Moral ist „in“ – Kirche „out“

Moralisches Handeln ist für die meisten Deutschen eine wichtige Maxime. Das hat die erste repräsentative Trendstudie zum Thema ergeben. Die Forscher stellten ihre Ergebnisse am Mittwoch in Berlin vor. Eines davon lautet: Die Kirche ist für die Gesellschaft keine wegweisende Instanz mehr.

Von PRO

Seit der Finanzkrise diskutieren die Deutschen wieder mehr über Werte. Diese Beobachtung haben die Forscher des Instituts "Rheingold" gemacht und im Auftrag der "RAL Gütesicherung" gefragt: Welchen Stellenwert hat die Moral in Deutschland? Interviews mit 1.000 Verbrauchern und Unternehmern haben ergeben, dass 64 Prozent der deutschen Bevölkerung der Meinung sind, Moral sei im alltäglichen Verhalten wichtig.

Während in den 50er Jahren vor allem Werte wie Fleiß, Strebsamkeit, Pünktlichkeit und Gehorsam vorgeherrscht hätten, habe in den 60er und 70er Jahren ein Denken der Freiheit und Rebellion eingesetzt, erklärte Ines Imdahl, Geschäftsführerin von "Rheingold". Die 80er und 90er Jahre seien von der Individualisierung und der Verabschiedung von Institutionen als wegweisende Instanzen geprägt gewesen. Seit den Anschlägen vom 11. September und spätestens seit der Finanzkrise wünsche sich die Gesellschaft eine Rückkehr zu einem einheitlichen Wertekodex. In diesem nimmt laut Erhebung die Ehrlichkeit bei den Befragten den höchsten Stellenwert ein, gefolgt von Verlässlichkeit und Rücksichtnahme.

"Mega-Trend" Nachhaltigkeit

Die Gesellschaft sei heute von einer "großen Sehnsucht" nach Moral geprägt, sagte Imdahl. Das zeige sich etwa am Erfolg des Themas "Nachhaltigkeit", einem "Mega-Trend", glaubt man den Forschern. Doch auch wenn Bio-Läden wie Obstbäume aus dem Boden schießen, bedeutet das noch lange nicht, dass althergebrachte Moral-Instanzen wie Kirchen oder Politik bei den Menschen ebenfalls beliebter werden. Nur elf Prozent gaben an, Moral werde heute von der Kirche vertreten. Wirtschaft und Politik kamen auf je sechs Prozent.

Moral sei "alles andere als ein leichtfüßiges Thema", erklärte Imdahl: "Sie können heute viel leichter über Sexualität als über Moral reden." Der Grund: Die Befragten fühlten sich oft selbst unzulänglich und ihren Maßstäben nicht gerecht werdend. In Zeiten der "Social Media" würden Verfehlungen zudem schneller öffentlich, das mache das Thema zur Last. "Wir reden hier von einer leistungsorientierten Perfektion der 10 Gebote", beschrieb Imdahl den Anspruch, den viele an sich selbst hätten.

Wann aber handeln Menschen tatsächlich moralisch? Auch darauf hat das Institut "Rheingold" eine Antwort: Moral müsse lebbar sein und Spaß machen, ein Moral-Zwang hingegen funktioniere nicht. Als Beispiel dient den Forschern auch hier wieder die Bio-Ware. Von einem Apfel aus kontrolliertem Anbau habe der Verbraucher einen direkten geschmacklichen Vorteil. Verknüpft mit dem Lob des Nachbarn oder Verkäufers für den scheinbar moralischeren Einkauf, werde das Angebot als "gut" wahrgenommen. Und noch ein Fazit zogen die Forscher. Während Moral früher von oben, also von Instanzen propagiert wurde, komme sie heute von unten, aus der Gesellschaft selbst. Das zeige etwa der aktuelle Aufstand gegen die Finanzmärkte. (pro)

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