Nahles: „An jedem Ort der Welt kann ich beten“

Bekannte Politiker verschiedener Parteien sprechen offen über ihren Glauben. Diese Erfahrung haben zwischen Mittwoch und Freitag rund 180 Jugendliche bei den 21. "Tagen der Begegnung" in Berlin gemacht. Schirmherr der Veranstaltung ist Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Neben ihm kamen die Teilnehmer auch mit Renate Künast, Andrea Nahles oder Hermann Gröhe zusammen.
Von PRO

Der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe, sagte am Freitag im Gespräch mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen: "Christliche Werte sind nichts für das Bücherregal". Sie brauchten "einen gelebten Glauben als Fundament". "Die Werte müssen so authentisch geglaubt werden, dass sie auch andere überzeugen und von anderen nachvollzogen werden können." Er bedauerte, dass er manchmal nicht genügend Zeit für sein Glaubensleben habe. Er selbst sei evangelisch und seine Frau und seine vier Kinder seien katholisch. Das Engagement in der Gemeinde sei Bestandteil im Familienalltag.

Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD, die auch studierte Literaturwissenschaftlerin ist, sagte während des Treffens: "An jedem Ort dieser Welt kann ich beten und lesen. Das sind für mich zwei wichtige Ankerpunkte." Zwei Mal im Jahr treffe sich Nahles, die die katholische Konfession hat, mit einer ökumenischen Gruppe. Diese leite ein ehemaliger Religionslehrer. Eines dieser Treffen finde in einem Kloster in der Nähe von Bitburg statt. Diese Gruppe beeinflusse sie. "Karriere und Erfolg machen allein nicht glücklich." Sie gab an, dass sie bei schweren Entscheidungen im Parlament "auch mal" für die Opposition bete, schließlich "müssen die Entscheidungen für Deutschland gelingen".

Schirmherr Norbert Lammert sagte, die "Tage der Begegnung" seien die "traditionsreichste überparteiliche Zusammenarbeit im Bundestag". Während er die Besucher begrüßte, sprach er sich für die Ökumene aus. Er als "überzeugter engagierter Christ" sehe es als Anachronismus, den 500. Jahrestag der Kirchentrennung im Jahr 2017 zu feiern. Er beklagte zudem den Vertrauensverlust in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft: Politik, Wirtschaft und auch in der Kirche. Die Kirchenbindung nehme ab, gleichzeitig wachse jedoch die Suche nach dem Sinn.

Künast: "Es muss ein höheres Prinzip geben"

Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, erzählte am Donnerstag, sie sei evangelisch erzogen, getauft und konfirmiert. Allerdings sei sie mit 22 oder 23 Jahren aus der Kirche ausgetreten. "Ich habe mit der evangelischen Kirche gehadert." Das war in einer Zeit ihres Lebens, in der sie an vielen Dingen gezweifelt habe. Damals sei sie in die Humanistische Union eingetreten. Zu ihrem Gottesbild erklärte sie: "Ich glaube an Gott, nicht im Sinne von einer Person, aber es muss ein höheres Prinzip geben."

Der Beauftragte der FDP-Fraktion für Kirchen- und Religionsgemeinschaften, Stefan Ruppert, diskutierte in einem Workshop mit den politisch interessierten Teilnehmern über Entwicklungen in der Gesellschaft. Er sagte: "Ich habe den Eindruck, dass Deutschland in einen ‚political correctness‘-Mainstream verfällt. Der Korridor des Sag- und Argumentierbaren wird kleiner." Immer mehr trete ein "Typus Politiker auf, der weiß, was er sagen darf". Zuschreibungen wie "homophob", "intolerant" und "von gestern" nähmen zu. Beispielsweise werde eine religiös motivierte Ablehnung der Präimplantationsdiagnostik kritisiert. "Wenn Menschen ihren Glauben hochhalten, gelten sie in der Mehrheitsgesellschaft als antiquiert", erläuterte er. "Man muss sich schon einmischen. Eine Gesellschaft funktioniert nicht als Zuschauergesellschaft." Zudem bemerkte er: "Uns Christen ist das fröhliche Bekennen abhanden gekommen", und das solle sich wieder ändern.

Viele Christen in der FDP

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt hob hervor, dass es in seiner Partei viele bekennende Christen gebe. Er ist Sprecher der Gruppe "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion", die sich 2009 gegründet hat. Über 40 der 93 Abgeordneten seiner Partei sind Mitglied in dieser Vereinigung.

Meinhardt beginne seinen Tag mit der Losung, die er auch auf seinem Smartphone und auf seinem Computer dabeihabe. Wenn er es aus irgendeinem Grund nicht schaffe, sie am Morgen zu Hause zu lesen, dann erscheine sie direkt beim Computerhochfahren auf seinem Bildschirm. "Wenn ich diesen Zuspruch lese, dann merke ich oft, dass ich Ruhe finde und die Hektik abfällt." Immer wieder setzt er sich fünf Minuten in die Bundestagskapelle und findet Besinnung. Zum Thema Toleranz sagt er: "Ich muss wissen, wo mein Stand ist und diesen Glauben auch nach außen vertreten." Wenn die Kirche das Fundament vertrete, dann könnten wir auch tolerant sein. Zudem betonte er, dass "90 Prozent der Menschen, die weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, Christen sind." Der FDP-Politiker forderte auf: "Gerade wir als westliche Nationen müssen uns dagegen einsetzen."

Auch der SPD-Abgeordnete Dieter Nietan hat für sich die Gewissheit: "Trotz deiner Fehler weißt du, du bist geliebt." Er betet mehrmals am Tag und fragt sich in Zwiegesprächen mit Jesus: "Hat das, was du tust immer noch mit der Nachfolge Jesu zu tun?" In schlechten Zeiten führt er sich vor Augen: "Ich bin bedingungslos geliebt." Er und Meinhardt beteiligten sich am freitäglichen Gebetsfrühstück im Bundestag.

Die CDU-Abgeordnete Ute Granold sprach über ihre Arbeit im Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie im Stephanuskreis, der sich besonders mit der Lage verfolgter Christen weltweit befasst. Der Stephanuskreis wurde im April 2010 innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegründet. Granold selbst ist römisch-katholisch. Während des Gesprächs mit den Jugendlichen sagen sie: "Wir können in die Kirche gehen und beten, ohne in die Luft gesprengt zu werden", und rief zur Solidarität mit Christen über die Grenzen hinaus auf. Es sei wichtig, sich zu engagieren, egal ob in der Kirche oder in der Politik.

Christliche Politiker haben gemeinsames Wertegerüst

Die Jugendlichen ermutigte der Generalsekretär der FDP, Patrick Döring: "In irgendwas ist jeder gut". In Deutschland fehle jedoch noch der "Wunsch, das Talent eines jeden zu finden und fördern".

Viele der teilnehmenden gläubigen Politiker betonten, dass sie das gleiche Wertegerüst des christlichen Glaubens hätten, auch wenn sie unterschiedlichen Parteien angehörten. Sie strebten in den Debatten einen respektvollen Umgang miteinander an.

An den "Tagen der Begegnung" nahmen 180 junge Leute zwischen 18 und 28 Jahren teil. Es war die bereits 21. Veranstaltung der Reihe. Zum Einladerkreis gehörten Hermann Gröhe, Dietmar Nietan, Patrick Meinhardt und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis90/Die Grünen). Die Vorträge und Workshops fanden in den Fraktionssälen im Reichstag und im Jugendgästehaus der Berliner Stadtmission statt. 

Die "Tage der Begegnung" werden unter anderem von der Deutschen Bahn, Deichmann SE, Lufthansa, Dussmann Service und dem Christlichen Medienverbund KEP gefördert. (pro)

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