) Mir ist egal, wer was glaubt, aber er soll das tun, ohne mir ständig die Diskussion über seine Religion und zunehmend sogar deren Gebote aufzuzwingen." (pro)
http://www.welt.de/die-welt/debatte/article9895287/Es-herrscht-immer-noch-Gedankenfeigheit.html
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