Mit Werbung gegen Gott: Private Tour der Atheisten

In Großbritannien fing alles an: Auf öffentlichen Busse schalteten Atheisten Werbung für ein Leben ohne Gott. Da es "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" keinen Gott gebe, könnten die Menschen ihr Leben einfach genießen, so die Botschaft. Auch in Deutschland sollten Busse mit den Sprüchen plakatiert werden – doch Verkehrsbetriebe lehnten die Werbung ab. Dagegen wollen die Atheisten jetzt klagen.
Von PRO

„Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott.“ Diesen graphisch bunt gestalteten Satz wollte eine Gruppe von Atheisten an Bussen anbringen, als Werbung. Die Aktion sollte mit Spendengeldern finanziert werden, die atheistische Giordano-Bruno-Stiftung sammelte das Geld für die Kampagne ein. Bei 17 Verkehrsbetrieben in Deutschland hatten die Atheisten angefragt – und bekamen 17 Absagen. Den Werbespruch wollte sich keiner der Betreiber auf die Außenwände ihrer öffentlichen Busse kleben, auch nicht gegen reguläre Bezahlung.

Dagegen wollen die Atheisten jetzt gerichtlich vorgehen, offenbar in München soll eine Musterklage gegen einen der Verkehrsbetriebe eingereicht werden, der ihr die atheistische Werbung nicht erlaubt hat. Und weil alle Betreiber von öffentlichen Bussen die Anzeige abgelehnt haben, beklebten die Atheisten einen eigens gecharterten roten Doppeldeckerbus mit ihrem Spruch. Der fährt ab diesem Samstag bis zum 18. Juni durch knapp 30 deutsche Städte, am Donnerstag wurde das Gefährt in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.

Laut den Initiatoren der Kampagne ist es ihnen ein Anliegen, mit der Werbebotschaft Nichtgläubige in ihrer Überzeugung zu bestärken. Die Kampagne wolle den säkularen Menschen in Deutschland eine Stimme verleihen, „Agnostiker und Atheisten sollen wahrnehmen können, dass sie nicht alleine sind“. Und noch eine Botschaft haben die Atheisten: „Das Leben ohne einen Gott kann eine Bereicherung sein: angstfrei, selbstbestimmt, bewusst, tolerant und frei von Diskriminierungen.“

Nicht nur in Großbritannien, auch in Spanien, Italien oder Finnland schalteten Atheistengruppen ihre Werbung auf öffentlichen Bussen. In weiteren Ländern wie der Schweiz laufen derzeit die Vorbereitungen. Diese Vorbereitungen gerieten in Deutschland jedoch ins Stocken. Denn auf ihre Anfragen bei Verkehrsbetrieben oder für die Buswerbung zuständigen Agenturen erhielten die Atheisten reihenweise Absagen. Die meisten Vermarkter der Werbeflächen an Bussen lehnten die Anzeigen ohne Begründung ab, andere verwiesen etwa darauf, dass grundsätzlich „keine religiöse Werbung“ zugelassen sei. Ein Sprecher der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG erklärte laut der „Tageszeitung“: „Wir wollen nicht, dass sich die Fahrgäste der BVG aufregen müssen.“ Dass sei bei der Aussage der Spendenaktion jedoch zu befürchten gewesen.

Empörung gegen Atheisten-Werbung unter Bevölkerung

In Essen erhielten die Atheisten zunächst eine Zusage, nach internen Beratungen des Verkehrsbetriebes erfolgte dann die Ablehnung der Kampagne. Gegenüber dem Portal news.de erklärte der Pressesprecher der Essener Verkehrsbetriebe (Evag), Olaf Frei, die Betreibergesellschaft habe zunächst „die Abstimmung mit den Kirchenvertretern gesucht“. Weil die Kirche keine Probleme in der Kampagne gegen Gott gesehen habe, sei eine Zusage erfolgt. Doch weder die Kirchenvertreter noch die Essener Busbetreiber repräsentierten in diesem Fall offenbar die Mehrheit der Bürger: „Wir waren selbst überrascht. Es gab etwa 50 E-Mails, die Anrufe haben wir nicht gezählt. Die Kunden haben gedroht, ihr Ticketabonnement zurückzugeben und uns zu boykottieren“, berichtet Frei über den Sturm der Entrüstung unter der Essener Bevölkerung über die Atheisten-Kampagne. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten aber könne sich die Evag ein Ausbleiben von Kunden nicht leisten – und zog daher die Genehmigung zurück. Und auch das sagte Pressesprecher Frei laut news.de: Werbungen der Kirche mit dem Slogan „Jesus liebt dich“ hatten hingegen nie Anstoß erregt.

Genau das wollen die Atheisten nach ihren 17 erfolglosen Anfragen nicht hinnehmen. Sie kündigten zum Start ihrer privaten Busfahrt durch ganz Deutschland an, einen Verkehrsbetrieb „wahrscheinlich in München“ zu verklagen, weil der die atheistische Werbung nicht erlaubt hat. Das Ziel ist die Schaffung eines Präzedenzfalls, der festlegen soll, dass der Spruch „Es gibt – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – keinen Gott“ einer Werbung mit der Aussage „Jesus liebt dich“, Hinweisen für eine christliche Veranstaltung oder Werbung für Gottesdienste gleichzusetzen ist. 

Nicht jeder muss jede Werbung akzeptieren

Die Anrufung eines Gerichtes ist aus dem Grund notwendig, weil auch die Werbung – nicht nur an Bussen – gesetzlich geregelt ist. Jede Firma oder Organisation muss sich mit den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ des Werbeträgers einverstanden erklären, soll ein Werbevertrag auch zustande kommen. Diese Geschäftsbedingungen regeln jedoch nicht nur, wo, wann und wie die Plakate und sonstige Werbung angebracht wird, sondern enthalten auch einen für diesen Fall entscheidenden Hinweis: Anbieter von Werbeträgern haben das Recht, Werbung zurückzuweisen.

Das gilt für Verkehrsbetriebe ebenso wie für Zeitungen, Magazine oder Fernsehsender. Es muss nicht jede Anzeige gedruckt oder eben auf Bussen veröffentlicht werden, die potentielle Kunden angefragt haben. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von verschiedenen Agenturen, die Werbeflächen auf Bussen vermarkten, heißt es wörtlich: „…ist berechtigt, Werbung, deren Inhalt nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen gegen eine behördliche Bestimmung, gegen allgemeine Gesetze oder die guten Sitten verstößt, oder deren Ausführung für sie unzumutbar wäre, zurückzuweisen“. Und weiter heißt es: „Der Kunde nimmt zur Kenntnis, dass die Verkehrsbetriebe Vorgaben zu den Inhalten der Werbung machen, die sie auf ihren Fahrzeugen verbreiten.“

Maßstab für die Annahme oder Ablehnung von Werbung sind also grundsätzlich die „Guten Sitten“ oder die Unzumutbarkeit für den Werbeträger. Der juristische Begriff „Gute Sitten“ beschreibt die grundlegende Normen oder ethischen Prinzipien einer Gesellschaft. Wer dagegen verstößt, handelt sittenwidrig. Doch auch die „Unzumutbarkeit für den Werbeträger“ ist ein Grund, Werbung abzulehnen –  was laut den Geschäftsbedingungen zahlreicher Werbeträger juristisch bedeutet: „Werbung, die nach Aussage oder Form der Darstellung politische, weltanschaulich oder religiös extreme, gegen den guten Geschmack verstoßende (z.B. rassistische, sexistische oder in ähnlicher Weise verletzende) oder gegen die Interessen des Medienbetreibers gerichtete Inhalte enthält“.

Werbeträger haben das Recht, Aufschriften wie „Es gibt – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – keinen Gott“ als Werbebotschaften abzulehnen. Weder Magazine noch Busse sind verpflichtet, die Anzeigen zu drucken und zu transportieren. Für die Ablehnung gibt es gute Gründe – und wenn es der Verweis auf die „religiös extreme“ Botschaft der Werbung ist. Genau das aber sind Sprüche wie „Jesus liebt Dich“ oder öffentliche Werbung für kirchliche Veranstaltungen nicht. Und aus diesem Grund hat die Debatte um die Atheisten-Sprüche auch nichts mit einem angeblichen Mangel an Meinungsfreiheit zu tun, wie das mancher meint.

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