Verfolgt und bedroht: Christen in Ostindien

Seit über einer Woche kommt es im ostindischen Bundesstaat Orissa zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Christen. Radikale Hindus zerstörten Kirchen und Häuser von Christen. Mehr als 100 Menschen kamen bereits ums Leben. Angaben darüber, wie viele Christen vor der Gewalt geflohen sind und sich versteckt halten, sind widersprüchlich.
Von PRO

Während die Regierung des Bundesstaates von 13.000 Christen auf der Flucht spricht, rechnet Raphael Cheenath, Erzbischof von Bhubaneshwar, mit 50.000 Menschen, die sich vor der Gewalt versteckt halten. Eines erreichen diese Zahlen auf jeden Fall: Das Thema Christenverfolgung, das sonst nur Menschenrechtsorganisationen beschäftigt, findet Beachtung in den deutschen Medien. Die Christenverfolgung in Indien hat in diesen Tagen ein Ausmaß erreicht, das auch die deutsche Berichterstattung bewegt.

Ursache der Unruhen ist die Ermordung von Swami Laxmananda Saraswati, dem Führer der hindu-nationalistischen Partei „Vishwa Hindu Prishad“ (VHP). Er und vier weitere Personen wurden bei einem Attentat am 23. August in einem Aschram getötet. Aufgebrachte Hindus gaben daraufhin der christlichen Minderheit die Schuld an der Tat. Saraswati hatte eine Kampagne zur Konvertierung von Christen zum Hinduismus angeführt. Die Polizei vermutet hinter dem Attentat eine maoistische Gruppe.

Kein Respekt vor Menschenrechten

Medienberichten zufolge sind bisher 558 Häuser und 17 Kirchen zerstört worden. 15.000 Christen haben Zuflucht in Lagern gefunden, die die Regierung für sie errichtet hat. Ministerpräsident Manmohan Singh, entsandte diese Woche weitere 1.000 Soldaten in die Region, nachdem ein Aufruf an die Regierung in Bhubaneshwar, die Angriffe gegen Christen zu stoppen, wirkungslos geblieben war. Insgesamt sind nun 5.500 Sicherheitskräfte in der Region im Einsatz, um die dort lebende christliche Minderheit zu beschützen. Orissa gilt als Hochburg der fundamentalistischen Hindubewegung. 94 Prozent der 37 Millionen Einwohner sind Hindus. 2,4 Prozent gehören der katholischen Kirche und mehreren protestantischen Gemeinschaften an.

Erzbischof Vincent Concessao sagte gegenüber der „Tageschau“: „Die Fundamentalisten lehnen unsere Verfassung ab, sie haben keinen Respekt vor den Menschenrechten, vor der Glaubensfreiheit – wir Christen fühlen uns jetzt sehr unsicher.“

„Bekehrung von Hindus bedroht das Kastensystem“

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) liegen die Spannungen zwischen Hindus und Christen in den zunehmenden Konvertierungen von Hindus zum Christentum begründet. „In der Provinz Kandhamal sollen nach Einschätzungen Ortskundiger in den vergangenen Jahren zwanzig Prozent der mehr als 600.000 Hindus zum Christentum übergetreten sein.“ Hindu-Organisationen werfen den Kirchen vor, Niedrigkastige und Dalits („Unberührbare“) zu missionieren und diese auch mit Geldgeschenken zu locken. Die Kirche dementiert dies: Gerade Menschen aus den niedrigen Kasten würden laut der Hilfsorganisation „Open Doors“ freiwillig übertreten zum christlichen Glauben, um der Ausweglosigkeit des Kastensystem zu entkommen. „Wenn die Armen sich bekehren, erhalten sie eine neue Würde. Dies bedroht das ganze Kastensystem und somit einen wichtigen Pfeiler der indischen Gesellschaft“, heißt es auf der Internetseite von „Open Doors“.

Keine Religionsgemeinschaft wird stärker verfolgt als das Christentum

Wie „Welt Online“ berichtet, hat die regierende Hindu-Partei BJP in mehreren indischen Bundesstaaten Gefängnisstrafen eingeführt für christliche Mission oder den Abfall vom hinduistischen Glauben. Im Jahr 2007 und bereits 1999 wurden mehrere evangelikale Prediger von Hindu-Fanatikern umgebracht.

Keine andere Religionsgemeinschaft wird auf der Welt stärker verfolgt als die Christen. Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sind weltweit etwa 75 Prozent der aus religiösen Gründen Verfolgten und 80 Prozent der aus religiösen Gründen Ermordeten Christen. Laut dem Weltverfolgungsindex von Open Doors werden Menschen aufgrund ihres christlichen Glaubens am stärksten verfolgt in Nordkorea, Saudi-Arabien, Iran, Malediven, Bhutan, Jemen und Afghanistan.

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