Boelter soll Melissa Hortman, eine demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses Minnesota, und ihren Ehemann Mark Hortman am frühen Samstagmorgen in ihrem Haus erschossen haben. Melissa Hortman war von 2019 bis 2025 Sprecherin des Repräsentantenhauses und beendete ihre Amtszeit in diesem Jahr, nachdem das Repräsentantenhaus des Bundesstaates erfolgreich Gesetze zu Abtreibungsrechten, Wahlrechten, Strafrechtsreform, Legalisierung von Marihuana und mehr verabschiedet hatte.
Der ebenfalls demokratische Abgeordnete John Hoffman und seine Ehefrau Yvette wurden bei einer ähnlichen Tat im nahegelegenen Champlin verletzt. Zunächst wurden am Samstagmorgen die Hoffmans in ihrem Haus in Champlin angegriffen. Beide wurden angeschossen, überlebten die Tat aber. Nachdem die Polizei im 15 Kilometer entfernten Brooklyn Park von den Schüssen erfahren hatte, schickte sie Beamte zum Haus der Abgeordneten Melissa Hortman und ihrer Familie, wie es im Ermittlungsbericht hieß.
Die Polizisten trafen ein, als Boelter gerade durch die geöffnete Tür des Hauses Schüsse auf den Ehemann Mark Hortman abgab. Die Beamten lieferten sich ein Feuergefecht mit dem Schützen, der ins Haus lief und dann flüchtete. Boelter hatte sich zuvor einen Ford-SUV gekauft, dessen Typ auch viele Polizeibehörden in den USA verwenden. Er hatte sich offenbar während der Tat als Polizeibeamter ausgegeben. Der SUV war mit einem Blaulicht versehen, er hatte zudem eine Art Dienstmarke und einen Taser dabei.
Im Auto des Verdächtigen fand die Polizei ein Manifest und eine Todesliste. Darauf standen 70 Namen von Politikern, Abtreibungsärzten und Befürwortern des Abtreibungsrechts. Boelter war nach der Tat auf der Flucht. Die US-Behörden hatten Fahndungsbilder veröffentlicht und eine Belohnung von bis zu 50.000 Dollar für Informationen ausgesetzt. In der Nach zum Montag wurde er in einer ländlichen Gegend südwestlich von Minneapolis festgenommen.
Verbindungen zu evangelikalen Kirchen
Der 57-jährige Vance Luther Boelter arbeitete nach Informationen von US-Medien bei einer in Minnesota ansässigen Sicherheitsfirma. Er sei Leiter der Sicherheitspatrouillen und habe eine Ausbildung durch Angehörige des US-Militärs absolviert, heißt es auf der Website des Unternehmens.
Seit 2013 war Boelter Mitglied des „Workforce Development Board“ (zu Deutsch: Arbeitsmarktentwicklungsaussschuss) in den Counties Dacota und Scott in Minnesota. Es berät und beaufsichtigt demnach die örtlichen Berufsbildungsprogramme. Zweimal wurde er von demokratischen Gouverneuren in das Amt des Vorsitzenden dieser regionalen Gruppe berufen – im Jahr 2019 von Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota. Zuletzt hatte sich Boelter allerdings im Jahr 2004 als Republikaner zur Wahl registriert.
Freunde und ehemalige Kollegen, mit denen die „Associated Press“ sprach, beschrieben Boelter als gläubigen Christen, der eine evangelikale Kirche besuchte und an Wahlkampfveranstaltungen für Präsident Donald Trump teilnahm. Eine Freundin von Boelter namens Nathalie Nkashama sagte gegenüber dem Magazin „Wired“: „Ich bin geschockt. Mein Körper zittert immer noch.“ Wenn sie mit Boelter gesprochen habe, sei es immer um das Thema Heiligkeit gegangen.
Laut „USA today“ hat Boelter mehrfach behauptet, in der Gastronomiebranche zu arbeiten. In anderen Fällen behauptete er, er leite große Firmen, die in „Sicherheitsfragen“ im Ausland, unter anderem in Afrika, Osteuropa und dem Nahen Osten, involviert seien. Auf einer LinkedIn-Seite, die ihm mutmaßlich gehörte, war zu lesen, dass er die St. Cloud State University besucht hatte. Universitätssprecher Zach Dwyer bestätigte, dass Boelter 1996 seinen Abschluss gemacht hatte.
Er trat auch als Redner für die gemeinnützige Organisation „Minnesota Africans United“ in Minnesota auf, die afrikanische Einwanderergemeinschaften unterstützt.
Boelter war offenbar außerdem Geschäftsführer einer weiteren Sicherheitsfirma, die ihren Sitz in der Demokratischen Republik Kongo haben soll. Laut der Website, die inzwischen nicht mehr online verfügbar ist, soll er einen Doktortitel besitzen und in der Vergangenheit für mehrere große US-Konzerne tätig gewesen sein. Außerdem soll er verheiratet sein und Kinder haben. Boelter hielt in der Demokratischen Republik Kongo offenbar mindestens einmal eine Predigt in einer örtlichen Kirche. Die Gemeinde teilte ein Bild von dem Auftritt und bedankte sich in dem Beitrag auf Facebook bei „Bruder Boelter aus Minnesota“.
Besuche bei Islamisten in Israel
Laut der dem Magazin „Wired“ vorliegenden Steuererklärung war Boelter mindestens einer evangelikalen Organisation angeschlossen, einem kirchlichen Dienst, den er ebenfalls gemeinsam mit seiner Frau leitete. Laut öffentlichen Aufzeichnungen und archivierten Websites, welche die Journalisten untersuchten, war der Verdächtige zeitweise Präsident einer Gemeinde namens „Reformation Ministries“. Eine 2011 eingestellte Version der Website des Ministeriums enthält eine Biografie, laut der er 1993 ordiniert worden sein soll.
Einer archivierten Website des Ministeriums zufolge, die „Wired“ einsehen konnte, führte die Missionarsarbeit des mutmaßlichen Schützen ihn während der Zweiten Intifada nach Gaza und ins Westjordanland, wo er „militante Islamisten aufsuchte, um ihnen das Evangelium zu verkünden und ihnen zu sagen, dass Gewalt nicht die Lösung sei“. Eine spätere Version der Website wurde laut einer archivierten Kopie von der israelischen Webdesign-Firma „J-Town“ entworfen. Charlie Kalech, CEO von „J-Town“, erklärte gegenüber „Wired“, der Verdächtige sei seiner Erinnerung nach „eindeutig religiös und missionarisch“ gewesen.
In einer von „Wired“ überprüften Predigt aus dem Jahr 2023, die der mutmaßliche Schütze in Matadi, einer Stadt in der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Angola, hielt, sprach er gegen Abtreibung und rief dazu auf, dass sich die verschiedenen christlichen Kirchen „vereinen“ sollten. „Viele Kirchen wissen nicht, dass Abtreibung falsch ist“, sagte er. „Sie verfügen nicht über die Gaben. Gott schenkt dem Körper Gaben. Um das Gleichgewicht zu halten. Denn wenn der Körper anfängt, sich in die falsche Richtung zu bewegen, wenn sie eins sind und die Gaben annehmen, wird Gott einen Apostel oder Propheten erwecken, der ihren Kurs korrigiert.“
In einer weiteren Predigt in Matadi im selben Jahr wetterte Boelter gegen die LGBTQ-Gemeinschaft. „Es gibt Menschen, besonders in Amerika, die wissen nicht, welches Geschlecht sie haben. Sie kennen ihre sexuelle Orientierung nicht. Sie sind verwirrt“, sagte er. „Der Feind ist so tief in ihren Geist und ihre Seele eingedrungen.“
„Wired“ hatte ein Facebook-Profil unter dem Namen des mutmaßlichen Schützen kurz eingesehen, bevor es gelöscht wurde. In seinem Profil hatte er mehrere evangelikale Missionsorganisationen mit „Gefällt mir“ markiert, sowie Seiten zu Ehren von Reinhard Bonnke, einem deutschen Pfingstevangelisten, der für seine Missionen in mehreren afrikanischen Ländern bekannt ist, und Smith Wigglesworth, einem britischen Evangelisten, der in der Pfingstbewegung einflussreich war. Außerdem markierte er die „Alliance Defending Freedom“, eine konservative Rechtsorganisation, die für ihre harte Haltung gegen Abtreibung und LGBTQ-Rechte bekannt ist.