So unterschiedlich wie das Christentum in Europa ausgeprägt ist, ist es auch die Lebenswelt der europäischen Muslime. Der Münchener Theologe Friedrich Wilhelm Graf plädiert in der Süddeutschen Zeitung deswegen dafür, die Muslime nicht über die Religion auszugrenzen, sondern sie über Sprache und Bildung zu integrieren.
Nicht über das Trennende der Religion, sondern über Sprache und Bildung muss man die Msulime erreichen, meint der Theologe Friedrich Wilhelm Graf
Jede Religion hat ihre eigenen historischen Erfahrungen und konkurrierenden Traditionen. Die Rede von den „christlichen Wurzeln unserer Kultur“ hält der Theologe Friedrich Wilhelm Graf deswegen bestenfalls für naiv. So wenig wie es den typischen Christen gebe, könne man von „europäischen Muslimen“ sprechen. Was dies für die Gesellschaft bedeutet, erläutert der Theologe in seinem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung.
Schon das Christentum weise eine hohe religiöse Vielfalt auf. Konflikte habe es nicht nur zwischen Katholiken und Protestanten, sondern auch zwischen östlich-orthodoxen Christentümern und den lateinischen Kirchen gegeben. Während die Eliten der Orthodoxen die Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern meist ablehnten, herrsche bei den übrigen ein universalistisches Menschenrechtsethos, das für die Aufnahme spreche. Auch die Glaubenswelten der jüdischen Minderheiten in Europa seien alles andere als einheitlich. Deswegen dürfe man auch nicht stereotyp von den „europäischen Muslimen“ reden. Oft schreibe man ihnen über die Religion eine kollektive Identität zu.
Glaube nicht entscheidend für Heimatgefühl
Für den Experten ist aber umstritten, wie wichtig religiöser Glaube für die „Selbstdeutungen der so unterschiedlichen europäischen Minderheiten“ in Europa überhaupt sei. Nicht die religiöse Praxis, sondern Elemente wie ethnische Herkunft und soziale Stellung seien entscheidend für ihre Identität. Statt Unterschiede der Religion zu definieren, müsse man ihre Sprachfähigkeit fördern, ihnen Zugänge zum Arbeitsmarkt sowie Bildungschancen eröffnen. Entscheidend für die Migranten, am Zielort heimisch zu werden, sei nicht der Glaube. Graf fordert dazu auf, Einwanderer über Sprache und Bildung zu integrieren.
Friedrich Wilhelm Graf ist protestantischer Theologe und emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität München (LMU). (pro)
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