Mediziner stellen Gesetzesvorschlag für Suizid-Beihilfe vor
Am Dienstag haben Wissenschaftler in München einen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe vorgestellt. Nach der Sommerpause will sich der Bundestag dem Thema widmen.
Von PRO
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Wissenschaftler legen in München den Entwurf für eine gesetzliche Regelung der Suizid-Beihilfe vor
Bislang gibt es für Ärzte in der Bundesrepublik keine einheitlichen und verlässlichen Regelungen über die Hilfe zum Suizid. 2015 soll der Bundestag über das Thema befinden. Nun haben Hochschulprofessoren am Dienstag in München einen Gesetzesvorschlag veröffentlicht, mit dem Straffreiheit für ärztliche Beihilfe zum Suizid bei unheilbaren Patienten gesetzlich verankern und geregelt werden soll. Der Entwurf der Wissenschaftler lehnt sich an die geltende Regelung im US-Bundesstaat Oregon an. Dort können Ärzte aussichtslos Schwerstkranken Sterbehilfe leisten. Nach Angaben der Zeitung Welt blieb die Zahl der „Suizidassistenzen“ dort niedrig. Werbung für eine Beihilfe zum Suizid soll verboten bleiben.Zu dem Papier erklärte Gian Domenico Borasio, Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin an der Universität Lausanne: „Wir wissen um die großen Möglichkeiten der Palliativmedizin. Aber wir wissen aus der täglichen Arbeit auch um ihre Begrenzung.“
Damit wendet sich Borasio gegen die Bundesärztekammer (BÄK). Die lehnt es nach Angaben der Welt bislang ab, Ärzten die Suizidbeihilfe zu erlauben. Die Ärzte dürften demnach keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.
Keine Beihilfe zum Suizid für gesunde alte Menschen
Bislang hatte vor allem die Union die Position vertreten, jede organisierte Suizid-Hilfe zu verbieten. Zu den Befürwortern des Verbotes gehört auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Gegen ein striktes Verbot hatten sich SPD-Abgeordnete ausgesprochen. Dabei erhielten sie Unterstützung durch Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU). Gegenüber der Welt erklärte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, über den nun vorgestellten Entwurf der Mediziner: „Dieser Vorschlag entspricht weitgehend unseren Vorstellungen.“
Die Wissenschaftler vertreten in ihrem Gesetzesvorschlag die Auffassung, dass Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe stehen soll. Darüber hinaus sollten es jedoch Ärzten erlaubt sein, schwerstkranken Menschen ohne Aussicht auf Heilung unter strengen Voraussetzungen die nötigen Medikamente verschreiben zu dürfen. Gesunde alte Menschen hingegen sollten ausdrücklich keine Beihilfe zum Suizid erhalten, da meist psychische Probleme wie Altersdepression im Vordergrund stünden.
Der Vorschlag sieht vor, dass zwei Ärzte in die Entscheidung einbezogen sein müssen. Der Sterbewillige muss dem Gesetzesvorschlag nach umfassend über seinen Zustand und die palliativmedizinischen Möglichkeiten aufgeklärt werden, freiverantwortlich seinen Wunsch äußern können und dann noch zehn Tage Bedenkzeit einhalten. Werbung für eine Beihilfe zum Suizid soll strikt verboten sein.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte nach dpa-Angaben den Vorschlag: „Wenn der Gesetzentwurf Realität würde, dann wird die Suizidbeihilfe zum Regelangebot des Arztes. Damit hätten wir den zertifizierten Mediziner für Selbsttötung.“ Auch die Senioren-Union lehnte den Vorschlag ab. Sie warnte davor, Sterbehilfe zur Abrechnungsziffer zu machen.
Jochen Taupitz, Mitautor des Entwurfs und Direktor des Instituts für Medizinrecht der Universitäten Heidelberg und Mannheim verteidigte nach dpa-Angaben hingegen den Gesetzesvorschlag. „Es ist wichtig, dass wir mit unserem Gesetzesvorschlag für Rechtssicherheit sorgen.“ Kein Mediziner müsse Suizidhilfe leisten. „Jeder Arzt muss es zu seiner Gewissensentscheidung machen.“ Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass auch Angehörige und nahestehende Menschen ohne Strafe bleiben sollen, wenn sie beim Sterben helfen.
Gegen Tötung auf Verlangen
Die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, erklärte gegenüber der Welt: „Ich halte die Intention dieses Vorschlags für gut und die Ziele für richtig. “ Griese lobt, „dass dadurch die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen unterbunden würde und es eng definierte Freiräume für Angehörige und Ärzte gäbe“.
Griese erklärte gegenüber der Zeitung, dass es richtig sei, „keine Sterbehilfe bei psychisch Kranken und gesunden Hochbetagten zu erlauben und das Betäubungsmittelrecht so zu präzisieren, dass jene Medikamente nur von Ärzten genutzt werden dürfen“.
Der Direktor des Instituts für Medizinethik der Universität Tübingen, Urban Wiesing, erklärte gegenüber dpa zur Sterbehilfe: „Ein Verbot löst das Problem nicht, sondern verschärft es.“ Beihilfe zum Suizid werde dann illegal geleistet oder verzweifelte Menschen begingen auf grausame Weise Selbstmord.
Tötung auf Verlangen, wie sie in den Niederlanden oder Belgien erlaubt ist, lehnten die Mediziner ab. „Der Unterschied liegt darin, dass der Betroffene die tödliche Substanz selbst einnimmt“, sagte Ralf Jox vom Institut für Medizinethik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es gebe Hinweise, dass die Hemmschwelle sinke, wenn der Arzt den Schritt übernehme, hieß es. (pro)
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