Weiter Streit um Sühnetod-Leugung eines Fernsehpfarrers

Knapp drei Wochen vor dem Osterfest sorgen umstrittene Äußerungen zweier evangelischer Pfarrer weiter für eine heftige Debatte. Jesus sei nicht am Kreuz für den sündigen Menschen gestorben, hatte der Fernsehpfarrer Burkhard Müller im Februar im WDR-Hörfunk gesagt. Die Welle des Protestes ist noch nicht abgeebbt.
Von PRO

Der frühere Bonner Superintendent und Fernsehpfarrer Müller ist bekannt als Sprecher im „Wort zum Sonntag“. Im Februar hielt er eine Woche lang, an fünf Tagen, fünfminütige Morgenandachten auf WDR4. Nach Angaben des Senders hören 1,8 Millionen Menschen regelmäßig diese Botschaften wechselnder Geistlicher.

Immer wieder thematisierte Müller in dieser Woche den Tod Jesu am Kreuz. „Ich glaube nicht, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist“, hatte der bekannte Pfarrer unter anderem gesagt und mit seinen Ansichten eine Welle der Proteste unter Hörern und Theologen ausgelöst. „Was wäre das für ein grausamer Gott, der ein Menschenopfer braucht, um damit seinen Zorn zu stillen! Und die Sache wird noch unappetitlicher, wenn dieser Mensch sein einziger Sohn ist! (…) Kein Menschenopfer bitte! Unser Gott ist nicht so.“

Hunderte Protestbriefe

Beim WDR gingen Hunderte Anrufe, Briefe und E-Mails ein, berichtete „Welt online“ am Montag unter der Überschrift „Warum starb Jesus Christus am Kreuz?“ von der Debatte. „Die Reaktionen, die noch immer nicht abreißen, bewegen sich zwischen Entsetzen und Begeisterung“, so „Welt.de“. „Manche sind schockiert und werfen dem 70-jährigen Müller Verzerrung, Scharlatanerie und Irrlehren vor. Andere danken dem ehemaligen Sprecher des ‚Wortes zum Sonntag‘.“ Eine Frau habe geschrieben: „Es hat mir in meiner Kindheit schon große Schuldgefühle und Traurigkeit gemacht, dass der arme Jesus schon vorausschauend für meine armseligen ‚Sünden‘ elend am Kreuz umkommen musste.“ Die Tageszeitung zitiert den Eintrag eines Hörers in einem Internet-Forum: „Da haben Sie aber eine Lawine losgetreten.“ Ein anderer schreibt: „Sie schaffen es auf ungewohnte Art, etwas für meinen Blutdruck zu tun.“

Dass die Emotionen derart hoch gehen, findet der Heidelberger Theologe Gregor Etzelmüller laut „Welt online“ verständlich: Es gehe schließlich um zentrale Glaubensaussagen und die persönliche Frömmigkeit, auch das Abendmahl als zentraler christlicher Ritus sei berührt. Der Tod Jesu, der wegen der Sündhaftigkeit der Menschen einerseits und der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes andererseits notwendig wurde, ist der wichtigste Bestandteil des christlichen Verständnisses von der Botschaft der Bibel.

Theologen sehen Klärungsbedarf bei Kirchenleitung

Wie die Nachrichtenagentur idea berichtet, hat der Bonner Theologieprofessor Ulrich Eibach einen offenen Brief an die Leitung der rheinischen Kirche geschrieben, der von mehreren namhaften Theologen unterstützt wird. Eibach wirft dem Rundfunkpfarrer vor: „Es handelte sich nicht um eine akademische Disputation, sondern um sogenannte ‚Morgenandachten‘. Herr Müller hat seine Bekanntheit als Fernseh- und Rundfunkpfarrer dazu benützt, um Morgenandachten zur Verbreitung von Häresien (Irrlehren) zu missbrauchen.“ Dazu könne die Kirchenleitung nicht schweigen, so Eibach, der von 1981 bis 2007 Pfarrer und Beauftragter der rheinischen Kirche für Fragen der Ethik in Biologie und Medizin war.

Müller fehle es an der nötigen Ehrfurcht „vor diesem Geheimnis (…), dem Unbegreiflichen der Liebe Gottes zum Sünder“. Eibach fragt die Kirchenleitung zudem: „Welche Absicht verfolgte Pfarrer Müller, wenn er den stellvertretenden Tod Christi (vgl. Jes. 53) in die Nähe eines Menschenopfers stellte?“ Die Vermutung liege nahe, dass Herr Müller Jesus Christus gar nicht als Gottes Sohn, „sondern nur als herausragenden Menschen und Lehrer liberaler Art“ verstehe und damit „den Tod Jesu Christi gar nicht als Ausdruck der sich im Leiden offenbarenden Liebe Gottes verstehen“ könne.

Dabei entspreche Müllers „Karikatur der Versöhnungslehre“ der Vorstellung vom „lieben und allgütigen Gott“, der „ja dafür da ist“, dass er Sünden vergibt. Es müsse geklärt werden, ob Müller bei seinen Andachten als Privatmann gesprochen habe, oder ob seine Aussagen „mit denen der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen der Kirche“ übereinstimmten. Immerhin sei am Ende jeder Radio-Andacht darauf hingewiesen worden, dass es sich um einen „Beitrag der Evangelischen Kirche“ handelte.

Auch rheinischer Präses relativiert Sühnetod

Inzwischen hat sich auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, ähnlich kontrovers zum Anlass des Karfreitages geäußert. Der Tod Jesu am Kreuz sei kein Sühneopfer für die Sünden der Menschheit, sagte der 61-jährige leitende Theologe, der Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Gegenüber dem evangelischen Magazin „chrismon plus rheinland“ (April-Ausgabe) sagte Schneider, Gott brauche kein Sühneopfer, „denn es muss ja nicht sein Zorn durch unschuldiges Leiden besänftigt werden“. Schneider versteht Jesu Tod als „Ausdruck dafür, dass Gott in Jesus Christus bis zum bitteren Ende des Lebens ganz Mensch blieb, damit wir Menschen uns auch in unseren Todeserfahrungen von Gott begleitet wissen können“. Das Kreuz sei „Symbol für das Mitgehen Gottes mit uns durch den Tod hindurch“.

Schneider kritisierte zudem Interpretationen des Kreuzestodes, „die sich im Leiden suhlen“, wie das etwa im Film „Die Passion Christi“ der Fall gewesen sei. Die Bibel gebe verschiedene Deutungen des Zusammenhangs von Kreuz und Auferstehung.

Wie „Welt online“ berichtet, habe der Heidelberger Theologe Etzelmüller in den letzten Jahren „einen gewissen Konsens“ festgestellt. Die neuere Theologie sei sich weitgehend einig, dass der Tod Jesu keineswegs den Zorn Gottes beschwichtigen solle. Das sei ein Abschied von der mittelalterlichen „Satisfaktionstheorie“ des englischen Mönchs Anselm von Canterbury. Auch die neuere Sühnopfertheologie betont laut Etzelmüller Gottes „Heilshandeln am Menschen“ durch den Tod Jesu. Dabei sei Jesus in erster Linie „aktiv handelndes, versöhnendes Subjekt“. Für die Zukunft hoffe Etzelmüller auf weiteren Konsens. (PRO)

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