Monika Maron vermisst „Moses Mendelssohn des Islam“

Die Schriftstellerin Monika Maron ist am Samstag mit dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen ausgezeichnet worden. In ihrer Dankesrede kritisierte die 69-Jährige, dass der Islam in Sachen Aufklärung noch viel Weg vor sich habe.
Von PRO

Die mit 13.000 Euro dotierte Auszeichnung wird alle zwei Jahre für herausragende Leistungen im Geiste des Dichters Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) auf dem Gebiet der Literatur, der Literaturkritik und des Theaters vergeben. Maron stehe mit ihrer Unabhängigkeit, Zivilcourage und poetischen Zeitgenossenschaft in der Nachfolge des Dichters der Aufklärung, sagte Sachsens Kunstministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) bei der Verleihung. Mit der Preisverleihung wurden zugleich die 46. Kamenzer Lessing-Tage eröffnet, die alle zwei Jahre im Geburtsort des Dichters, Kamenz, stattfinden.

In ihrer Dankesrede sprach Maron über den Umgang mit dem Islam. Diese Rede druckte das Magazin "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe ab. Maron schreibt zunächst über die Freundschaft zwischen dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn und dem Schriftsteller Lessing. "Beide kamen aus streng religiösem Elternhaus, Lessing aus dem lutherisch-orthodox geprägten Predigerhaus in Kamenz, Mendelssohn aus dem Dessauer Ghetto, wo sein Vater als Thora-Schreiber die Familie mühsam ernährte." Die Offenheit, mit der Lessing Mendelssohn gegenübertrat, sei zu jener Zeit keinesfalls selbstverständlich gewesen, so Maron. Die meisten Juden hatten nur wenige Rechte. Mendelssohn war schließlich Vorbild für die Figur des Nathan in Lessings Drama "Nathan der Weise". Die "Ringparabel" daraus drückt die ideale Toleranz zwischen den großen monotheistischen Religionen aus.

"Es gab keinen Moses Mendelssohn des Islam"

Heute sei das Thema Toleranz der Religionen wieder aktuell, so Maron. Im Hinblick auf den Islam könne man feststellen, dass ihm die Errungenschaft der Aufklärung sowie die Trennung von Staat und Kirche fremd sei. "Während das Christentum und das Judentum nach zähen Kämpfen den säkularen Gedanken und die Gültigkeit universaler Menschenrechte in ihre Heilslehre integriert haben, hat der Islam seit dem 12. Jahrhundert jeden Versuch einer philosophischen Auseinandersetzung mit seinen religiösen Schriften verhindert." Im Hinblick auf den berühmten jüdischen Aufklärer, der für eine Erneuerung des Judentums kämpfte und dabei auf Widerstand von Rabbinat und Staat stieß, fügt Maron hinzu: "Es gab keinen Moses Mendelssohn des Islam."
 
Daher stelle sich die Frage: "Wie geht eine aufgeklärte säkulare Gesellschaft mit einer unaufgeklärten Religion um, deren radikaler Flügel zudem im Namen der Religion Krieg gegen die Welt führt (…)?" Maron stellt weitere Fragen wie: "Ist vielleicht die Forderung nach Toleranz fundamentalistisch? Ist es fundamentalistisch, die Gleichheit der Geschlechter zu fordern oder zu verlangen, dass andere Religionen nicht diffamiert oder gar verfolgt werden? Verlangen wir zu viel, wenn wir von einer unaufgeklärten Religion, die in unsere Gesellschaft einzieht, erwarten, dass sie alle Gesetze, aber auch alle Werte achtet, die dieser Gesellschaft als schützenswert gelten?"

Sie betont, dass sie nicht alle Muslime meine und "schon gar nicht" alle Zuwanderer aus islamischen Ländern. "Ich spreche von den Muslimen, die offen und weniger offen die westlichen Werte diskreditieren, eben die Errungenschaften der Aufklärung, wie die Religionsfreiheit, die Meinungs- und Pressefreiheit, die individuellen Rechte eines jeden Menschen und die Verantwortung für das eigene Leben."

Kritik am Islam ist keine Islamophobie

Ein Problem mit dem heutigen Islam stellt Maron so dar: "Im Verständnis des Islam gehört jeder Muslim zuerst der Umma, der weltweiten Glaubensgemeinschaft der Muslime, an. Die Religionszugehörigkeit reglementiert alle anderen Beziehungen gläubiger Muslime, das Verhältnis zum Staat, zur Gesellschaft, zur Familie." Ein sichtbares Zeichen der Abgrenzung von der andersgläubigen oder atheistischen Welt sei das Kopftuch der Mädchen und Frauen. "Mangelnde Sprachkenntnis verhindert den Kontakt zur deutschen Gesellschaft, und eingeforderte Privilegien, die immer nur die religiöse Gemeinschaft, nicht das Individuum betreffen, zementieren die eigene Andersartigkeit, oft gepaart mit einem extremen Nationalismus des Herkunftslandes."

Maron schreibt weiter: "Wer die universalen Menschenrechte auch für Muslime, besonders für muslimische Frauen verlangt, wie Ayaan Hirsi oder Necla Kelek, wer vom Islam den Verzicht auf seinen politischen Anspruch und den Rückzug auf seine Spiritualität fordert, wer also für die Aufklärung des Islam eintritt, wird von den Wächtern des Islam diffamiert, verleumdet und in den vom Islam beherrschten Ländern verfolgt, eingesperrt oder getötet." Die Schriftstellerin merkt an, dass Kritik am Islam gleich als Islamophobie und Rassismus dargestellt werde. Nicht die Kritiker des Islam dächten rassistisch, "sondern jene, die der ethnischen und religiösen Herkunft mehr Bedeutung zumessen als den individuellen Menschenrechten (…)".

Maron schrieb als Ost-Berliner Reporterin 1981 ihr Debüt "Flugasche" über die Umweltzerstörung in Ostdeutschland. Sie geriet unter Druck und zog vorübergehend nach Hamburg. Im September 2010 äußerte sie in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" ihre Meinung, Thilo Sarrazin habe mit seinem Buch nicht die Atmosphäre vergiftet, "sondern überhaupt erst offenbart". Weder die Politik noch die Medien hätten die "Atmosphäre, die sich längst landesweit ausgebreitet hatte", bemerkt, kritisierte sie. Maron ist überzeugt: "Wie weit der Islam unser Leben verändert hat, zeigt sich allein schon daran, dass wir andauernd über ihn reden müssen." Keine Religion beherrsche das öffentliche Gespräch so fordernd wie der Islam. (pro)

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