Mehr als platte Werbung: „Lebendig und kräftig und schärfer“

Dass Marketing und Werbung nicht immer das halten, was sie auch versprechen, ist bekannt. Jeder noch so gut gemeinte Werbespruch übertreibt bisweilen, und wer Versprechen der Werbung für bare Münze nimmt, tut das nur einmal. Dass auch der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag, der bis Sonntag in Köln stattfindet, ohne Werbung nicht auskommt, ist klar: "Lebendig und kräftig und schärfer" lautet der kluge Slogan. Doch manchmal ist an Werbung wirklich etwas dran.
Von PRO

Von Andreas Dippel

Das alte Symbol der Christenheit, ein stilisierter Fisch, der vor 2.000 Jahren noch heimlich darauf aufmerksam machte, dass einer an den auferstandenen Jesus Christus glaubt, haben die Werbefachleute für den Kirchentag leicht, aber vielsagend umfunktioniert. Dem Ichtys-Zeichen wurde eine Haiflosse anmontiert, die das Fischzeichen dem Kirchentagsmotto anpasst: Schärfer sollen die Christen sein, lebendiger und kräftiger. Bissiger, aggressiver, könnte auch gemeint sein. Was der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, durchaus nicht bestreitet: „Es ist ein gutes Motto und genau richtig für den 31. Kirchentag“, sagte Huber in Köln. „Schauen Sie etwa in den Osten Deutschlands“, sagte er, „dort hat sich ein Gewohnheitsatheismus etabliert, dem die Christen nur mit dem Motto aus dem Hebräerbrief etwas entgegensetzen können.“

Tatsächlich ist das so. Trotz gestiegenem Interesse am Glauben – worüber am Samstag Journalisten und Theologen miteinander diskutieren – und wieder steigenden Eintritten in die Kirchen hat ein immer noch zu großer Teil der Bevölkerung schlicht keinerlei Kontakt zu Christen und Glauben. Das müssen sich gerade die Protestanten klar machen und daher ihre seit Jahrzehnten lieb gewonnenes Motto des „lauer und glatter und stumpfer“ ein für allemal hinter sich lassen.

„Was nützt es dem Menschen…?“

Der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag will also zu einem Umdenken motivieren, weg von der Laschheit und Gleichgültigkeit gegenüber Nicht-Christen, hin zu einem neuen Eifer für die Mitmenschen. Natürlich projiziert eine Vielzahl der Kirchentagsteilnehmer das diesjährige Motto vielmehr auf einen verstärkten Einsatz für Umwelt, gegen Globalisierung und Armut, gerade, weil ja der G8-Gipfel auch den Kirchentag überschattet. Auch das ist wichtig, keine Frage, aus diesem Grund gibt es eine „Botschaft nach Heiligendamm“ oder orangefarbene Schals mit der Aufschrift „Was nützt es dem Menschen…? Globalisierung neu denken“. Aber eben nicht nur das, es geht um mehr, das soll den Besuchern klar gemacht werden.

Auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hat das in seiner Eröffnungspredigt in seltener Klarheit betont: Der Kirchentag sei mehr als ein „Spektakel“. Es gelte, mit anderen auf das Wort Gottes zu hören. „Wir suchen die Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit ja nicht im Kaffeesatz oder den Sternen. Nein, die Menschen, die zum 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag nach Köln kommen, suchen sie im Evangelium, im Wort Gottes“, sagte Schneider zum Auftakt in Köln.

Kräftig und schärfer: Dialog mit Muslimen

Nun zeigte sich die Umsetzung des Kirchentagsmottos auch auf einer besonderen Veranstaltung, die am Donnerstag ausgetragen wurde. Bischof Huber debattierte mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth oder Bekir Alboga von Deutschlands größtem islamischem Verband DITIB über interreligiösen Dialog und Integration von Muslimen. Es ging auch um die EKD-Schrift „Klarheit und gute Nachbarschaft“ und um die Erwiderung der Muslime, die sich tief verletzt von manch offenen und klaren Worten in dieser Schrift fühlen.

Auf der Diskussionsveranstaltung jedenfalls ging es hoch her – denn der EKD-Ratsvorsitzende zeigte, was es heißt, auch im viel beschworenen interreligiösen Dialog „lebendig und kräftig und schärfer“ zu argumentieren. Huber verwies etwa darauf, dass das Grundrecht auf Glaubensfreiheit im Wesentlichen aus den christlichen Kirchen erwachsen sei: „Es muss universell gelten, für die Muslime in Deutschland ebenso wie für Christen in der Türkei“, so Huber. Auch in Deutschland müsse diese Glaubensfreiheit gelten, gerade Angesicht von immer mehr ehemaligen Muslimen, die sich aus Angst vor Angriffen nicht mehr auf die Straße trauen. Mit dem Recht auf Religionsfreiheit könne außerdem nicht jede extremistische Äußerung von religiösen Führern gerechtfertigt werden. Und auch die christliche Mission wollte sich der evangelische Theologe nicht als „Vorwurf“ unterjubeln lassen. Im Dialog der Religionen müsse ein „fairer Streit auf der Suche nach der Wahrheit“ erlaubt sein.

Die kräftigen und schärferen Worte Hubers kamen bei den Besuchern der Diskussionsveranstaltung glänzend an: Applaus entbrannte nach vereinzelten Forderungen nach mehr Glaubensfreiheit und Klarheit im Dialog. Von daher war allein diese Veranstaltung ein gewisser Meilenstein: Weg von lauem Christentum, hin zu lebendigem, kräftigem und schärferem Glauben, der einzig auf dem Fundament des christlichen Glaubens baut: der Bibel. Wie eben das Motto des Kirchentages. Von daher kann Werbung doch auch manchmal das halten, was sie verspricht.

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