Die Sorgen der Pegida-Demonstranten müssen auf eine sachliche Ebene heruntergebrochen werden, sagt Pfarrer Hanna Josua im pro-Gespräch. Der gebürtige Libanese kritisiert zugleich den unkritischen Umgang der Kirchen mit dem Islam.
Eine offene Diskussion unter Muslimen über die Interpretation des Koran muss möglich sein, erklärt Pfarrer Josua
Pfarrer Hanna Josua stammt aus dem Libanon. Er studierte Politik und Geschichte in Beirut sowie Theologie in Deutschland und Belgien. Er ist Geschäftsführer der Evangelischen Ausländerseelsorge und Pfarrer von zwei arabisch-evangelischen integrationsorientierten Gemeinden in Süddeutschland.
pro: Nehmen Sie eine ‚Islamisierung des Abendlandes‘ wahr, so wie es die Demonstranten von Pegida tun?
Hanna Josua: Zunächst: Rein quantitativ hat die Zahl der Muslime in Europa und Deutschland in den letzten Jahren zugenommen. Was aber soll das mit ‚Islamisierung‘ zu tun haben? Beachtenswert ist doch, dass Muslime, die in zweiter und dritter Generation hier leben, sich der Geburtenrate der Einheimischen annähern. Und: Dass die Deutschen so wenige Kinder bekommen, kann man wohl kaum den Muslimen in die Schuhe schieben. Was viel zu wenig gesehen wird: ‚Die‘ Muslime sprechen nicht mit einer Stimme, und der Großteil nimmt die Religion nicht so streng, sondern will einfach nur in Frieden leben. So wie es ‚Kulturchristen‘ gibt, gibt es auch ‚Kulturmuslime‘. Natürlich gibt es auch eine religiöse Elite, die will, dass der Islam und seine Lehren hier Fuß fassen. Da werden Politiker zum Fastenbrechen eingeladen, die auf Stimmen aus der muslimischen Community aus sind.
Was haben Sie empfunden, als die islamkritische Bewegung Pegida auf der Bildfläche erschien?
Als deutscher Bürger mit Migrationshintergrund erschreckt mich das Auftreten von Demonstranten, die sich ‚patriotische Europäer‘ nennen. Zudem finde ich es völlig unlogisch, dass in einem Bundesland, in dem unter 1 Prozent Muslime leben, gegen eine Islamisierung demonstriert wird. Da wird ein kleinster gemeinsamer Nenner gesucht und gefunden, um Protest zu äußern. Wie wenig Vertrauen in unseren Rechtsstaat haben Menschen, die eine Islamisierung beispielsweise der Gesetzgebung befürchten?
Wie sollte die Öffentlichkeit mit den Demonstranten umgehen?
Ich verstehe, dass diese Menschen Ängste haben. Daher müssen wir diese Bewegung auf eine sachliche Ebene herunterbrechen und die Frage erlauben, wo die Ängste dieser Menschen berechtigt sind. Wenn Menschen den diffusen Eindruck haben, dass ihre Fragen tabuisiert werden, lösen wir das Problem nicht, denn es baut sich ein Druck auf, der irgendwann explodiert. Es muss offen diskutiert werden. Und auch die Muslime müssen offen und ehrlich diskutieren, welche Teile ihrer Religion im Europa des 21. Jahrhunderts akzeptabel sind, und welche eben nicht.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat dieser Tage gefordert, Christen sollten Muslime nicht anklagen…
Die Kirche muss die Identität ihrer eigenen Mitglieder stärken und die Menschen ernst nehmen, indem sie alle ihre Fragen und Sorgen anspricht, auch die zum Islam. Die Menschen erleben eine Diskrepanz zwischen dem Dialog in seiner bisherigen Form und den furchtbaren Ereignissen in der islamischen Welt. Die Islamexperten der Evangelischen Kirche haben im Studium gelernt, die Bibel kritisch zu lesen, aber wenn sie in den Dialog mit den Muslimen gehen, akzeptieren sie ein unkritisches vormodernes Verständnis des Korans. Es ist gut, dass es einen christlich-muslimischen Dialog gibt, aber die Christen sollten ihn auch nutzen, den Muslimen dabei zu helfen, sich kritisch mit ihrem Erbe auseinanderzusetzen. Das wäre eine langfristig positive Brückenbaufunktion, die nicht nur in Foren und Runden Tischen zu geschehen hat, sondern auch im täglichen nachbarschaftlichen Leben.
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