60 Jahre ERF Medien: Ampelmännchen mit guter Botschaft

Den „Evangeliumsrundfunk“ – heute ERF Medien – gibt es seit 60 Jahren. Derzeit laufen bei dem größten spendenfinanzierten Medienwerk in Deutschland die Vorbereitungen für einen knapp 22 Millionen Euro teuren Neubau auf Hochtouren. Im Gespräch mit pro erklärt der Vorstandsvorsitzende, Jörg Dechert, warum die Medienbranche Veränderungen in dem Werk erzwingt und warum Radio auch im Zeitalter von Social Media noch von Bedeutung ist.
Von PRO
Jörg Dechert (Archivbild) ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender von ERF Medien

pro: Herr Dechert, 60 Jahre ERF Medien. 1959–2019. Zwischen den Zahlen steht ein kleiner, waagerechter Strich. Lief alles so geradlinig wie zwischen diesen beiden Jahreszahlen?

Jörg Dechert: Ganz sicher kein gerader Strich. Das ist in keiner Organisation so, erst recht nicht in der Medienbranche, die wie keine andere sich dynamisch verändert. 1959 war das Leitmedium das Radio. Das ist es heute sicher nicht mehr. Ein Schlagwort könnte sein: Digitalisierung. Gerade in den letzten Jahren haben wir immer mehr dafür gearbeitet und investiert, um alle unsere Inhalte auf der Fernbedienung für das Leben zu platzieren, dem Smartphone. Alles, was da nicht drauf ist, gibt es für immer mehr Menschen einfach gar nicht. Das ist so ein Beispiel für eine Entwicklungsrichtung. Der ERF hat in sechs Jahrzehnten immer danach gefragt: Was sind die medial besten Möglichkeiten? Für den ERF war es immer auch ein Kampf, Sendemöglichkeiten zu bekommen. Ganz am Anfang war es die Kurzwelle, dann war es über lange Jahre die Mittelwelle. In den vergangenen Jahren haben wir in digitales Radio, DAB+, investiert. Jetzt ist es so, dass sich 85 Prozent unserer Nutzerzahlen außerhalb des Radios bewegen. Das bedeutet Bewegtbild, Online-Angebote, Social-Media-Apps. Also nein, kein gerader Strich.

Beim Menschen setzt mit fortschreitendem Lebensalter die Verkalkung ein. Wie wollen Sie ERF Medien fit halten für die Zukunft?

Verknöcherung muss nicht automatisch für Organisationen gelten. Sie können sich immer wieder verjüngen, erneuern. Das hat viel zu tun mit neuen Ideen, mit neuen Köpfen, neuen Fragen, denen man sich stellt. Ich bin jetzt fünf Jahre Vorstandsvorsitzender und glaube, diese fünf Jahre waren eine Zeit, wo wir systematisch sehr viele Reformvorhaben angepackt haben. Die strategische Ausrichtung zum Beispiel. Die Gebäudesituationen. Die Digitalisierung. Wir haben dafür gearbeitet, die Angebote evangelistisch zuzuspitzen. Das heißt, in einer Zeit, wo immer mehr Menschen eigentlich gar kein Hintergrundwissen mehr haben über den christlichen Glauben, sprachlich neu andockfähig zu sein mit Radio, Fernsehen und Online-Inhalten. Im Moment durchläuft unser Personalwesen eine Reform. Eine Organisation muss Dinge proaktiv tun, um in Bewegung zu bleiben.

Sie erreichen Ihr Publikum vor allem mit neuen Medien. Der Rundfunk hat seine maßgebliche Bedeutung für ERF Medien verloren …

Ich würde nicht sagen, dass unser Radioprogramm an Bedeutung verloren hat. Gerade mit unserem Radioprogramm „ERF Plus“ pflegen wir eine langfristige Bindung zu den Menschen, teilweise über Jahrzehnte. Das hat Gewicht und Bedeutung. Deswegen haben wir auch in den digitalen Ausbau und die Entwicklung von DAB+ investiert und tun das noch. Der Medienwandel zeigt allerdings: Die jüngeren Generationen bewegen sich immer mehr abseits des Radios.

Wagen Sie einen Ausblick?

Wir sind jetzt noch wenige Jahre von dem Punkt entfernt, wo nach allen Prognosen weniger als 50 Prozent der Menschen in Deutschland irgendeiner christlichen Kirche angehören werden. Das wird psychologisch und auch gesellschaftspolitisch ein sehr interessanter Punkt. Denn es bedeutet, dass wir Christen uns vieles der „Kleinstaaterei“, die wir heute haben, die oft theologisch abgegrenzt ist, schlichtweg nicht mehr leisten können. Wenn wir als Christen noch eine Stimme, ein Gewicht in diesem Land haben wollen, dann werden wir ganz neu über Kooperationen nachdenken müssen. Viele unserer Binnen-Konflikte, die wir so vor uns her tragen und mögen gelernt haben, werden wir hinter uns lassen müssen. Das stellt Werke und Organisationen vor neue Fragen der Zusammenarbeit. Medial erwarte ich, dass das Nutzungsverhalten immer mehr in Richtung „On-Demand“ geht. Sprich: Ich kann meine Inhalte dann bekommen, wann ich will, wo ich will, wie ich will. In diesen Bereich haben wir in den vorigen Jahren massiv investiert. Ich denke, in der Digitalisierung stecken ganz viele Chancen. Wir sind als Deutsche ja meistens gut darin, erst mal zu problematisieren, zum Beispiel mit Blick auf Datenschutz und Fremdbestimmung. Das sind auch gewichtige Fragen. Aber wenn wir nicht vom Silicon Valley und von China rechts und links überholt werden wollen, dann sollten wir stärker nach den Chancen fragen.

Sie haben jetzt als Schwerpunkt die Digitalisierung angesprochen. Die hat in hohem Maß damit zu tun, dass Dinge ihre physische Gestalt verlieren und ins Digitale übertragen wird. Wie passt da der Neubau eines Gebäudes hinein?

Für uns ist ganz wichtig, bei der Konzeption des Neubaus nicht „Copy und Paste“ zu betreiben. Also nicht das, wie es jetzt ist, in eine moderne Form aus Stein, Glas und Stahl zu übertragen. Sondern wir sagen: Wenn wir jetzt die physische Plattform bauen für die christliche Medienarbeit der nächsten dreißig, vielleicht vierzig Jahre, dann muss viel mehr Flexibilität in dem Gebäude möglich sein. Es wird viel weniger Wände geben. Es wird viel weniger unverrückbar in Stein gefasst sein. Wir brauchen mehr Freiraum zum Experimentieren, weil wir heute noch nicht wissen, wie in zehn oder zwanzig Jahren der Medienmix sein wird im ERF und wie viele Mitarbeiter mit welchen Medienschienen beschäftigt sein werden. Wir möchten mit dem Neubau Freiheit gewinnen. Wir rechnen auch damit, dass wir deutlich weniger Material wie Akten oder Unterlagen unterbringen müssen und unterbringen können. Da spielen die Digitalisierung und das Gebäude zusammen. Das Ganze wird eine flexiblere Plattform sein als unser heutiges Gebäude, wie es über 48 Jahre gewachsen ist.

Sie sind von der Profession her Physiker. Inwieweit ist Ihre Ausbildung hilfreich bei der Leitung eines Medienwerkes?

Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, dass dieses systemische Denken, in dem Physiker ausgebildet werden, in der Situation eines christlichen Werkes von Vorteil sein kann. Also die Fähigkeit, einerseits das große Bild im Blick zu haben und gleichzeitig Probleme systematisch zu lösen und in die Tiefe zu bohren. Ohne sich dabei ideologisch – oder manchmal vielleicht auch theologisch – zu verkämpfen. Wir benötigen einen gesunden Pragmatismus in den christlichen Werken. Ich liebe Jesus, ich bin ein leidenschaftlich geistlicher Mensch. Aber ich finde, nicht alles, was wir in unseren Werken und Organisationen so betreiben, müssen wir immer durch die theologische Brille sehen.

Ihr Wikipedia-Eintrag nennt zwei Leidenschaften. Wo liegt der Schwerpunkt? Beim Journalisten oder beim Geschichtenerzähler?

Ich habe keine Ahnung, wer den Wikipedia-Artikel geschrieben hat – ich jedenfalls nicht. Journalist stimmt nicht, Blogger stimmt. Ja, ich habe schon redaktionelle Projekte aufgebaut und geleitet, aber ich verstehe mich nicht als Journalisten, sondern als Kommunikationsmenschen. Seitdem ich Christ geworden bin, treibt mich die Frage um: Wenn das Evangelium wirklich die beste Botschaft der Welt ist, wie wir Christen immer behaupten, warum verpacken wir sie dann manchmal so schlecht? Das betrifft alle Kirchen, alle Gemeinden. Wenn das wirklich die beste Botschaft der Welt ist, dann hat die doch die beste Kommunikation verdient, die es irgendwie geben kann. Das treibt mich an. Mein Fokus ist ein Evangeliums-Kommunikations-Gedanke.

Der Schwerpunkt von ERF Medien verlagert sich immer mehr in den Online-Bereich. Sie betreiben als „Pixelpastor“ einen Blog. Ist dieses Medium denn überhaupt dafür geeignet, eine ewig gültige Botschaft in einem so kurzlebigen Umfeld zu teilen?

Ich glaube, jede Zeit hat ihre Verpackung und ihre Medien für das Wort Gottes. Wenn wir in der Kirchengeschichte zurückschauen, dann hat es die ersten 1.500 Jahre nicht einmal ein Buch gegeben, in dem alles drin stand. Vor dem Buchdruck und vor der Reformation gab es Briefe, es gab ganz viel mündliche Überlieferungen. Die Menschen haben letztlich Zeugnis abgelegt, sie haben Geschichten erzählt von dem, was Gott in ihrem Leben getan hat, wie sie das erlebt haben, was ihnen überliefert worden ist. Dann wurde alles mit dem Buchdruck sozusagen kodifiziert. Die Gute Nachricht wurde in ein Medium gepackt und es trennten sich Medium und Botschafter. Die Botschaft wurde auf einmal physisch. Dann kamen irgendwann Radio und Fernsehen, Zeitungen und Social Media. Bei Social Media kommt beides wieder zusammen, die Botschaft und der Botschafter. Also eine sehr wechselvolle Geschichte. Ich bin davon überzeugt, dass es keine mediale Form gibt, durch die Gott nicht sprechen kann.

Die Bindung an Kirchen lässt immer mehr nach. Bis 2060 halbieren sich die Mitgliederzahlen der evangelischen und katholischen Kirche. Das heißt, Ihre Hörerschaft bricht weg. Wie wollen Sie das kompensieren?

Unsere Nutzerschaft ist ziemlich divers. Das reicht von Christen aus Landeskirchen über Landeskirchliche Gemeinschaften bis hin zu Freikirchen aller möglichen Couleur. Viele Freikirchen sind vom Wachstum her auch nicht so viel besser dran als die Landeskirchen. Ich glaube aber, dass die Menschen in unserem Land eine Sehnsucht nach Spiritualität und Hoffnung in sich tragen, die sich nur nicht mehr in Kirche und Kirchenmitgliedschaft niederschlägt. Das äußert sich auch an Stellen, wo man Spiritualität nicht auf den ersten Blick erwarten würde. Wenn eine junge Generation bei „Fridays for Future“ auf die Straße geht, dann drückt sie damit ganz viel Sehnsucht und Hoffnung aus. Die jungen Menschen signalisieren: Wir wollen Verantwortung übernehmen, wir wollen gestalten. Darin kann man auch christliche Gedanken wiederfinden. Diese Generation fragt: Was gibt uns eigentlich Hoffnung? Wo kommt die Zukunft her? Das sind sehr christliche Fragen. Von daher wird es aus meiner Sicht darum gehen, in den nächsten Jahren unsere Andockfähigkeit zu erhalten und vielleicht auch neu wiederzugewinnen. Das betrifft nicht nur ERF Medien, das betrifft alle Kirchen und Gemeinden.

ERF Medien wird der evangelikalen Bewegung zugerechnet. Inwieweit ist die Theologie, die die Evangelische Allianz vertritt, kompatibel mit der Theologie, die die Landeskirchen vertreten? Etwa hinsichtlich der Segnung Homosexueller oder feministischer Theologie. Gibt es widerstreitende Interessen?

Darauf möchte ich zwei Antworten geben. Die erste Antwort ist: Wir haben in dem, was bei uns an Verkündigung läuft, einen sehr klar definierten Korridor, und den finde ich auch wichtig. Das sind die Lausanner Erklärung und die theologische Basis der Evangelischen Allianz. Das Zweite ist die Frage: Welche Rolle spielt eigentlich die Theologie bei uns? Da ist es wichtig zu sehen, dass wir ein Missionswerk sind. Ein Missionswerk muss sich nicht zu allen möglichen theologischen Fragen positionieren, verorten und äußern. Manche hätten das gerne. Ich werde manchmal gefragt, wie sieht denn der ERF diese oder jene Frage. Als wären wir ein Schiedsrichter. Wir haben einen Kommunikationsauftrag für das Evangelium. Dass es Gott wirklich gibt und dass er einen Menschen wirklich liebt und dass er wirklich in diese Welt gekommen ist in Christus und jeden Menschen an sein Herz ziehen will. Um das zu kommunizieren, brauchen wir viele andere Detailfragen nicht zu beantworten. Für mich ist die Rolle von Theologie bei uns vergleichbar mit einem dieser aus der DDR stammenden roten Ampelmännchen, das mit weit ausgestreckten Armen dasteht. Es hat einen festen Stand. Also ein klares, eigenes theologisches Profil. Aber die Arme sind so weit auseinandergestreckt, wie es geht. Jeder, der bei ERF Medien andocken will, ist uns herzlich willkommen. Letztlich geht es uns darum, das Evangelium zu kommunizieren und nicht einen theologischen Katechismus.

Wie kann ERF Medien heute bei Menschen andocken?

Ich glaube, es ist andersherum. Menschen entscheiden selbst, wo sie andocken. Ein bisschen böse gesagt: In vielen Kirchen und Gemeinden bleiben die Leute bis zum Schluss sitzen, weil es unhöflich wäre, mittendrin aufzustehen und rauszugehen, wenn irgendetwas nicht verständlich ist oder nicht hilft. In der Welt der Medien geht das viel schneller. Das ist im Fernsehen ein Klick auf die Fernbedienung. Vom Internet ganz zu schweigen. Das bedeutet, wir müssen eigentlich noch viel mehr mit der Frage ringen: Welche unserer Inhalte sind für die Leute relevant? Wir müssen erforschen, wo die Bedürfnisse sind, in die wir hineinsprechen können. Ich denke an unser Social-Media-Engagement und die Fernsehsendung „Mensch, Gott“, wo Menschen von ihrer geistlichen Reise erzählen. Es ist nicht vorhersehbar, welche Beiträge, welche Themen viral gehen bei YouTube, Facebook und so weiter – und welche nicht. Deswegen es wichtig, diese Marktorientierung zu haben, auf Tuchfühlung zu sein mit „da draußen“.

Was treibt die Mitarbeiter von ERF Medien an?

Wir machen Medien, damit Menschen Gott kennenlernen und damit er ihr Leben verändert. Das ist unsere Leidenschaft. Wir nehmen das Wort Mission tatsächlich ernst und schämen uns nicht dafür. Und wenn es stimmt, dass man Medien missionarisch einsetzen kann, dann müssen wir das so gut machen, wie wir können. Das ist die innere Haltung, die uns hier in der Mitarbeiterschaft antreibt und auszeichnet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ihr Wikipedia-Eintrag nennt zwei Leidenschaften. Wo liegt der Schwerpunkt? Beim Journalisten oder beim Geschichtenerzähler?

Ich habe keine Ahnung, wer den Wikipedia-Artikel geschrieben hat – ich jedenfalls nicht. Journalist stimmt nicht, Blogger stimmt. Ja, ich habe schon redaktionelle Projekte aufgebaut und geleitet, aber ich verstehe mich nicht als Journalisten, sondern als Kommunikationsmenschen. Seitdem ich Christ geworden bin, treibt mich die Frage um: Wenn das Evangelium wirklich die beste Botschaft der Welt ist, wie wir Christen immer behaupten, warum verpacken wir sie dann manchmal so schlecht? Das betrifft alle Kirchen, alle Gemeinden. Wenn das wirklich die beste Botschaft der Welt ist, dann hat die doch die beste Kommunikation verdient, die es irgendwie geben kann. Das treibt mich an. Mein Fokus ist ein Evangeliums-Kommunikations-Gedanke.

Der Schwerpunkt von ERF Medien verlagert sich immer mehr in den Online-Bereich. Sie betreiben als „Pixelpastor“ einen Blog. Ist dieses Medium denn überhaupt dafür geeignet, eine ewig gültige Botschaft in einem so kurzlebigen Umfeld zu teilen?

Ich glaube, jede Zeit hat ihre Verpackung und ihre Medien für das Wort Gottes. Wenn wir in der Kirchengeschichte zurückschauen, dann hat es die ersten 1.500 Jahre nicht einmal ein Buch gegeben, in dem alles drin stand. Vor dem Buchdruck und vor der Reformation gab es Briefe, es gab ganz viel mündliche Überlieferungen. Die Menschen haben letztlich Zeugnis abgelegt, sie haben Geschichten erzählt von dem, was Gott in ihrem Leben getan hat, wie sie das erlebt haben, was ihnen überliefert worden ist. Dann wurde alles mit dem Buchdruck sozusagen kodifiziert. Die Gute Nachricht wurde in ein Medium gepackt und es trennten sich Medium und Botschafter. Die Botschaft wurde auf einmal physisch. Dann kamen irgendwann Radio und Fernsehen, Zeitungen und Social Media. Bei Social Media kommt beides wieder zusammen, die Botschaft und der Botschafter. Also eine sehr wechselvolle Geschichte. Ich bin davon überzeugt, dass es keine mediale Form gibt, durch die Gott nicht sprechen kann.

Die Bindung an Kirchen lässt immer mehr nach. Bis 2060 halbieren sich die Mitgliederzahlen der evangelischen und katholischen Kirche. Das heißt, Ihre Hörerschaft bricht weg. Wie wollen Sie das kompensieren?

Unsere Nutzerschaft ist ziemlich divers. Das reicht von Christen aus Landeskirchen über Landeskirchliche Gemeinschaften bis hin zu Freikirchen aller möglichen Couleur. Viele Freikirchen sind vom Wachstum her auch nicht so viel besser dran als die Landeskirchen. Ich glaube aber, dass die Menschen in unserem Land eine Sehnsucht nach Spiritualität und Hoffnung in sich tragen, die sich nur nicht mehr in Kirche und Kirchenmitgliedschaft niederschlägt. Das äußert sich auch an Stellen, wo man Spiritualität nicht auf den ersten Blick erwarten würde. Wenn eine junge Generation bei „Fridays for Future“ auf die Straße geht, dann drückt sie damit ganz viel Sehnsucht und Hoffnung aus. Die jungen Menschen signalisieren: Wir wollen Verantwortung übernehmen, wir wollen gestalten. Darin kann man auch christliche Gedanken wiederfinden. Diese Generation fragt: Was gibt uns eigentlich Hoffnung? Wo kommt die Zukunft her? Das sind sehr christliche Fragen. Von daher wird es aus meiner Sicht darum gehen, in den nächsten Jahren unsere Andockfähigkeit zu erhalten und vielleicht auch neu wiederzugewinnen. Das betrifft nicht nur ERF Medien, das betrifft alle Kirchen und Gemeinden.

ERF Medien wird der evangelikalen Bewegung zugerechnet. Inwieweit ist die Theologie, die die Evangelische Allianz vertritt, kompatibel mit der Theologie, die die Landeskirchen vertreten? Etwa hinsichtlich der Segnung Homosexueller oder feministischer Theologie. Gibt es widerstreitende Interessen?

Darauf möchte ich zwei Antworten geben. Die erste Antwort ist: Wir haben in dem, was bei uns an Verkündigung läuft, einen sehr klar definierten Korridor, und den finde ich auch wichtig. Das sind die Lausanner Erklärung und die theologische Basis der Evangelischen Allianz. Das Zweite ist die Frage: Welche Rolle spielt eigentlich die Theologie bei uns? Da ist es wichtig zu sehen, dass wir ein Missionswerk sind. Ein Missionswerk muss sich nicht zu allen möglichen theologischen Fragen positionieren, verorten und äußern. Manche hätten das gerne. Ich werde manchmal gefragt, wie sieht denn der ERF diese oder jene Frage. Als wären wir ein Schiedsrichter. Wir haben einen Kommunikationsauftrag für das Evangelium. Dass es Gott wirklich gibt und dass er einen Menschen wirklich liebt und dass er wirklich in diese Welt gekommen ist in Christus und jeden Menschen an sein Herz ziehen will. Um das zu kommunizieren, brauchen wir viele andere Detailfragen nicht zu beantworten. Für mich ist die Rolle von Theologie bei uns vergleichbar mit einem dieser aus der DDR stammenden roten Ampelmännchen, das mit weit ausgestreckten Armen dasteht. Es hat einen festen Stand. Also ein klares, eigenes theologisches Profil. Aber die Arme sind so weit auseinandergestreckt, wie es geht. Jeder, der bei ERF Medien andocken will, ist uns herzlich willkommen. Letztlich geht es uns darum, das Evangelium zu kommunizieren und nicht einen theologischen Katechismus.

Wie kann ERF Medien heute bei Menschen andocken?

Ich glaube, es ist andersherum. Menschen entscheiden selbst, wo sie andocken. Ein bisschen böse gesagt: In vielen Kirchen und Gemeinden bleiben die Leute bis zum Schluss sitzen, weil es unhöflich wäre, mittendrin aufzustehen und rauszugehen, wenn irgendetwas nicht verständlich ist oder nicht hilft. In der Welt der Medien geht das viel schneller. Das ist im Fernsehen ein Klick auf die Fernbedienung. Vom Internet ganz zu schweigen. Das bedeutet, wir müssen eigentlich noch viel mehr mit der Frage ringen: Welche unserer Inhalte sind für die Leute relevant? Wir müssen erforschen, wo die Bedürfnisse sind, in die wir hineinsprechen können. Ich denke an unser Social-Media-Engagement und die Fernsehsendung „Mensch, Gott“, wo Menschen von ihrer geistlichen Reise erzählen. Es ist nicht vorhersehbar, welche Beiträge, welche Themen viral gehen bei YouTube, Facebook und so weiter – und welche nicht. Deswegen es wichtig, diese Marktorientierung zu haben, auf Tuchfühlung zu sein mit „da draußen“.

Was treibt die Mitarbeiter von ERF Medien an?

Wir machen Medien, damit Menschen Gott kennenlernen und damit er ihr Leben verändert. Das ist unsere Leidenschaft. Wir nehmen das Wort Mission tatsächlich ernst und schämen uns nicht dafür. Und wenn es stimmt, dass man Medien missionarisch einsetzen kann, dann müssen wir das so gut machen, wie wir können. Das ist die innere Haltung, die uns hier in der Mitarbeiterschaft antreibt und auszeichnet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Norbert Schäfer

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