Mobbing in der Werte-Partei

Mit seinem Ausfall gegen Wolfgang Bosbach düpiert Ronald Pofalla die Kanzlerin, die sich derzeit stärker denn je als Kämpferin für christliche Werte in der Bundesrepublik gibt. Schlimmer noch: Er wettert gegen das Grundgesetz. Es ist Zeit für ein Machtwort.

Von PRO

Wer hoch pokert kann tief fallen. Das hat zuletzt der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg schmerzlich erfahren. Wählerstimmen hatte er vor allem mit seiner vermeintlich ehrlichen Art fischen können, authentisches Auftreten und ein Kampf für christliche Grundwerte machten ihn beim Volk populär. Umso tiefer stürzte der einst beliebteste Politiker Deutschlands als klar wurde, dass gerade er bei seiner Dissertation gelogen und betrogen hatte. Ähnlich liegt der Fall Pofalla, auch wenn dieser wohl nie zu den Stars der Polit-Manege zählte. Der "Bild am Sonntag" zufolge soll der Kanzleramtschef seinem Parteifreund Bosbach, Vorsitzender des Bundestagsinnenaussschusses, am Montag vergangener Woche unter anderem vorgehalten haben: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen." Der langjährige CDU-Parlamentarier Bosbach hatte am Donnerstag im Bundestag gegen die Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes gestimmt. Als Bosbach seine Haltung vor der Abstimmung begründete: "Ronald, guck bitte mal ins Grundgesetz, das ist für mich eine Gewissensfrage", habe Pofalla geantwortet: "Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe."

Fatal daran ist zum einen, dass gerade die CDU, für die Pofalla im Bundestag sitzt, sich derzeit bemühter denn je als Fürsprecherin christlicher Werte zeigt. Auch Pofalla selbst hat als CDU-Generalsekretär noch vehement dafür gekämpft, dass Kruzifixe verbindlich in allen Schulen hängen sollen. Ein solches Bekenntnis zum Christentum solle es nicht nur in Bayern geben, forderte er 2007. Nun wissen diejenigen, die zumindest ein wenig mit der Bibel vertraut sind, dass schönen Worten optimalerweise auch Taten folgen sollten, damit das "Salz der Erde" nicht "geschmacklos" wird, wie es in der Bergpredigt heißt. Die Forderungen nach mehr Christentum eines Ronald Pofalla können noch so gut klingen, kombiniert mit Mobbing gegen Kollegen wirken sie wenig glaubhaft.

Die Verfassung mit Füßen getreten

Im Jahr 2006 forderte Pofalla Muslime dazu auf, sich die westlichen Werte zu eigen zu machen. Zu erklären, man stehe hinter dem Grundgesetz, sei eine Selbstverständlichkeit, schrieb Pofalla in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Nun hat er selbst die Verfassung mit Füßen getreten. In Artikel 38 schreibt die eindeutig vor, dass Abgeordnete in letzter Instanz nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Dass es im Zweifel für das Gewissen und gegen die Partei heißen muss, hat zuletzt die Abstimmung über die Präimplantationsdiagnostik gezeigt, bei der sich Für- und Gegensprecher quer durch alle Fraktionen gefunden haben. Bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm hat das, zumindest im Fall Bosbach-Pofalla, nicht funktioniert. Partei vor Gewissen sollte hier gelten, zumindest, wenn es nach dem Kanzleramtschef geht. Sicherlich hat das mit dem Druck zu tun, unter dem die Koalition derzeit steht. Das Grundgesetz als "Scheiß" zu bezeichnen, führt dennoch zu weit – auch im Eifer des Gefechts.

So muss Pofalla derzeit kräftig einstecken und zwar auch aus den eigenen Reihen. Der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, erklärte jüngst: "Wenn das Kanzleramt schon mit den eigenen Leuten derart umspringt, muss man sich nicht wundern, dass es in der Koalition oft hakt." Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler nannte Pofallas Gehabe "zutiefst undemokratisch". Die "Berliner Zeitung" zitiert einen namentlich nicht genannten "führenden Koalitionspolitiker" mit den Worten, Pofalla sei in seinem Amt überfordert und zudem wegen seiner cholerischen Art nicht dafür geeignet. "Das ist der schlechteste Kanzleramtschef aller Zeiten", heißt es da. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt fürchtet um das Ansehen des Deutschen Bundestags. "Wenn wir als Parlament respektiert werden wollen, braucht es auch Respekt der Abgeordneten untereinander", sagte Hasselfeldt dem "Hamburger Abendblatt". Die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach sagte, es dürfe nicht sein, "dass wir Kollegen mobben oder sogar beschimpfen, wenn sie eine andere Meinung haben und dazu stehen".

Warten auf die Kanzlerin

Während die Koalition sich aufregt und versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben, schweigt eine: Die Kanzlerin. Merkel sieht bislang keinen Grund, Pofalla zu rügen. Bosbach erklärte unterdessen in der "Bild am Sonntag": "Ich versuche, den Vorgang zu vergessen. Ronald Pofalla und ich haben miteinander telefoniert. Für die übernächste Woche haben wir uns zum Vier-Augen-Gespräch im Kanzleramt verabredet". Im Kanzleramt also. Da pfeift der Beleidigende den Beleidigten zu sich. Immerhin hat Pofalla am Mittwoch in der "Bild"-Zeitung erklärt, der Vorfall tue ihm Leid. Ob die Sache aber mit zwei simplen Sätzen in der auflagenstärksten deutschen Zeitung erledigt sein kann – man mag es anzweifeln.

Das Ganze erinnert ein wenig an eine Auseinandersetzung, die Pofalla ausgerechnet mit dem nun schwer gestürzten zu Guttenberg hatte. 2010 soll er den damaligen Verteidigungsminister wegen eines Streits um die Wehrpflicht als "Rumpelstilzchen" bezeichnet haben. Die Bundesregierung dementierte, Guttenberg bestritt die Beschimpfung nicht, gab sich aber betont unbeeindruckt. Bald könnte Pofalla Guttenbergs politisches Schicksal teilen. Es scheint symptomatisch für die Union zu werden: Wer hoch pokert, fällt tief. Wer auf christliche Werte setzt und diese mit Füßen tritt, ist nicht nur "geschmackloses Salz". In diesem Fall schadet er nicht nur sich selbst, sondern auch seiner Partei. Pofalla verachtete zudem öffentlich die Verfassung. Das ist seines Amtes unwürdig. Die Kanzlerin muss das nun erkennen und handeln. (pro)

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