Schulen sollten sich verstärkt um soziales Lernen bemühen – Wissensvermittlung sei zweitrangig. Diese Ansicht vertritt der Medienpädagogik-Professor Bernd Schorb. Bei einer Tagung in Wendgräben sprach er sich für eine staatliche Unterstützung dafür aus, dass „Kinder und Jugendliche ein ethisches Gerüst“ bekämen.
Von PRO
3. Dezember 2013
Foto: pro
Medienpädagogik-Professor Schorb findet, dass die analytischen Kompetenzen der Schüler gefördert werden sollen
Viele Jugendliche würden nicht zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden. Das sagte Bernd Schorb am Sonntag beim Seminar „Jugend und Medien“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wendgräben bei Magdeburg. Schorb, der Medienpädagogik an der Universität Leipzig unterrichtet, geht davon aus, dass Erwachsene besser zwischen der virtuellen und der realen Welt unterscheiden können als Jugendliche. Den Grund dafür sieht der Professor darin, dass die Jüngeren direkt in die Medienwelt hineingeboren würden und die Medien ihnen in intensiverer Weise als Orientierungshilfe dienten als dies in früheren Generationen der Fall gewesen sein.
Jugendliche bildeten beim Heranwachsen ihre Identität. Allerdings gebe es dafür die klassischen Sozialisierungsinstanzen wie Elternhaus, Kirche und Schule, „an denen sich die Jugendlichen abgearbeitet, gerieben oder gegen die sie sich aufgelehnt haben“, nicht mehr im gleichen Ausmaß wie früher, sagte Schorb. Sie seien abgewertet oder fast verschwunden. Kirche habe nicht mehr die gleiche gesellschaftliche Bedeutung. Eltern seien zunehmend im Verhalten verunsichert und hätten teils ihre Orientierung verloren – nicht zuletzt durch Medien, die vermittelten, autoritäre Erziehung sei falsch. Eltern würden in Familien oft keine klare Position vertreten. Es herrsche eine Wertepluralität, frei nach dem Motto „anything goes“. Jugendliche müssten selbst ihren Standpunkt finden und die einzige Instanz, an der sie sich wirklich orientierten sei ihre Peergroup, sprich ihr jugendliches Umfeld. Als Orientierungshilfe dienten Medien. Sie allein seien aber ein „schlechter Ratgeber“, sagte Schorb. Die Jugendlichen bräuchten einen Bewertungsmaßstab für die Medien.
Die Lösung für die Orientierungssuche sei es, dass die Kinder und Jugendlichen ein ethisches Gerüst bekämen – in das auch die Medien integriert sein sollten. Die Freiheit der Vielseitigkeit aufzugeben, sei unvorstellbar, aber es gebe Bereiche, in denen der Staat die jungen Bürger unterstützen könne, sagte Schorb. Es sollte eine Schulreform geben, in der das Hauptaugenmerk auf das soziale Lernen gelegt ist und nicht auf Wissensvermittlung, wie es die Pisa-Studie primär untersuche.
Drei didaktische Punkte: Wissen, Bewerten und Handeln
Schorb sagte, es gebe keine direkte Medienkompetenz, sondern nur eine Kompetenz, sich kritisch mit etwas auseinander zu setzen und demzufolge auch kritisch mit den Medien. Die Medien seien als Mittler dafür da, dass wir miteinander kommunizierten, in direkter oder indirekter Kommunikation. Dafür benötigten die Nutzer kommunikative Kompetenzen, die sich auf drei didaktischer Punkte stützte: Wissen, Bewerten und Handeln. Das Wissen beinhalte etwa das Strukturwissen, dass Nutzer wissen, wer hinter einem sozialen Netzwerk steht, wer ihre Daten nutzt und diese auch von Unbefugten abgerufen werden könnten. Dies lassen sich etwa durch ein Rollenspiel in der Schule vermitteln. Ein externer Referent sollte den Jugendlichen zeigen, wie leicht er auf ihre Daten zugreifen könne. Dies sei zum einem wichtig für den eigenen Schutz und und zu anderen, weil Kinder und Jugendliche private Räume bräuchten, auf die auch die Eltern keinen Zugriff hätten.
Das Bewerten sei eine ethisch-kritisch Reflexion. Die eigenen analytische Kräfte und Kompetenzen der Jugendlichen sollten gestärkt und geschult werden. Das funktioniere etwa, indem ein Video gezeigt werde, in dem eine Casting-Jury Bewerber stark angreift und kritisiert. Hierbei könnten Jugendliche dieses Verhalten und die Inhalte, die Medien vermitteln, kritisch hinterfragen. Beim Handeln hob Schorb die Teilhabe an den Medien hervor. Wenn sich eine Gesellschaft weiterentwickele, müsse es auch eine Entwicklung bei der Medienpartizipation geben, etwa dass ich selbst mitmachen, mitmischen und etwas verändern kann.
Die Kommunikationstrainerin Manuela Lott sprach bei der Tagung über die Gründe des Dabei seins in Sozialen Netzwerken: die Nutzer wollten mit Freunden kommunizieren, wissen was los ist oder auch einmal anders sein als sonst. „Ich sollte mich in Sozialen Netzwerken mit gleichem oder ähnlichem Wertekodex zeigen wie im normalen Leben.“ Kinder und Jugendliche nutzten am Stärksten von allen Bevölkerungsgruppen verschiedene Medien. Durchschnittlich seien sie bei etwa 2,5 sozialen Netzwerken angemeldet. (pro)
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