Willow Creek-Kongress: Soziale Verantwortung und Bibelkenntnis

Jesus Christus folgen heißt auch, sich darum zu bemühen, die Kluft zwischen Armen und Reichen zu verringern. Dies sagte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter auf dem Leitungskongress der Willow Creek-Bewegung, der noch bis Samstag in Oberhausen stattfindet.
Von PRO

Carter wurde von Willow Creek-Gründer Bill Hybels zum Thema Leiterschaft interviewt. Am Beispiel Carters könne man sehen, was „Gott aus dem Leben eines Menschen machen kann, wenn er sich Gott ganz hingibt“, so Hybels. Die Aufzeichnung des Gesprächs wurde als Videobotschaft den Teilnehmern des Kongresses präsentiert. Carter, ein Baptist, hat sich stets in der Öffentlichkeit zu seinem Glauben bekannt. Er betonte, wie wichtig es für einen Leiter sei, Menschen um sich zu haben, die ehrlich sind und auch unbequeme Wahrheiten aussprechen. „Wenn man nur Schmeichler um sich hat, nützt das nichts“, so Carter.

Nach Aussage Hybels‘ gilt Carter oft als „der beste Ex-Präsident“ der USA. Dies hänge mit den vielen karitativen Aufgaben zusammen, denen sich Carter nach seiner Präsidentschaft verpflichtet hat, anstatt sich zu Ruhe zu setzen. In der Organisation „Habitat“ und über das von ihm gegründete „Carter Center für Menschenrechte“ setzt sich Carter seit vielen Jahren für Arme in verschiedenen Ländern der Erde ein. Carter mahnte: „Die Kirche kümmert sich zu wenig darum, die Kluft zwischen den Reichen und den Armen zu schließen. Aber das ist Christi Mandat.“ Viele Menschen in der Welt hätten weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. „Man muss die theoretischen Lehren unseres Erlösers in die Praxis umsetzen“, mahnte der Ex-Präsident.

Deutscher Theologieprofessor: „Kein Gospeltainment mit Fastfood-Bibellese!“

Dass Wachsen im Glauben nicht nur bedeuten könne, fromme Lieder zu singen und ab und zu eine Tageslosung zu lesen, betonte der Professor für Praktische Theologie an der Uni Greifswald, Michael Herbst, in seinem Vortrag „Leiten durch Lehren“. Die Lehre, also das tiefer gehende Studium der Heiligen Schrift sei vergleichbar mit dem Essen von Schwarzbrot. „Ich liebe Predigten, die witzig sind und gute Geschichten erzählen, aber unsere Predigten brauchen auch Tiefgang und müssen den Glauben unserer Gemeinden formen können“, sagte Herbst, der auch Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald ist.

Es gehe nicht nur darum zu wissen, dass Jesus einen liebt, sondern „wir müssen tiefer eindringen in die Wahrheit des Evangeliums“, so Herbst. Dies betreffe Fragen wie „Was ist die Rechtfertigung aus Glauben? Was bedeutet es, dass die Wiederkunft des Herrn auf sich warten lässt? Und was ist gemeint, wenn wir bekennen, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott ist?“ Für diese Fragen reichten ein „Gospeltainment“ und die Kurz-Bibellese in der täglichen Losung nicht aus.

Herbst: Völkermord ging nicht von Christen, sondern von Atheisten aus

Der Theologe erklärte, dass Großes in der Geschichte des Christentums bewirkt wurde, wenn Menschen zuvor in die Schule von Lehrern gegangen waren und geistliche Tiefe erlangt hätten. Luther etwa habe entsetzt festgestellt, dass die Christen und sogar die Pfarrer im Land die grundlegendsten Lehren der Bibel nicht kannten und verglich sie mit „Vieh“. Die Folge: der Reformator schrieb den „Kleinen Katechismus“, den „ersten richtigen Glaubenskurs“, wie Herbst sagte. Selbst Nelson Mandela habe in seiner 30 Jahre währenden Haft sehr bald eine „Gefängnis-Uni“ aufgebaut. „Ihm war klar, wie wichtig Wissen ist. Er leitete, indem er lehrte und lehren ließ“, so Herbst.

Der Wissenschaftler legte dar, warum eine Festigkeit in der Glaubenslehre so wichtig sei: „Leiten durch Lehren schafft mündige Gemeinden.“ Zudem helfe ein tieferes Verständnis der Schrift dabei, Angriffe zu überstehen. Als Beispiel nannte Herbst die derzeitige Debatte um Atheisten wie Richard Dawkins. Statt sich mit seinem Spezialgebiet, der Evolution, zu beschäftigen, verbreite dieser die Meinung, der Glaube sei schädlich und gefährlich. Ein beliebtes Argument sei dabei, dass durch die monotheistischen Religionen viel Gewalt über die Welt gekommen sei. „Solche Leute bitte ich, zwei Gedanken weiter zu denken: die schlimmsten Völkermorde und die größte Gewalt im 20.Jahrhundert ging nicht von religiösen Menschen aus, sondern von zwei atheistischen Diktaturen, die es sich zum Programm gemacht hatten, den Glauben an Gott auszumerzen, nämlich den Nazis und dem Regime Stalins“, sagte Herbst. Außerdem solle man sich die Person Jesu ansehen: „Wie viel Gewalt ging von ihm aus?“

Leitungskongress noch bis Samstag

An dem Leitungskongress, der von Willow Creek Deutschland veranstaltet wird, nehmen in Oberhausen über 4.500 Besucher aus unterschiedlichen kirchlichen Richtungen teil. Über das Internet wird die Veranstaltung zusätzlich live nach Winterthur in der Schweiz übertragen, wo rund 570 Menschen zusehen, sowie ins österreichische Graz, wo sich knapp 300 Teilnehmer angemeldet haben.

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