„Menschenbild nicht immer neu diskutieren“

Lehrerinnen sind Vorbilder für ihre Schüler. Aber was vermitteln sie, wenn sie ein Kopftuch im Unterricht tragen? Darüber gehen die Meinungen nach dem Kopftuch-Urteil auseinander.
Von PRO
Lehrerinnen dürfen ihren Glauben an der Schule zeigen und auch ein Kopftuch tragen. Werden jetzt mehr junge Muslima auf Lehramt studieren?
Muslimische Lehrerinnen dürfen im Unterricht Kopftuch tragen. Das hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich entschieden. Die Reaktionen darauf sind zwiespältig. Lehrerinnen sind Vorbilder, darüber herrscht Konsens. Doch welche Botschaft vermitteln sie, wenn sie aus religiösen Gründen mit einem Kopftuch in die Schule kommen? Wie die Wochenzeitung Welt am Sonntag (WamS) schreibt, sieht die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) darin ein Zeichen von Selbstbewusstsein und „eigenen Überzeugungen“. Eine ähnliche Auffassung vertritt Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats: „Eine Kopftuch tragende Lehrerin ist ein positives Rollenmodell für muslimische Mädchen. Sie verdeutlicht, dass in unserem Land auch im Staatsdienst Platz ist für Muslime“, zitiert ihn die Zeitung. Bisher habe das Kopftuch seiner Einschätzung nach wohl hunderte muslimische Frauen von einem Lehramtsstudium abgehalten. Wer die Praxis kennt, sieht das zum Teil kritisch. Gerade weil Lehrer Vorbilder seien, werde es „dramatische Auswirkungen auf die Mädchen haben“, wenn eine Lehrerin Kopftuch trage, sagt ein Berliner Schulleiter der Zeitung. „In all dem, was wir an Liberalität gewonnen haben, werden wir um Jahre zurückgeworfen“. Ein Kollege äußert in dem Beitrag die Sorge, Lehrerinnen mit Kopftuch in der Schule signalisierten, „dass wir unsere Werte, Werte wie Gleichberechtigung, nicht mehr durchsetzen. Das Kopftuch steht für die Aussage: Männer und Frauen sind vielleicht doch nicht gleichberechtigt“.

Trägt bald eine Verfassungsrichterin Kopftuch?

Franziska Giffey (SPD) ist Schulstadträtin in Neukölln und soll Heinz Buschkowsky dort als Bezirksbürgermeisterin nachfolgen. Er selbst kritisierte das Kopftuch-Urteil und auch Giffey findet es problematisch. Schulleiter hätten ihr gegenüber Entsetzen über die Entscheidung geäußert. Giffey mahnt an, die Diskussion um das Koftuch „vor dem Hintergrund der realen Schulsituation“ zu führen und „auf die Praktiker“ zu hören. Sie fürchtet, dass es besonders diejenigen Frauen schwerer haben werden, die ohnehin schon unter Druck stehen, „sich orthodoxen Glaubensregeln zu unterwerfen“. Die Neutralität der Schule sei in Berlin gut geklärt. Nun werde dies „aufgesplittert in tausend mühsame Aushandlungsprozesse. Aber ein freiheitliches und demokratisches Menschenbild kann man nicht jedes Mal wieder von Neuem diskutieren“. Bedenken hat auch Michael Bertrams. Er war Präsident des Verfassungsgerichtes von Nordrhein-Westfalen und gehört der Kirchenleitung der evangelischen Landeskirche in Westfalen an. Er fragt sich, was das Urteil aus Karlsruhe nach sich ziehe – womöglich auch Bundesverfassungsrichterinnnen mit Kopftuch? Er könne sich laut WamS nicht vorstellen, „dass eine Muslima, die aus religiösen Gründen auf dem Tragen eines Kopftuchs besteht, Hüterin unserer freiheitlichen Verfassung sein kann“. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/kopftuchverbot-verstoesst-gegen-verfassung-91383/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/bedford-strohm-will-pruefung-der-kopftuch-entscheidung-91414/
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/ein-kopftuch-ist-kein-kreuz-91393/
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