Für ihr Engagement gegen Judenfeindlichkeit, für Religionsfreiheit und ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Jüdischen Museum in Berlin ausgezeichnet. Das Geiger Kolleg der Universität Potsdam verleiht aller zwei Jahre den mit 10.000 Euro dotierten Abraham-Geiger-Preis für „Verdienste um das Judentum in seiner Vielfalt“. Das Kolleg war die erste deutsche Ausbildungsstätte für Rabbiner nach dem Holocaust.
Merkel nahm am Abend die Auszeichnung entgegen und sagte, es sei „alles andere als selbstverständlich“, dass Juden heute in Deutschland wieder eine Heimat gefunden haben und sie in diesem Land eine Zukunft sehen. Dies sei und bleibe „ein einzigartiger Vertrauensbeweis in die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes, wie sie in unserem Grundgesetz niedergelegt ist“, heißt es in der vom Presseamt der Bundesregierung kommunizierten Rede.
Merkel betonte, dass sie „sehr wohl“ wisse, dass Deutschland durch die Aufnahme und die Integration so vieler Menschen „ohne Zweifel vor große Aufgaben“ gestellt werde. Sie mache sich keine Illusionen: Integration geschehe nicht über Nacht. Zudem benötige sie Zeit und Geduld. Integration sei auch angewiesen „auf die Offenheit derer, die schon hier leben“ sowie „auf die Bereitschaft derer, die zu uns kommen, unsere Art zu leben, unser Recht, unsere Kultur zu achten und unsere Sprache zu lernen“.
Weiter sagte die Kanzlerin: „Wir brauchen wahrlich nicht immer einig darin sein, welche konkreten Maßnahmen wir für unser Handeln auch in der aktuellen Flüchtlingsfrage als notwendig und richtig erachten und welche nicht.“ Sie werde es immer ernst nehmen, wenn Menschen ihre Sorgen vor Antisemitismus zum Ausdruck brächten – „auch die, die Sie in diesen Wochen mit Blick auf die vielen Menschen aus Ländern äußern, in denen Antisemitismus und Hass auf Israel Teil des öffentlichen Lebens sind und von Kindesbeinen an vermittelt werden“. Das sagte Merkel und richtete sich damit an Josef Schuster, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Den Kampf gegen Antisemitismus bezeichnete die CDU-Politikerin als „unsere staatliche und bürgerschaftliche Pflicht“. Antisemitische Straftaten würden konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt. Jenseits dessen brauche es Begegnung und Dialog, damit das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen auch wirklich gelingt. „Begegnung und Dialog sind wesentliche Voraussetzungen für Toleranz.“
Der spanisch-amerikanische Religionssoziologe José Casanova sagte in seiner Laudatio laut der Wochenzeitung Die Zeit, es sei ein Vorurteil, zu denken, Religion sei die Hauptursache gewalttätiger Konflikte. „Wir Europäer müssen aus unserer bisherigen Unfähigkeit, religiös pluralistischen Gesellschaften politisch Rechnung zu tragen, die richtigen Lehren ziehen. […] Wir brauchen ein Modell für heterogene, pluralistische Gesellschaften, in denen sich alle Religionen – ob christlich, jüdisch, muslimisch oder andersgläubig – frei und gleichberechtigt zur Geltung bringen.“ Dazu habe Merkel „durch ihre mutige Europapolitik schon viel beigetragen, sagt Casanova. (pro)