Missbrauchsfälle: Justizministerin fordert Kirche heraus

Bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche sind Politiker und Kirchenvertreter wiederholt aneinander geraten. Im Mittelpunkt stehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und führenden Unions-Politikern.
Von PRO

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Haltung der katholischen Kirche im Aufklärungsprozess um Missbrauchsfälle wiederholt öffentlich kritisiert. Bereits vor etwa zwei Wochen forderte sie in einem Interview mit dem „Bayerischen Rundfunk“, die katholische Kirche müsse bei Missbrauchsverdacht „schneller die Staatsanwaltschaft einschalten“. Am Montag sagte die Justizministerin gegenüber dem „Deutschlandfunk“, dass viele katholische Einrichtungen von einer „Mauer des Schweigens“ umgeben seien und warf der katholischen Kirche mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche würden zuallererst der päpstlichen Gewalt unterliegen und deswegen intern untersucht. Diese Richtlinien reichten aber nicht aus und behinderten die juristische Aufklärung von Fällen des Missbrauchs, kritisierte die FDP-Politikerin.

Mit diesen Forderungen stieß sie bei Unions-Politikern und bei Kirchenvertretern auf Kritik. „Eine Mauer des Schweigens kann ich beim besten Willen nicht erkennen“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer gegenüber „Spiegel-Online“. Auch Prälat Karl Jüsten vom Kommissariat der deutschen Bischöfe in Berlin erklärte im „ZDF-Morgenmagazin“, dass seine Kirche um die Aufklärung der Missbrauchsfälle bemüht sei. Auch den Vorwurf einer „Schweigemauer“ an katholischen Schulen wies er zurück. Die Justizministerin habe „keine Ahnung“, es werde sehr „radikal aufgeklärt“.

Kritik von Unions-Politikern

Den von Leutheusser-Schnarrenberger ausgeübten Druck auf die katholische Kirche kritisierte auch der CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis. Der FDP-Politikerin gehe es nicht mehr um Aufklärung, sondern um einen Angriff auf die katholische Kirche, sagte Geis gegenüber „Spiegel-Online“.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) setzte sich bereits gegen die Kritik von Leutheusser-Schnarrenberger zur Wehr. „Die Kirche unterstützt die staatlichen Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche vorbehaltlos“, teilte sie mit. Im Falle des Verdachts von sexuellem Missbrauch gäbe es sowohl ein staatliches als auch ein kirchliches Verfahren. Das von Leutheusser-Schnarrenberger angesprochene kirchliche Verfahren habe keinen Einfluss auf die staatliche Strafverfolgung von Missbrauchsfälle. „Das kirchliche Verfahren ist selbstverständlich dem staatlichen Verfahren nicht vorgeordnet“, erklärt die DBK.

Prävention reicht nicht

Nun gibt es einen neuen Disput um die Einrichtung eines runden Tisches zum Thema Kindesmissbrauch. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) haben dazu am 23. April eingeladen. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sollen daran unter anderem Vertreter der Familienverbände, Schul- und Internatsträger, die katholische und evangelische Kirche, Länder, Kommunen und der Deutsche Lehrerverband teilnehmen. Die Beteiligten wollen über Hilfsleistungen für die Opfer sprechen. Im Mittelpunkt werde aber die Prävention von Kindesmissbrauch stehen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die laut „Spiegel-Online“ bisher nicht zum runden Tisch eingeladen wurde, reagierte skeptisch. Auch wenn Fragen der Prävention berechtigt seien, müsse die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche im Vordergrund stehen. Deswegen forderte Leutheusser-Schnarrenberger nach Angaben der FAZ ein Gremium, bei dem es speziell um katholische Einrichtungen gehen soll. In diesem Gremium sollen die Entschädigungszahlungen an Opfer und die Verjährung von Missbrauchstaten diskutiert werden. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, lehnte den Ansatz der Justizministerin laut FAZ ab. Seine Begründung: Kindesmissbrauch beschränke sich nicht auf kirchliche Einrichtungen. (pro)

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