"Uns fehlt der Kontakt zu den vielen Leuten, die im Netz unterwegs sind. Das müssen wir dringend ändern. Was uns fehlt, sind Seelsorge-Angebote – auch in sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ", sagte Hinrichs in einem Interview mit dpa.
Die ökumenisch organisierte Telefonseelsorge habe zwar bereits begonnen, die neue Technik einzusetzen und biete Ratsuchenden ihre Hilfe auch in Chats oder über E-Mail an. Insgesamt tue sich Kirche aber schwer mit dem Internet. "Da sind noch dicke Bretter zu bohren, damit in diesem Bereich mehr Personal eingestellt wird“, sagte Hinrichs.
Der Stellenwert, den das Internet bei der jüngeren und mittleren Generation erreicht habe, sei vielen älteren Pfarrerinnen und Pfarrern nicht bewusst. "Wenn wir uns nicht stärker auf die Neuen Medien einlassen, verlieren wir große Teile der jüngeren Milieus." Zudem sei es schwer, bei zurückgehenden Einnahmen neue Internet-Stellen zu schaffen.
Wenn die Kirche ihr Ziel erreichen wolle, die christliche Botschaft an alle Menschen weiterzugeben, müsse sie auf diese Entwicklung reagieren. Grundlage der kirchlichen Arbeit sei, dorthin zu gehen, wo die Menschen sind. Früher sei das vor allem als Aufforderung gesehen worden, Hausbesuche zu machen. "Heute sind aber viele Menschen vor allem im Internet zu Hause. Darauf müssen wir auch regieren."
Im Netz als Christ zu erkennen geben
Wir haben Frau Hinrichs gefragt, wie die Pläne der badischen Kirche aussehen, das Internet mehr zu nutzen, und ob Sie selbst das "Web 2.0" bereits nutzt. Lesen Sie im Folgenden das Interview im Wortlaut.
Christliches Medienmagazin pro: Was kann die Kirche tun, um jüngere Generationen, die den Gotteshäusern fern bleiben, über das Internet zu erreichen?
Karen Hinrichs: Wir müssen die bestehenden Dienste ausbauen. Es gibt bereits Angebote für alle Generationen, zum Beispiel die Internetseelsorge, das Portal "evangelisch.de" oder das Seniorenportal "UnsereZeiten.de". Darüber hinaus ist es wichtig, noch mehr kirchliche Mitarbeiter, nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern auch geschulte Ehrenamtliche zu haben, die als authentische Dialogpartner in bestehenden sozialen Netzwerken unterwegs sind. Es müssen Leute sein, die sich mit ihrem Online-Namen als Christen zu erkennen geben. Gerade Ehrenamtliche aus nichtkirchlichen Berufen werden sehr ernst genommen, wenn sie in einem Chat Antworten zu Fragen nach dem Glauben und dem christlichen Leben geben.
pro: Gibt es schon konkrete Pläne der evangelischen Kirche in Baden, über das Internet mehr mit den Menschen in Kontakt zu kommen, etwa über soziale Netzwerke?
Hinrichs: Wir fangen zum Glück nicht bei Null an. Es gibt in Baden schon lange das Angebot der Internet-Seelorge, das über ekiba.de zu erreichen ist. Viele unserer Beratungsstellen in Kirche und Diakonie machen das Angebot, über Chat oder E-Mail Kontakt aufzunehmen. Weil es aber für alle Generationen immer selbstverständlicher werden wird, sich nicht nur im Netz über kirchliche Angebote oder christliche Inhalte zu informieren, sondern das Netz für interaktive Kommunikation zu nutzen, müssen wir künftig für diese Arbeit noch wesentlich mehr Mitarbeitende haben. Die Gemeindepfarrer sind so ausgelastet, dass sie das nicht auch noch machen können. Einzelne Mitarbeitende sind auch schon bei facebook und twitter präsent, ab Februar wollen wir ein Experiment mit einem spirituellen Angebot starten: das "twittagsgebet", ein tägliches Tischgebet via Twitter. Wichtig ist uns auch, die Seite ekiba.de noch mehr in der Lebenswelt der Nutzer zu verankern, so sollten z.B. Gebetsanliegen genannt werden können.
pro: Sie sagen im dpa-Interview, dass angehende Pfarrer in der Ausbildung sowie Lehrer und Diakone für die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Menschen sensibilisiert werden. Schließt das auch das Training in Sachen Internet mit ein?
Hinrichs: Die jüngere Generation ist mit den neuen Medien aufgewachsen und hat in Sachen Internet keinen Schulungsbedarf. Trotzdem ist es wichtig, alle Mitarbeitenden sensibel zu machen für die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der verschiedenen Milieus. Ein Pfarrer, eine Pfarrerin muss wissen, welche Milieus in der Gemeinde stark vertreten sind und welche Kommunikationsformen sie bevorzugen. Keine Gemeinde kann mehr auf eine gut gemachte und gut gepflegte Website verzichten, trotzdem wird diese Aufgabe noch zu wenig ernst genommen oder gegen den gedruckten Gemeindebrief ausgespielt. Wir unterstützen daher alle Interessierten darin, die Stärken und Schwächen der einzelnen Medien und Kommunikationsformen zu erkennen und einen passenden Mix in der Gemeinde anzubieten.
pro: Wie sieht die Internet-Nutzung der Telefonseelsorge aus? Wie kann man deren Dienste über das Internet in Anspruch nehmen?
Hinrichs: Mit wenigen Klicks finden Sie die Telefonseelsorge, die für Ihre Region ansprechbar ist. Fast alle der vielen Telefonseeslorgestellen haben das Angebot von Chat-Terminen und der Kontaktaufnahme über E-Mail. Viele Leute kombinieren auch Chat und persönliche telefonische Beratung. Weitere kirchliche Angebote sind das Trauernetz für Trauernde, das Kummernetz und die Seelsorge-Links bei evangelisch.de oder UnsereZeiten.
pro: Sie fordern, dass mehr Personal eingestellt werden müsste. Gibt es die finanziellen Mittel dazu?
Hinrichs: Leider ist die finanzielle Lage der badischen Landeskirche nicht so gut, dass alle Wünsche erfüllt werden könnten. Trotzdem bleibe ich dabei, dass für diese wichtigen Aufgaben künftig mehr getan werden muss, als bisher getan wurde.
pro: Sollten eventuell bestehende Stellen umgemodelt werden, wenn kein Geld für neue zur Verfügung steht?
Hinrichs: So ist es. Nur ist es immer schwierig zu sagen, welche Stellen nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht gewinnen wir aus dem Bereich des Religionsunterrichtes Kapazitäten, wenn die Schülerzahlen bald drastisch zurückgehen.
pro: Nutzen Sie selbst soziale Netzwerke oder das "Web 2.0"?
Hinrichs: Ja, aber wenig, verglichen mit unseren Kindern und ihren Freunden.
pro: Vielen Dank für das Gespräch!