Bischof Huber: „Christival ist mehr als zwei Seminare“

Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, hat sich am Freitag auf dem Christival in Bremen deutlich hinter den Jugendkongress gestellt: das Christival ließe sich nicht auf zwei Seminare reduzieren, wie es in der öffentlichen Kritik oft geschehen sei. Die Veranstalter des umstrittenen und abgesagten Christival-Seminars "Homosexualität verstehen – Chancen zur Veränderung" und zwei Psychotherapeuten stellten sich am Samstag den Fragen der zahlreichen Journalisten. Das Seminar gegen Abtreibungen fand wie geplant statt.
Von PRO

„Wie man in den letzten zwei Tagen sehen konnte, kann man das Christival nicht auf diese zwei Themen reduzieren, die in der Kritik immer wieder angesprochen wurden“, sagte Huber am Freitagnachmittag bei einem Besuch des Christival. Politiker, vor allem aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Schwulen- und Lesbenverbände sowie Feministinnen hatten im Voraus gegen das Christival protestiert, weil sich zwei von über 230 Seminaren mit den Themen Homosexualität und Abtreibung beschäftigen wollten.

Bischof Huber besuchte den „Markt der missionarischen Möglichkeiten“ und diskutierte dort mit Christival-Teilnehmern: „Mir sind Orte wichtig, bei denen junge Menschen einen Zugang zum christlichen Glauben finden.“ Er verteidigte das Christival auch gegen den im Vorfeld verbreiteten Vorwurf, der Kongress junger Christen würde von „fundamentalistischen Gruppen“ veranstaltet: „Ich halte das für eine verkürzte Darstellung, die nicht gerade von der nötigen Sachkenntnis zeugt. Evangelikal und fundamentalistisch gleichzusetzen widerspricht meiner Lebenserfahrung. Genauso wie es falsch ist, bei Evangelikalen an Neuimporte aus Amerika zu denken. Was man heute als evangelikal nennt, ist vor allem im Pietismus verankert. Der Pietismus ist eine landeskirchliche Bewegung, die von uns ausdrücklich bejaht wird. Die etwa 1,4 Millionen evangelikaler Christen bringen eine große Lebendigkeit in unsere Kirche. Darüber hinaus engagieren sich diese Christen in besonderer Weise.“

Die Kritik sei „teilweise noch absurder, weil sich der Trubel um ein Seminar dreht, das längst abgesagt wurde“, sagte Huber. Der EKD-Ratsvorsitzende stellte sich allerdings gegen die Ansicht, Homosexualität sei eine Störung, die therapierbar sei. Was Abtreibung angehe, vertrete die EKD die Meinung, dass der Wille und das Wohlergehen der Mutter im Vordergrund stünden.

Aufklärung anlässlich des „Medienrummels“ um Homosexualität-Seminar

Die Anbieter des Seminars vom „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“, das zum Verein „Offensive junger Christen“ (OJC) gehört, wollten mit den Teilnehmern über Homosexualität und mögliche Therapieformen sprechen. Um dem Ansehen des Christivals nicht zu schaden, zogen sie das Seminar nach Protesten jedoch frühzeitig zurück.

Vor großer Medienpräsenz stellten sich am Samstag der Leiter der OCJ, Dominik Klenk, die Leiterin des „Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft“ (DIJG), Christl Vonholdt, sowie die Psychotherapeuten Christian Spaemann und Michael Gerlach den Fragen zu den umstrittenen Seminar zur Homosexualität. „Es gibt keine minderwertigen Menschen“, stellte Vonholdt klar, „und wir respektieren den freien Willen jedes Menschen“. Jeder könne sich selbst für eine homosexuelle Lebensweise entscheiden, doch ebenso müsse jeder das Recht auf Beratung und eine Veränderung der sexuellen Orientierung haben. „Wir haben uns das Thema Homosexualität dabei nicht selbst ausgesucht, sondern die Menschen kamen zu uns und baten um Hilfe, weil sie Probleme mit ihren homosexuellen Empfindungen hatten“, so die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Fast jede Woche kämen Menschen auf ihre Organisation zu und bäten um Hilfe. Vonholdt fügte hinzu, es gebe in ihren Augen jedoch nur zwei Wege, die sündlos und in Gottes Augen richtig seien: die Ehe zwischen Mann und Frau oder sexuelle Abstinenz.

Klenk, der die Kommunität „Offensive Junger Christen“ leitet, sagte: „Ich persönlich habe erlebt, wie Menschen frei von Schuld und sündhaften Empfinden wurden, die ihren Weg der Veränderung gegangen sind.“ Der ehemalige Handball-Profi sieht es nun als seinen Auftrag an, das Evangelium „auf dem Boden der Freiheit“ zu verkündigen. „Christen haben die beste Botschaft der Welt. Glaube bedeutet Veränderung“, so Klenk. In Bezug auf das Motto des Christivals fügte er hinzu: „Wer an den Worten Jesu bleibt, wird sich verändern.“

Auch der Psychotherapeut Christian Spaemann vom Krankenhaus St. Josef der Franziskanerinnen in Braunau befürwortete ausdrücklich eine therapeutische Arbeit mit Homosexuellen, die freiwillig nach Hilfe gesucht haben. Ziel sei dabei keine „manipulative Umpolung“, sondern eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Die Betroffenen kämen zudem nicht alle aus einem religiösen Hintergrund, sondern seien aus unterschiedlichen Gründen von ihrer homosexuellen Lebensweise enttäuscht oder wollten eine Familie gründen.

Sein Kollege Michael Gerlach sprach nach eigener Aussage als „Betroffener mit homosexueller Vergangenheit“ und Therapeut in Personalunion vor den Journalisten. Er habe 15 Jahre lang Homosexualität ausgelebt, sei jedoch „nie das Gefühl losgeworden“, dass dies nicht zu ihm passe. Ihm sei erst durch die Arbeit von Angeboten wie der OJC klargeworden, dass Homosexualität veränderbar sei. Bei der derzeitigen Debatte störe ihn vor allem „die starke Polarisierung“ und eine gewisse „mediale Aufgeladenheit“, die nicht zu diesem sensiblen Thema passe.

„Sex ist Gottes Idee – Abtreibung nicht“

Zum Seminar „Sex ist ein Geschenk Gottes – Abtreibung auch?“ erschienen am Samstagnachmittag rund 70 angemeldete Besucher – größtenteils Mädchen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren – sowie zehn Journalisten. Fast zur selben Zeit sollte es in der Bremer Innenstadt erneut Demonstrationen von Gegnern des Christivals sowie Homosexuellen und Feministinnen geben. Markus Arnold, Vorsitzender des Vereins „Die Birke“, erklärte, warum Abtreibung für ihn ein „Herzensanliegen“ sei: Gott sei gegen Abtreibung, nicht nur, weil dabei ein Mensch getötet werde und Gott Kinder liebe, sondern auch weil damit der Frau tiefes Leid zugefügt werde. Über die möglichen negativen psychischen Folgen einer Abtreibung, die in der Fachwelt unter dem Begriff „post abortion syndrome“ zusammengefasst werden, würden schwangere Frauen viel zu wenig aufgeklärt. Der Therapeut kritisierte zudem die Rechtslage in Deutschland, nach der die Tötung eines Kindes bis einen Tag vor der Geburt erlaubt sei, einen Tag nach der Geburt jedoch als Mord gelte und bestraft werde.

Das persönliche Glück für eine Frau sei sichtbar besser, wenn sie sich für ein Kind entscheide. Das zeige die Erfahrung von 35 Jahren Schwangeren-Konfliktberatung der „Birke“. Viele Frauen hätten nach einer Abtreibung Jahre oder Jahrzehnte in Trauer verbracht. „Abtreibung ist nicht Gottes Idee, Sexualität schon“, fasste Arnold die Ansicht des Vereins zusammen.

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