Medienwissenschaftler fordert „Sprachliche Abrüstung bei Shitstorms“
Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen kennt sich mit Shitstorms gut aus: Er erforscht das Phänomen. Im Sinne einer sinnvollen gesellschaftlichen Debatte wirbt er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für eine „sprachliche Abrüstung“. Er betont aber auch die positiven Aspekte, die der Aufschrei im Internet hat.
Erforscht die Wirkung von Shitstorms im Internet: der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen
Bernhard Pörksen ist an einer allgemeinen Diskurs- und Dialogfähigkeit gelegen. Dabei stört ihn, dass Qualitätsmedien die Kritik aus dem Internet schnell mit Schlagworten wie Propaganda oder Kampagne versähen. Die Gegenseite kontere dann mit Begriffen wie „Shitstorm“ oder „digitaler Pranger“. Dadurch schaukele sich eine Debatte auf, die in dieser Ausprägung gar nicht sinnvoll sei. Beim Shitstorm handele es sich um eine „Form der aggressiv geführten Wertedebatte“.
Lediglich diffamieren?
Dadurch werde ein eigentlich gesellschaftlich wichtiges Thema in ungerechter Weise artikuliert. Als Wissenschaftler habe ihn die Wut und der Hass erschreckt, der in den jüngsten Debatten zu Dieter Nuhr oder Til Schwieger offenbar wurde. Ausdrücke wie Shitstorm und Mob würden lediglich zur Diffamierung gebraucht. Nicht geeignet findet es Pörksen, den Protest gegen die „Verflachung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ gegen eine Person wie Markus Lanz zu personalisieren. Mancher Ad-hoc-Protest im Internet komme aber auch aus guten Gründen zustande.
Wenn eine scheinbar große Zahl von Menschen online miteinander kommuniziere, könne man nie genau wissen, wie viele Menschen sich dahinter wirklich verbergen. Oft würden Personen in Stellung gebracht, die andere – im Extremfall – gegen Bezahlung diffamierten oder gegen sie agitierten, das sogenannte Astrosurfing. Weil nur ein kleiner Teil der Leser Artikel kommentiere, würden die Leisen isoliert und die Lauten belohnt. Als positiv könne man konstatieren, dass ein Autor viele „Anregungen, Ermutigungen oder kluge Hinweise“ erhalte.
Erregung über die Skandalisierung
Für die Zukunft wünscht sich Pörksen, dass die Empörung über die Empörung der anderen nicht zum Normalfall wird. Das Beispiel der Bundeskanzlerin, die sich um das palästinensische Mädchen gekümmert habe, zeige die Dynamik der Empörung über die Empörung. Eine Seite skandalisiere das Verhalten der Kanzlerin. Andere erregten sich über diese Skandalisierung. Dies habe auch damit zu tun, dass die ganze Situation emotional sehr aufgeladen sei. Die eigene Hilflosigkeit und ein schlechtes Gewissen würden mit dieser Situation im Angesicht des Leidens der Menschen konfrontiert.
Bernhard Pörksen lehrt Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Er ist unter anderem Co-Autor des Buches „Der entfesselte Skandal“. (pro)
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