„Mit dem Aufsagen eines Vater Unser ist es nicht getan“

Der FDP-Politiker Oliver Kumbartzky setzt sich dafür ein, dass christliche Konvertiten, die abgeschoben werden sollen, einen fairen Prozess bekommen. Bei der Spruchpraxis sieht er Defizite.
Von Jonathan Steinert

PRO: Wie kommt es, dass Sie sich um die Belange von christlichen Konvertiten und ihr Asylgesuch in Schleswig-Holstein kümmern?

Oliver Kumbartzky: Parteifreunde haben mich als religionspolitischen Sprecher meiner Fraktion auf das Thema aufmerksam gemacht. Über einen Kontakt zu der Menschenrechtsorganisation Open Doors habe ich einige betroffene Konvertiten aus dem Iran zu einem Gespräch eingeladen, gemeinsam mit den Pastoren, in deren Gemeinden sie sich engagieren. Das war ein sehr beeindruckendes Gespräch und das ist definitiv ein Thema, das wir im Blick haben müssen.

Das Asylbegehren dieser christlichen Konvertiten wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt, das Verwaltungsgericht Schleswig-Holsteins hat auch die Klage dagegen abgewiesen. Die Entscheider waren nicht überzeugt davon, dass sie sich dem christlichen Glauben zugewandt haben oder in ihrer Heimat Angst vor Verfolgung haben müssten. Wie war Ihr Eindruck von dem Gespräch?

Die vier Personen, die ich kennengelernt habe, haben das ganze Asylverfahren durchlaufen und überall Ablehnungen erhalten, schließlich auch vor Gericht. In unserem Gespräch war es für mich sehr glaubhaft, dass sie wirklich sehr tief verwurzelt sind in ihrem Glauben. Sie sind ja schon im Iran zum christlichen Glauben konvertiert, und jetzt hier in Gemeinden sehr engagiert. Das haben auch die beiden Pastoren bestätigt.

„Die vier Personen, die ich kennengelernt habe, haben das ganze Asylverfahren durchlaufen und überall Ablehnungen erhalten, schließlich auch vor Gericht. In unserem Gespräch war es für mich sehr glaubhaft, dass sie wirklich sehr tief verwurzelt sind in ihrem Glauben.“

FDP-Politiker Oliver Kumbartzky im PRO-Interview

Die vier werden Ihnen nichts anderes erzählt haben als auch den Entscheidern. Woran haben Sie das festgemacht, dass mehr dahintersteckt?

Unser Gespräch fand natürlich in einer anderen Atmosphäre statt, als das in einem Gerichtssaal der Fall ist. Die Pastoren waren anwesend und es war auch intensiver und länger als in einem Gerichtsverfahren. Sie haben erzählt, wie sie zum Glauben gekommen sind, wie sie ihren Glauben in sich tragen und praktizieren. Das war sehr bewegend.

Menschenrechtsorganisationen und auch Pfarrer, die christliche Konvertiten in diesen Prozessen begleiten, beklagen schon seit mehreren Jahren, dass von Behörden und Gerichten offenbar willkürliche Entscheidungen getroffen werden. Was glauben Sie, woran das liegt?

Zunächst einmal unterstelle ich, dass jeder Behördenmitarbeiter und Richter seine Arbeit gewissenhaft macht und auch seine Entscheidung auf einer fundierten Grundlage trifft. Aber es fällt schon auf, dass es in den Bundesländern offenbar sehr unterschiedliche Ablehnungsquoten gibt. Das Schicksal dieser Menschen sollte aber nicht davon abhängen, in welchem Bundesland über ihre Anträge entschieden wird.

Wie würden Sie das Problem angehen?

Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn die Begleiter und Betreuer grundsätzlich enger eingebunden würden. Allein nach Aktenlage zu entscheiden, wie oft jemand in der Kirche aktiv war oder sich ehrenamtlich eingebracht hat, erscheint schwierig.

In Gerichtsprotokollen zu Fällen wie diesen wird deutlich, dass verschiedene Richter in sehr unterschiedliche Richtungen fragen, um die Ernsthaftigkeit des Glaubens zu prüfen. Mal mehr Fragen zu den Glaubensinhalten, mal mehr zur emotionalen Bedeutung für den Betreffenden. Was halten Sie von einheitlichen Kriterien für solche Befragungen?

Unsere Gerichte sind unabhängig und natürlich ist die Frage nach der inneren Einstellung eines Menschen naturgemäß von außen schwierig zu beurteilen, aber eine einheitlichere Fragelinie wäre aus meiner Sicht gleichwohl ratsam. Gleichzeitig ist die spannende Frage, wie ein Richter herausfinden kann, ob der, der ihm gegenüber sitzt, wirklich aus Überzeugung Christ ist oder ob er den Glauben aus taktischen Gründen angenommen hat. Mit dem Aufsagen des Vater Unser ist es ja nicht getan.

Für diejenigen, die im Gerichtssaal sitzen, kommt erschwerend hinzu, dass sie vor Gericht natürlich aufgeregt sind, weil sie wissen, dass es die letzte Chance für sie ist. Das war auch in unserem Gespräch ein Thema. Daher finde ich, dass man mehr Sachverständige als Begleitung zulassen und anhören sollte. So ist es zum Beispiel in Hamburg.

Abgelehnte Konvertiten finden ihre letzte Hoffnung vor einer Abschiebung öfter im Kirchenasyl. Diese Einrichtung sieht gerade die FDP eher kritisch. Halten Sie Kirchenasyl in solchen Fällen dennoch für legitim?

Für mich als Vertreter einer Rechtsstaatspartei ist Kirchenasyl ein schwieriges Thema. Es darf nicht missbraucht werden. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Fällen, in denen während dieser Zeit auch Fehlentscheidungen korrigiert wurden.

„Kirchenasyl darf nicht missbraucht werden.“

FDP-Politiker Oliver Kumbartzky im PRO-Interview

Was genau können Sie jetzt tun als FDP-Landespolitiker in Schleswig-Holstein, um die Asyl-Belange von christlichen Konvertiten zum Thema zu machen oder etwas an der Entscheidungspraxis zu ändern?

Zunächst möchte ich ins Gespräch kommen mit Betroffenen und das Thema auch öffentlich machen. Dann wollen wir uns an die zuständigen Ministerien wenden mit Fragen und Hinweisen zu den genannten Problemen. Ich würde unsere Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne, d. Red.) beispielsweise fragen, ob sie die Statistiken von Open Doors über die Ablehnung von Konvertiten kennt oder bestätigen kann. Auch mit dem Justizministerium werde ich darüber sprechen.

In einer Erhebung unter 113 Gemeinden stellte Open Doors im vorigen Jahr unter anderem fest, dass es zwischen den Bundesländern teilweise erheblich unterschiedliche Ablehnungsquoten der Asylanträge von betreuten christlichen Konvertiten gab. In Niedersachsen etwa wurden von 146 iranischen Konvertiten 13 abgelehnt, was einer Quote von 9 Prozent entspricht. In Schleswig-Holstein erhielten 66 von 88 Konvertiten kein Asyl, eine Quote von 75 Prozent. Bundesweit untersuchte die Organisation die Situation von mehr als 5.000 asylsuchenden Konvertiten.

Gibt es Möglichkeiten, das Thema auch bundesweit auf die Agenda zu setzen? Es betrifft ja in unterschiedlicher Ausprägung auch andere Bundesländer.

Es betrifft jedes Bundesland, überall gibt es diese Fälle und daran werde ich auch erinnern. Wir haben parteiinterne Gremien und Konferenzen, unter anderem zur Religionspolitik. Dort bringe ich es ein.

Wissen Sie, wie es mit den Menschen, die Sie jetzt getroffen haben, weitergeht?

Es gibt momentan einen Abschiebestopp in den Iran und der wird auch noch etwas anhalten. Sie haben natürlich Angst, abgeschoben zu werden. Sie sind ja sehr gut vernetzt und erfahren auch, was mit anderen geschieht.

Vielen Dank für das Gespräch!

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