Mythos digitale Demenz

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat auf der Netz-Konferenz „re:publica“ die These von einer allgemeinen digitalen Demenz zurückgewiesen. Auch in Zeiten von Twitter, YouTube und Facebook hätten Menschen die Wahl, ob sie sich der Informationsflut aussetzten oder nicht.
Von PRO
Bernhard Pörksen widersprach auf der "re:publica" der These von der digitalen Demenz von Manfred Spitzer
In einer digitalisierten Welt erlebten Menschen ein „permanent vibrierendes Informationsuniversum“. Sie müssten immer mehr Information immer schneller verarbeiten und litten deshalb unter immer größerem Streß. Eine allgemeine Kulturkritik, wie sie immer wieder laut wird, hält Pörksen aber für unangebracht. „Wenn wir alle an digitaler Demenz leiden, dann gilt das natürlich auch für den Kritiker der Informationswelt selbst“, sagte er. Entsprechend absurd sei die These. Sie diene dazu, den Kritiker zu adeln, habe aber mit der Realität oft nicht viel zu tun, weil sie behaupte, alle seien ohnmächtig, mit Ausnahme desjenigen, der sie äußere. „Kulturkritik ist eine Geschichte diffundiernder Ängste, die sich an ein neues Medium heften, sei es das Buch oder das Netz.“ Mit diesen Worten kritisierte Pörksen vor allem den Psychologen Manfred Spitzer, dessen Buch „Digitale Demenz“ 2012 erschienen ist. Darin stellt er die These auf, digitale Medien beeinträchtigten die geistige Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. „Wir leben alle in mindestens drei Informationswelten“, stellte Pörksen stattdessen fest. Zum einen umgebe uns eine Welt unsichtbarer Informationsfilter. Ein Beispiel dafür sei der Dienst „Google News“, der anhand unbekannter Algorithmen Themen für Menschen auswählt. Doch es existierten auch sichtbare Filter. Medien zum Beispiel würden von Rezipienten absichtlich damit beauftragt, Informationen zu filtern. Die Mechanismen, anhand derer sie das tun, seien oft bekannt, erklärte Pörksen. Bliebe eine dritte Sphäre, die eigene Auswahlebene, in der der Mensch tatsächlich gezwungen sei, für sich selbst Informationen auszuwählen: Checke ich mein Facebook-Profil? Wieviele E-Mails beantworte ich heute? Lese ich diesen Tweet? „Wir müssen permanent wählen und manchmal müssen wir vielleicht einfach abschalten“, erklärte Pörksen. Hier sei jeder Einzelne gefragt, Strategien zu entwickeln. „Hier haben wir sehr viel Macht, wir sehen sie nur nicht“, sagte Pörksen und sprach sich damit gegen eine fatalistische Sicht der digitalen Gegenwart aus. (pro)
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