Nach Abzug der US-Truppen: Sorge um Christen im Irak
"Der Irak-Krieg ist aus! Nun kommt der Frieden ins Land!" Dies könnte man sich wünschen, wenn man liest, dass die letzten US-Kampftruppen das Land am Donnerstag verlassen haben. Doch Experten warnen: Für Christen ist die Lage weiterhin sehr ernst im Irak.
Von PRO
23. August 2010
Foto: The U.S. Army (flickr)
Nach siebeneinhalb Jahren des Krieges haben am Donnerstag die letzten Kampfeinheiten der US-Armee den Irak nach Kuwait verlassen. Es bleiben zwar noch 56.000 Soldaten, sie dienen aber lediglich dem Aufbau des Landes, teilten die Behörden mit.
Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks in Jordanien, Imran Riza, sagte in einem Interview auf die Frage, ob man bald das Ende der Christen im Irak erleben könne: "Die Christen werden systematisch attackiert – wie andere Minderheiten auch. Die UN sind da aber relativ machtlos. Die gezielte Verfolgung beenden – das können nur die irakische Führung und das irakische Volk." Das Interview mit Riza erschien unter anderem am Freitag im Berliner "Tagesspiegel".
Riza, der seit 2007 das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR leitet, erklärte, dass immer noch viele Menschen aus dem Irak in die Nachbarländer flüchteten. Sein Werk schätzt ihre Zahl auf 450.000 in Jordanien und auf mehr als eine Million in Syrien. "Die meisten Flüchtlinge glauben nicht, dass sie im Irak wieder sicher leben können. Auch wenn es Fortschritte im Land gab. Die Wahlen waren Anfang März und es gibt immer noch keine Regierung", so Riza. Auf die Frage, ob die schiitische Führung vor allem Sunniten und Christen loswerden wolle, antwortete er: "Die Regierung ist die Regierung aller Iraker. Manche denken, man wolle die Sunniten und Christen rauswerfen. Es ist die Aufgabe der irakischen Regierung, diesem Eindruck entgegenzutreten." Er hoffe aber, dass es nach dem Truppenabzug nicht erneut zu einem Bürgerkrieg kommt.
"Die bedrückendste Christenverfolgung ist im Irak"
Ob nach dem Truppenabzug im Irak Ruhe und Frieden einkehren werden, bezweifeln viele Beobachter. Erst am Dienstag gab es mit über 50 Toten den blutigsten Selbstmordanschlag im Irak in diesem Jahr. Wie die "Tageszeitung" berichtet, fürchten die irakischen Polizisten den Abzug der Amerikaner. Ihre Arbeit bleibe gefährlich, und eine Serie von Anschlägen und Überfällen auf die Polizei habe die Hauptstadt seit Monatsbeginn in Atem gehalten.
"Christen verlassen aus Angst vor Pogromen den Irak", meldete am Samstag "Radio Vatikan" unter Berufung auf den irakischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Habbeb Mohammed Hadi Ali Al-Sadr. Die Regierung in Bagdad biete Flüchtlingen Grundstücke und Umzugsgeld an, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Jeder heimgekehrte Christ könne mit einer Arbeitsstelle, einem Grundstück zum Hausbau sowie mit 1,5 Millionen Dinar (etwa 1000 Euro) Förderungsgeld rechnen.
"Von den zehn Ländern an der Spitze des Weltverfolgungsindex sind acht islamisch. Am bedrückendsten ist die Christenverfolgung im Irak", schrieb der österreichische Journalist Paul Schulmeister vor zwei Wochen in der österreichischen Tageszeitung "Die Presse". "Sunnitische Terrorgruppen verüben gezielt Anschläge, vor allem im Raum Mossul und Kirkuk. Bischöfe und Priester wurden ermordet, Familien mit Gewalt vertrieben. 1987 lebten noch 1,4 Millionen Christen im Zweistromland, heute weniger als 400.000. Die christlichen Gemeinden im Irak zählen zu den ältesten der Welt. Heute ist ein schleichender Genozid im Gang, den niemand stoppen kann und will. Auch die EU jammert nur kraftlos-leise." Schulmeister arbeitete von 1972 bis 2004 für den ORF, ist Präsident des Katholischen Akademikerverbandes Österreichs und gründete zusammen mit dem früheren ORF-Leiter der Abteilung Religion, Peter Pawlowsky, die österreichische Initiative "Christen und Muslime".
Der Weltverfolgungsindex des Missions- und Hilfswerkes "Open Doors" listet den Irak auf Platz 17 der Länder, in denen Christen am stärksten aufgrund ihres Glaubens verfolgt oder benachteiligt werden. "Heute sind die schätzungsweise 385.000 Christen der Verfolgung krimineller Banden und radikaler Islamisten ausgesetzt, die scheinbar den Irak von ‚Ungläubigen reinigen‘ wollen", heißt es in dem Bericht. (pro)
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