Merkel: Selbstbewusst über christliche Werte sprechen
Anstatt gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands zu protestieren, sollten Christen ihre eigene Identität stärken. Das fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht sich dafür aus, zwischen Fanatismus und Religion zu unterscheiden.
Merkel betonte in dem Interview, die Frage vieler Menschen nach dem Zusammenhang zwischen Gewalt und Islam sei berechtigt. Sie rief „die Geistlichkeit des Islams“ dazu auf, diese Frage zu klären. In ihrer Rolle als Bundeskanzlerin habe sie indessen die Aufgabe, die Muslime hierzulande vor einem Generalverdacht zu schützen sowie Gewalt im Namen des Islams zu bekämpfen.
Eine Islamisierung Deutschlands gebe es nicht, erklärte Merkel weiter. Doch sei erkennbar, dass die Menschen immer weniger über das Christentum wissen. „Mit fortschreitender Säkularisierung lassen die Kenntnisse über das Christentum immer mehr zu wünschen übrig.“ Daher fordert sie Christen auf, „noch mehr und selbstbewusst“ über ihre christlichen Werte zu sprechen. „Jeder sollte sich selbst fragen, was er zur Stärkung der eigenen Identität, zu der bei der Mehrheit immer auch noch die christliche Religion gehört, tun kann.“ Die Politik könne dies nicht leisten, sondern nur die Rahmenbedingungen dafür schaffen – etwa durch das Angebot eines Religionsunterrichtes.
Nicht bei Pegida mitlaufen
Wie bereits in der Neujahrsansprache empfahl Merkel, bei den Pegida-Demonstrationen nicht mitzumachen. Die Motive der Anführer seien Vorurteile, Kälte und Hass. Sie verstehe hingegen, dass die Fragen der Zuwanderung, der Flüchtlinge oder der Kriminalität viele Menschen umtreibe. Die Politik müsse hier mit konkreten Taten antworten. Neben einer länderübergreifenden Kriminalitätsbekämpfung sieht Merkel den Bedarf, die Entwicklungshilfe auszubauen, um die Fluchtursachen in anderen Ländern zu bekämpfen.
Schon in einer Regierungserklärung am Donnerstag im Deutschen Bundestag hatte Merkel jeden Generalverdacht gegen Muslime entschieden zurückgewiesen. Die Entscheidung einzelner, andere zu töten, sei nicht durch eine misslungene Kindheit zu rechtfertigen und habe auch mit Religion insgesamt nichts zu tun. Im Namen Gottes strafen und töten zu wollen, „das ist für mich Gotteslästerung, nichts anderes“, sagte sie.
Islam hat etwas mit Islamismus zu tun
Zuvor war Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ans Mikrofon getreten: „Unser Gegner ist nicht der Islam, sondern der Fanatismus, nicht Religion, sondern Fundamentalismus.“ Wer in Deutschland auf der Straße vor einer angeblichen Islamisierung des Abendlandes warne, betreibe Demagogie statt Aufklärung. Stattdessen sei Muslimen offen entgegenzutreten. Dennoch sei die Frage zu stellen, warum im Namen Allahs getötet werde – auch von staatlicher Seite aus. Die Formel, der Islam habe mit dem Islamismus nichts zu tun, reiche nicht aus. „Und sie ist auch nicht wahr, ebensowenig wie die beschwichtigende Behauptung, die Kreuzzüge hätten nichts mit dem Christentum zu tun.“
Tabuisierung helfe nicht dabei, die Frage zu beantworten, wie Gräueltaten künftig zu verhindern seien. Lammert rief auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme darauf auf, „was anderen im buchstäblichen Sinne heilig ist“. Niemand dürfe vergessen, dass zeitgleich mit dem Anschlag in Frankreich auch Tausende in Nigeria, in Syrien oder im Irak Opfer des Terrorismus wurden, darunter auch viele Muslime. (pro)
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