Mit PS ins Himmelreich

Im Dieselskandal wurde sie zum Prügelknaben, durch das Coronavirus schlitterte die Automobilindustrie ungewollt in die nächste Krise. Industriepastor Peer-Detlev Schladebusch kennt die Sorgen und Nöte der Branche. Er gehört zu den Initiatoren der „Christen in der Automobilindustrie“. Sie möchten auch in schwierigen Zeiten Hoffnung verbreiten.
Von PRO
Der Dieselskandal hat in der deutschen Automobilbranche viel Staub aufgewirbelt. Überstanden ist er noch nicht – und weitere Probleme wie die Corona-Krise sind dazu gekommen

Sie hat im Dieselskandal getrickst, Kritiker werfen ihr Profitgier vor, machen sie für den Klimawandel verantwortlich: Die Auto­industrie ist einer der wichtigsten Industriezweige Deutschlands, aber ihr Bild in der Gesellschaft ist ramponiert. Die Corona-Krise traf die Branche unverschuldet hart.

Nicht nur in der aktuellen Krise wollen die „Christen in der Automobilindustrie (CAI)“ ihre Branche unterstützen, verantwortungsvoll und wertorientiert zu handeln. Ein Gesicht der Bewegung ist Peer-Detlev Schladebusch. Der studierte Theologe und Betriebswirt ist seit 2009 Industriepastor in Wolfsburg. Seine Stelle finanziert die Hannoversche Landeskirche.

Entscheidend für die Gründung der CAI war seine Begegnung mit Helmut Keller. Dieser leitete die Gebetstreffen innerhalb des Daimler-Konzerns. Keller lud Schladebusch ein, sich die Arbeit in Sindelfingen einmal anzuschauen: „Ich habe das Füreinander positiv erlebt. Die Teilnehmer haben ganz selbstverständlich auch für einen Mitbewerber gebetet. Und diesem ging es damals finanziell sehr gut“, erinnert sich Schladebusch. Als Schladebusch diesen Mitbewerber dann besuchte, konnte er mit einem Augenzwinkern erklären, warum es ihm wirtschaftlich so gut ging. Der Gedanke für ein Netzwerk reifte bei Keller und Schladebusch weiter. 2013 schlossen sich Christen sämtlicher deutscher Automobilhersteller und deren Zulieferer zusammen. Im Rahmen der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt feierten sie den ersten gemeinsamen Gottesdienst. Der Netzwerkgedanke trägt die Arbeit bis heute. Aktuell sind 1.500 Menschen aus 50 verschiedenen Unternehmen vernetzt. Die Arbeit ist bewusst überkonfessionell organisiert: „Christus ist unsere Mitte“, betont Schladebusch. Die Arbeit, die nicht durch die Landeskirche finanziert ist, wird durch Spenden des Netzwerks getragen. Am 9. Januar haben die CAI in Ingolstadt wieder einen markenübergreifenden Autobranchen-Gottesdienst gefeiert. Das Motto lautete „Mehr als du glaubst“ und der Gottesdienst war natürlich ökumenisch.

Führungskräfte wünschen sich Beter

Schladebusch ist froh, wenn Christen ihren Glauben am Arbeitsplatz bekennen und so die Unternehmenskultur positiv beeinflussen. Er beobachtet, dass Christen vermehrt nach ihren Werten gefragt werden: „Wer eine Verantwortung gegenüber sich selbst, dem anderen und Gott spürt, handelt auch anders.“ Von Führungskräften weiß er, dass sie sich über Mitarbeiter mit einem christlichen Wertegerüst freuen: „Die Offenheit für werte­orientiertes Führen ist in vielen Unternehmen spürbar gestiegen.“ Die Kollegen schätzten es, wenn sie sich einem Christen anvertrauen und ihn bitten könnten, für ein Anliegen zu beten.

Das Publikum der Gebets- und Gesprächskreise in der Autoindustrie kommt aus fast allen Bereichen der Unternehmen – bis hin zu Aufsichtsräten und Vorständen. Gemeinsam beten sie für die Entscheidungen des Vorstandes und des Betriebsrats, aber auch für eigene Sorgen und Nöte. Schladebusch findet, dass sich gerade in der Krisenzeit das Netzwerk bewährt: „In Video- und Telefonkonferenzen zusammenzustehen, ist eine tolle Sache.“

Darüber hinaus lädt das Netzwerk zu Impulsvorträgen, Seminaren und Workshops ein. Dort fragen die Christen auch nach der Zukunftsfähigkeit der Branche, die sich durch Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Elektromobilität im Wandel befindet. Laut einer Modellrechnung im Auftrag des Umweltverbands BUND im November 2019 könnten in den kommenden zehn Jahren 360.000 Jobs in der deutschen Autoindustrie wegfallen: durch Fortschritte bei der Produktivität und deutlich mehr Elektroautos. Derzeit arbeiten rund 830.000 Menschen in der deutschen Autoindustrie. Viele Konzerne hatten schon vor der Corona-Krise Stellenstreichungen angekündigt. Das Virus hat die angespannte Lage noch einmal verschärft: Laut dem Verband der Automobilindustrie sind in den ersten vier Monaten dieses Jahres 31 Prozent weniger PKW neu zugelassen worden als im Vorjahreszeitraum, bei Nutzfahrzeugen waren es 22 Prozent weniger Neuzulassungen. Im April wurden 97 Prozent weniger PKW hergestellt als im April des vorigen Jahres, weil viele Werke ihre Produktion herunterfahren mussten. Einen solchen Einbruch habe es dem Verband zufolge in der Bundesrepublik noch nicht gegeben.

Schladebusch hat deswegen unter anderem Hannovers Landesbischof Ralf Meister, den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und den ehemaligen Top-Manager Alfred Rieck um Grußbotschaften für die Mitarbeiter gebeten. Meister macht in einer kurzen Video­botschaft Mut, auch in der Krise auf Gott zu vertrauen: „Das ist die Gewissheit in ungewissen Zeiten: Dass Gott an unserer Seite bleibt und uns eine andere Zeit verspricht.“

Christen werden angefeindet

Die CAI haben die Höhen und Tiefen der Branche miterlebt. An ein Datum kann sich Schladebusch noch ganz genau erinnern. Es war der 17. September 2015. Bei einem Treffen auf der IAA betete jemand für Wahrhaftigkeit in der Branche. Einen Tag später sickerten die ersten Meldungen durch, die den Dieselskandal auslösten. „Wenn ich einmal bei Gott bin, möchte ich ihn fragen, ob das eine Gebetserhörung oder Zufall war“, schmunzelt er.

Schladebusch ist wichtig, dass die Branche offen und verantwortungsvoll mit ihren Fehlern umgeht. Vergebung und Versöhnung gehörten zur Fehlerkultur und dem Lernprozess dazu. Christen treffe die Krisen immer besonders hart. Sie würden oft angefeindet und müssten sich Vorwürfe anhören wie: „Du gehörst auch dazu!“

Viele stellten ihre eigene Tätigkeit in Frage, obwohl sie saubere Arbeit ablieferten. Schladebusch stören die digitalen Shitstorms, die er aus christlichen Kreisen erlebe. Er werde dann gefragt, wie man für diese Branche beten oder sogar darin arbeiten könne. „Da herrscht viel Neid und Missgunst. Und es ist eine Gemengelage an Fragen, an denen sich die Kritiker abarbeiten.“ Viele dieser Ansichten hört er auch bei Werksführungen für Gemeinden oder Pfarrer. Christen richteten häufiger und hemmungsloser über andere als Nichtchristen, stellt er fest. Die Menschen wollten häufig Köpfe rollen sehen – und einfache Lösungen, aber die gebe es nicht. Eine große Schelte der Autoindustrie hält er für nicht zielführend. Fehler passierten und müssten in allen Industriezweigen offen und ehrlich benannt werden.

Die Folgen der Corona-Krise würden sich in den kommenden Monaten zeigen. Schladebusch befürchtet zahlreiche Insolvenzen im Klein- und Mittelstand. Auch die Leiharbeiter würden die wirtschaftlichen Einbrüche im Herbst zu spüren bekommen. Ihm ist es ein Anliegen, dass „Christen gerade in der Krise positiv erkennbar sind“. Die ersten Christen hätten sich durch die Liebe zueinander und zu den Mitmenschen ausgezeichnet. Dazu möchte er seinen Beitrag leisten: als Industriepastor und als Netzwerker bei den Christen in der Automobilbranche. In Corona-Zeiten und darüber hinaus.

Von: Johannes Blöcher-Weil

Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe 3/2020 des Christlichen Medienmagazins pro, das Sie hier bestellen können.

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