Mit verschlossenen Augen besiegt man keinen Terror
Nach den Anschlägen von Nizza und Würzburg will manch Kommentator den Terror besiegen, indem er ihn einfach zum Amoklauf umdefiniert. Andere äußern mehr Mitgefühl für die Täter als für die Opfer. Das ist gefährlich. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Einsatz im Morgengrauen: In Würzburg hat ein Islamist mehrere Passagiere eines Zuges und zwei Spaziergängerinnen angegriffen und teils schwer verletzt (Symbolfoto)
Als der Terrorist von Würzburg mit seiner Axt auf das Gesicht eines seiner Opfer einschlug, schrie er: „Ich mach dich fertig, du Schlampe.“ Fünf Menschen verletzte er bei Würzburg schwer, bis er von der Polizei erschossen wurde. Die drängendste Frage für die Grünen-Politikerin Renate Künast war in diesem Zusammenhang, warum die Polizisten den Angreifer erschossen, statt ihn nur kampfunfähig zu machen. Ein anderer Twitter-Nutzer schrieb: „Mein Mitgefühl gilt dem einzigen Todesopfer von Würzburg, dem 17-j. Jungen der von ISIS manipuliert wurde #refugeeswelcome“.
Wieder andere stellten, wie schon nach dem LKW-Anschlag in Nizza mit 84 Toten, in Frage, dass es sich überhaupt um einen Terroranschlag handelt. Schließlich hätten beide Taten eher den Charakter eines Amoklaufs. Dass sich der Islamische Staat (IS) zu der Tat bekannte, hielten viele für Trittbrettfahrerei und scherzten im Internet unter dem Hashtag „ISbekenntsich“ über nervige Dinge wie verschwundene Socken, zu denen sich der IS noch bekennen könne. Neben der satirischen „heute-show“ des ZDF beteiligte sich auch der Nachrichtensender SWR-Info an dem humoristisch gemeinten Austausch, der symbolisch steht für eine Gesellschaft auf der Flucht vor der Realität. „Die Opfer des Terroristen von Würzburg können vermutlich nicht ganz so herzhaft über diesen Gebühren-Humor lachen“, kommentierte Bild.de-Chefredakteur Julian Reichelt. Inzwischen ist ein Video des Täters aufgetaucht, in dem er über seine islamistischen Motive spricht.
Der Täter ist nicht das Opfer
Die Webseite der Zeitung Die Zeit machte Stunden nach der Bluttat mit einem Artikel auf, der sensibel um Unterstützung für traumatisierte Flüchtlinge warb. Er enthält berechtigte Punkte, ist aber vom Timing her mehr als unglücklich. Im Licht der Tat von Würzburg wären ganz andere Fragen angemessen. Der Attentäter wurde in einer Pflegefamilie persönlich betreut und hatte einen Ausbildungsplatz in Aussicht. Hat er sich trotzdem in Deutschland radikalisiert, und wie kam es dazu? Oder kam er bereits als Schläfer im Flüchtlingsstrom über die Grenze? Welche sicherheitspolitischen Konsequenzen sollten sich daraus ergeben?
Es ist nicht nur im Sinne der Einheimischen, sondern auch im Sinne der Flüchtlinge, die friedlich in Deutschland leben wollen, dass solche Fragen offen diskutiert werden. Dazu muss die Medienöffentlichkeit in der Realität ankommen und islamistischen Terrorismus nicht als Amoklauf verharmlosen, dessen Gründe allein in der traurigen Biografie des Täters zu suchen sind.
Natürlich ist es bequemer, sich einzureden, Terror sei in weiter Ferne, hierzulande gebe es nur Kriminalität, die sich mit besserer Integrationsarbeit in den Griff bekommen ließe. Aber wer so denkt, leistet dem Terror Vorschub. Denn es lässt sich nur gewinnen, wenn Klarheit darüber besteht, wogegen gekämpft wird. (pro)
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