Was unterscheidet „evangelikal“ und „evangelisch“?

Am Sonntag hat die Gebetswoche der Deutschen Evangelischen Allianz begonnen. Grund für den Radiosender "hr2", nachzufragen: Wer sind die Evangelikalen, und wie ist ihr Verhältnis zur Kirche? Im Beitrag kommt auch Allianz-Chef Michael Diener zu Wort.
Von PRO

"Gründen radikale Abtreibungsgegner und deutschnationale Islamhasser, kreationistische Schulverweigerer und rechtskonservative Verschwörungstheoretiker, Wetteiferer um die treueste Bibeltreue und moralische Rigoristen nicht lieber ihre separaten Grüppchen, statt sich in eine Volkskirche integrieren zu lassen?" Es sind provokante Fragen, die der Journalist Andreas Malessa in der Sendung "Camino" am Sonntagmorgen auf hr2 stellt. Die halbstündige Sendereihe hat sich das Thema "Tolerante Evangelikale?" gewählt, und befasst sich mit dem Verhältnis der evangelischen Amtskirchen zur Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), zu der sowohl Landes-, als auch Freikirchen gehören.

Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und Vorsitzender der DEA, kommt in der Sendung ausführlich zu Wort. "Wir distanzieren uns nicht vom evangelischen Glauben, sondern er ist unser Mutterboden", erklärt er. "Aber wir wollen unser Profil, unsere Prägung, unser Verständnis vom Evangelischsein in der Kirche, in unsere Gesellschaft einbringen." Der Begriff "evangelikal", der von der Öffentlichkeit als "sehr eng" verstanden werde, mache ihn zwar "nicht gerade fröhlich", sei aber mit seinen Ämtern verbunden. Diener schildert seinen Werdegang in der pfälzischen Landeskirche, in die er sich trotz ihrer liberalen Ausrichtung bewusst hineinbegeben habe. Der Dialog sei wichtig, betont Diener, und die Evangelikalen könnten die absolute Wahrheit nicht ausschließlich für sich selbst beanspruchen.

Malessa, Autor der Sendung und selbst evangelischer Theologe, stellt mehrfach die Frage, ob das "Fußvolk" der vielfältigen evangelikalen Bewegung mit der offenen Art Dieners zurechtkomme. Der Kirchenpräsident der pfälzischen Landeskirche, Christian Schad, spricht von einer "gemäßigten Mehrheit" der Evangelikalen und betont, dass die pietistische Bewegung ein Teil seiner Landeskirche sei. Kirchenrechtlich seien Evangelikale in der pfälzischen Landeskirche so stark integriert wie sonst nur in der bayerischen, kommentiert Malessa.

"Evangelikale Publizistik bestätigt Fundamentalismus-Vorwurf"

Die Medien in Deutschland hätten den Evangelikalen das Etikett "Fundamentalisten" verpasst, erklärt Malessa und kommentiert: "Eine Minderheit bestätigt dieses Klischee publizistisch lautstark jede Woche: ‚Gott schuf die Welt in sechs Tagen, Frauen gehören nicht auf die Kanzel, Kinder nicht in KiTas, Muslime gehören nicht zu Deutschland und Schwule nicht zur Kirche‘." An einer anderen Stelle der Sendung, an der es um die Diskussion über gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Pfarrhaus geht, sagt Malessa: "Ein bundesweites evangelikales Wochenblatt blies den Schwelbrand zu einem ‚Kirchenkampf‘ auf, vergleichbar dem Widerstand der ‚Bekennenden Kirche‘ im Dritten Reich." Gemeint ist offenbar die Wochenzeitschrift "idea Spektrum", die ausführlich über den Fall berichtet hatte.

Große Teile der Sendung befassen sich mit dem Thema Homosexualität und der Frage, wie die Kirchen dazu stehen. Dazu Diener: "Wir sind insgesamt der Überzeugung, dass homosexuelle Beziehungen nicht dem Willen Gottes entsprechen und Sünde sind." Das gesamte biblische Zeugnis sei zu dieser Frage negativ. Die Pfarrerin Claudia Kettering aus Kaiserslautern findet diese Sichtweise "unerträglich", aber: Michael Diener lebe sein "konservativ geprägtes Christentum ganz glaubwürdig und offen", er nehme jeden Gesprächspartner ernst und setze sich mit anderen Positionen auseinander. Auch Kirchenpräsident Schad stellt an dieser Stelle seine enge Verbundenheit mit Diener heraus, auch wenn beide nicht immer einer Meinung seien.

Wie wird die Zusammenarbeit der Evangelischen Allianz mit den Amtskirchen in Zukunft aussehen, fragt Malessa am Ende der Sendung. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, findet, dass man sich gegenseitig brauche. Diener betont, dass "wir seit der Zeit des Ratsvorsitzenden Huber ein tief gewachsenes Verständnis dafür haben, dass auch evangelikal geprägtes Christsein zum Grundbestand evangelischen Glaubens dazugehört". Pfarrerin Kettering bleibt skeptisch: "Vielleicht ist Michael Diener ja die Hoffnung auf eine Annäherung und auf ein bisschen mehr Konvergenz, aber ich habe Zweifel und glaube, es braucht nach wie vor eine gegenseitige Anerkennung von Unterschiedlichkeit."

Die vollständige Sendung kann ab Montag auf Öffnet externen Link in neuem Fensterdieser Seite online angehört und als Podcast heruntergeladen werden. (pro)

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