Jafar Panahi hat „Taxi Teheran“ heimlich gedreht. Der iranische Regisseur darf in seiner Heimat nicht arbeiten, auch die Ausreise ist ihm verboten. Der Film, der jetzt in deutschen Kinos startete, zeigt in stoischer Ruhe, wie menschenfeindlich es in Teheran zugeht. Eine Filmkritik von Anna Lutz
Von PRO
Foto: Jafar Panahi
Der iranische Filmemacher Jafar Panahi (rechts) spielt sich in „Taxi“ selbst. Das iranischer Regime verweigert ihm bis heute die Ausreise
Jedes Jahr aufs Neue lädt Berlinale-Direktor Dieter Kosslick Jafar Panahi zu den Filmfestspielen ein. Jedes Jahr aufs Neue kann dieser nicht anreisen. Wegen seiner regimekritischen Filme verweigert die Regierung in Teheran ihm nicht nur das Verlassen des Landes. Jafar, der schon mehrmals inhaftiert war, darf eigentlich auch keine Filme drehen. Er tut es trotzdem. Nachdem der Film im Februar auf der Berlinale gezeigt wurde, hat er es nun auch in die deutschen Kinos geschafft.
Hinrichtungen, Zensur und der Islam
Darin spielt Panahi sich selbst, getarnt als Taxifahrer. Er fährt mit einem Auto durch Teheran, Fahrgäste steigen ein und aus, manche erkennen den Filmemacher, manche nicht. Ihnen allen aber ist gemeinsam, dass sie sich lebhaft mit dem Chauffeur unterhalten. Eine kleine Kamera auf dem Amaturenbrett schneidet alles mit. Die Grenzen zwischen Dokumentation und Spielfilm verschwimmen, die Verwirrung ist offensichtlich gewollt. Denn Panahi will vor allem eines: Durch die Geschehnisse in seinem Taxi ein Bild der iranischen Gesellschaft zeichnen.
So diskutieren im Wagen eine Frau und ein Mann über Hinrichtungen als Art der Verbrechensprävention. Sie ist gegen die harten Strafen, er versteht sie als Teil des islamischen Rechts. Schnell wird klar: Islamischer Staat oder nicht, Frauen behaupten sich hier durchaus gegen die Männer, zumindest im privaten Gespräch. Ein heimlicher Filmehändler steigt ebenfalls ins Taxi. Ob Woody-Allen-Film, Arthouse-Produktionen oder die US-Serie „The Walking Dead“, er hat all das im Gepäck, was das Regime zensiert. „Kulturarbeit“ nennt er seine Tätigkeit deshalb und betrachtet sich als Verbündeten des Regisseurs Panahi.
„Solche Wahrheiten dürfen nicht gezeigt werden“
Auch die Nichte Panahis steigt zu. In der Schule lernt sie gerade das Filmemachen. Schnell wird klar, was das im Iran und unter staatlicher Aufsicht bedeutet: Die Darsteller müssen islamische Kleidung und islamische Namen tragen. Zumindest die Guten. Für die Bösewichte gilt das Gegenteil. Berührungen zwischen Männern und Frauen sind tabu. Und auch nicht jedes Thema ist geeignet für den mutmaßlich anständigen iranischen Film.
So fängt das Mädchen bei der Taxifahrt eine Hochzeit mit der Kamera ein. Aus dem Material soll eine Doku für die Schulaufführung entstehen. Doch sie kann das Material nicht benutzen, weil ein vorbeilaufender Junge den Bräutigam bestiehlt. Eine zufällige Szene, über die sich jeder freie Filmemacher freuen würde, gereicht hier zum Ärgernis für die islamischen Autoritäten – und ist deshalb „nicht zeigbar“, wie das Mädchen genau weiß.
„Solche Wahrheiten dürfen nicht gezeigt werden“, sagt eine Anwältin im Film, der Berufsverbot droht, weil sie sich für politische Gefangene einsetzt. „Sie machen dir das Leben zur Hölle“, fährt sie fort. Erst nehme das Regime Aufständische gefangen, dann zerstörten sie ihren Ruf und ließen sie wieder frei. Doch wenn alle Freunde und Bekannten indoktriniert seien, so sagt sie lächelnd, wünsche man sich nur, wieder im Gefängnis zu sein.
Panahi erzählt diese Geschichten mit einer derart leichten Beiläufigkeit, dass der Zuschauer zunächst kaum berührt ist. Das Grauen holt ihn erst dann ein, wenn er das Kino bereits verlassen hat und das Lächeln der Protagonisten der Erkenntnis weicht: Hinrichtungen, Zensur und Folter, das alles ist jetzt, genau in diesem Moment, Realität im Iran. Jafar Panahi ist mittendrin, Berlin ist für ihn weit weg. Doch es ist gut, dass das Kino den Iraner unablässig würdigt. Zuletzt gewann er den Filmwettbewerb Berlinale. (pro)
„Taxi Teheran“, 82 Minuten, Iran 2015, Kinostart: 23. Juli 2015
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