Was meine christlichen Freunde über Nachrichtenmedien wissen sollten

Der amerikanische Journalist Rob Vaughn wird von seinen Freunden in der Gemeinde manchmal schief angeschaut, wenn er sagt, dass er in den „Mainstream-Medien“ arbeitet. In seinem Text erklärt er, wo sie mit ihrer Skepsis gegenüber Medien Recht haben, wo sie falsch liegen und was sie im Umgang mit Journalisten tun sollten.
Von PRO
Journalisten sind oft eher liberal eingestellt

Was für eine Zeit, um im Nachrichtengeschäft tätig zu sein! Wie werden wir verachtet! Und vertrauen kann man uns sowieso nicht.

Ich bin seit Jahrzehnten Nachrichtenmoderator bei einem lokalen Fernsehsender. Ich bin also wohl oder übel Teil der „Mainstream Medien“ – auch wenn wir ein unabhängiger Sender und nicht Teil eines Medienkonzerns sind. Ich bin zudem evangelikaler Christ und Mitglied meiner Kirche vor Ort.

Viele meiner Freunde in der Kirche ziehen die Augenbrauen hoch, weil ich sowohl Journalist als auch Christ bin. Die Nachrichtenmedien verstoßen in ihren Augen gegen ihre Werte. (Eine Besucherin unserer Gemeinde rollte immer wieder mit den Augen, als ich ihr sagte, dass ich auch einmal für Associated Press gearbeitet habe. Mainstream eben.) Natürlich sind diese Freunde nicht streng mit mir, sie sagen dann: „Okay, du bist nicht so anrüchig wie der Rest deiner Kollegen.“ Dankeschön.

Liegen meine Freunde so falsch, wenn sie die Mainstream-Medien als niederträchtig bezeichnen und als von „Fake News“ durchwachsen? Ja. Auf eine wesentliche Art und Weise liegen sie falsch. Natürlich machen wir Fehler. Wir haben manchmal blinde Flecken und gehen von falschen Annahmen aus. Aber viele der Anschuldigungen schießen weit über das Ziel hinaus: Sie missverstehen, worum es beim Journalismus geht; sie gehen von der immer weiter zunehmenden Ansicht aus, dass es keinen Konsens über die Realität und über Fakten gibt, auf die man sich berufen kann. Und als Christ habe ich die Befürchtung, sie denken schlecht von Menschen, die sagen, sie liebten die Wahrheit.

Sind Nachrichten Fake?

Ich habe an viele Orten beim Fernsehen und beim Radio gearbeitet, auch in Washington, und ich kenne keinen Journalisten, der sich Nachrichten ausgedacht hat. Nicht einen. Das heißt nicht, dass sie alle Musterbeispiele für moralische Rechtschaffenheit waren. (Aber sagt das irgendjemand über seine Kollegen?) Reporter sind Menschen, alle sind Sünder, und manchmal werden Dinge verzerrt. Aber niemand denkt sich etwas aus.

Fragen Sie Bernard Goldberg. Der ehemalige Korrespondent des Senders CBS schimpfte über die liberale Gesinnung in den Medien – nicht ohne Grund. Manche Reporter, sagte Goldberg, verhehlten nicht einmal ihre Anti-Trump-Gesinnung besonders, „aber außer unter ganz besonders seltenen Umständen erfinden Journalisten keine Geschichten, nur um jemandem wehzutun“. Nehmen wir zum Beispiel namenlose Quellen:

Der ehemalige Präsident Donald Trump hat viele Male gesagt, dass Quellen, die in Beiträgen nicht mit Namen genannt sind, Fake News seien. Im Mai 2018 twitterte er, dass der „höhere Angestellte des Weißen Hauses“, auf den sich die New York Times in einem Artikel berief, nur eine erfundene Quelle sei, dass diese Person nicht existiere. Aber die Reporter reagierten mit Protest: Dieser hohe Beamte existierte nicht nur, das Weiße Haus selbst hatte angekündigt, dass diese Quelle Hintergrundinformationen geben werde – und zwar anonym. Goldberg sagt: „Wenn er sagt, die ‚Fake News Medien‘ denken sich Quellen aus, um ihn schlecht da stehen zu lassen, hat er Unrecht.“

Journalisten machen manchmal Fehler. Gute Journalisten berichtigen sie. Sie schreiben aber keine Märchen.

Gefärbte Tinte

Aber, so sagen meine Freunde, Reporter seien Liberale – und, was noch schlimmer ist, sie seien gegenüber Christen feindlich eingestellt. Ich sage: Die meisten Reporter, ebenso wie Akademiker, sind in der Tat Liberale. Oder um im Jargon unserer Politik von Blau gegen Rot (Blau ist die Farbe der Demokraten, Rot die der Republikaner, d. Ü.) zu sprechen, zu viele ihrer Reportagen sind für sie blau gefärbt, so würde es Goldberg sagen. Aber anders als viele Kritiker denken, gibt es keine „Verschwörung“, die die Welt in Blau färben will. Aber manchmal erlauben sich Reporter, ihre eigenen Annahmen in ihrer Arbeit durchsickern zu lassen, oder sie färben ihre Annahmen darüber ein, was sie berichten sollten. Im Grunde erkennen das viele Medienschaffende und sehen die Notwendigkeit für eine größere Vielfalt der Ansichten.

Der ehemalige „public editor“ (der die journalistischen ethischen Standards einer Publikation überwacht, d. Ü.) der New York Times schrieb 2004 eine Kolumne mit dem Titel „Ist die New York Times eine liberale Zeitung?“. Seine Antwort: „Natürlich ist sie das.“ Sie hat einen intellektuellen urbanen Hintergrund und Auftritt.

„Die Mainstream-Presse ist liberal“, schrieb der Journalist Thomas Edsall, der die Reporter ermahnte, sich an einer „individuellen Selbstkontrolle“ zu beteiligen, um faire und einfühlsame Berichterstattung für die vielen Amerikaner zu gewährleisten, deren Sichtweise die Reporter vielleicht sonderbar finden oder exotisch oder unerklärlich. Wie etwa bei bibelgläubigen Christen.

Meine Freunde in der Kirche haben Recht: viele Journalisten verstehen religiöse Konservative einfach nicht; viele kennen nicht einmal welche persönlich. Reporter, so wie alle Menschen, scharen sich zu Herden zusammen mit Menschen, die so denken wie sie. Aber die Reporter, die ich kenne, wollen ihre Unwissenheit überwinden. Der konservative christliche Autor David French glaubt, so wie ich auch, dass die meisten Reporter, egal wie progressiv ihre persönlichen Ansichten auch sein mögen, arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen, um fair und genau zu sein.

Eines Tages hatte eine Redakteurin, mit der ich bei Associated Press Radio zusammengearbeitet hatte, mit einer bekannten liberalen Gruppe telefoniert, um eine Stellungnahme zu einem „Frauenthema“ zu bekommen, an dem sie gerade arbeitete. Als ich ihr von einer konservativen Frauengruppe erzählte, die sie noch nicht kannte, freute sie sich, die auch anrufen zu können – auch wenn sie persönlich völlig liberal eingestellt war. Sie war ein Profi und wollte ihre Story besser machen.

French sagt, das Problem mit den „ideologischen Monokulturen“ in den Redaktionsstuben sei: Jeder vertritt progressive Ansichten, besonders in sozialen Fragen. Journalisten sind (meistens) liberal, weil Liberale in den Journalismus gehen. Warum das? Meine eigene Theorie dazu lautet, dass Journalisten, ähnlich wie Akademiker, einen Hang zum Reformieren haben, einen kämpferischen Geist, der die Welt verändern will. Sie wollen die Dinge berichtigen und die Welt ein bisschen gerechter machen. Das sind letzten Endes … gute Ziele. Ziele, denen sich konservative Christen anschließen würden. Ich würde sagen: Lasst uns mehr konservative junge Menschen ermutigen, eine Laufbahn als Journalist anzutreten.

Woran wir denken müssen

Hier sind einige Dinge, die ich meinen christlichen Freunden sagen möchte:

Die Konsumenten von Nachrichten müssen clever sein. Lest und schaut vielseitig, nicht nur einen Sender, nicht nur eine Nachrichtenwebseite. Unterscheidet zwischen einem Meinungs- und einem wahren Nachrichten-Journalisten. Schielt immer mal wieder auch zu den liberalen und den konservativen Nachrichten und Kommentaren, um die Grenzen des linken und rechten Spektrums bei den Themen des Tages auszuloten. Mein Tipp: Twitter. Die meisten meiner News-Kollegen sehen Twitter als unschätzbar wertvoll an, um das alltägliche Geschehen zu verfolgen. Folgt schlauen Menschen aus unterschiedlichen Teilen des politischen Spektrums.

Die Wahrheit braucht Champions. Nachrichtenkonsumenten tun unserer Gesellschaft keinen Gefallen, wenn sie alle Journalisten über das komplette Spektrum hinweg Lügner und Erfinder nennen. Sarah Pulliam Bailey, eine Christin, die das Thema Religion bei der Washington Post behandelt, schreibt, dass unbesonnene Äußerungen über gleichgeschaltete Reporter „die Idee bedrohen, dass Wahrheit überhaupt existiert und dass sie gesucht werden sollte“. Amen. Die Wahrheit ist, wie man so sagt, da draußen.

Unsere Gesellschaft braucht eine gut gedeihende, unabhängige Presse. Sogar die aggressive Presse. Manche meiner Freunde verspotten Journalisten und nehmen sie als feindlich gesinnt und vorlaut wahr. Aber manche Wahrheiten sind wie Samen: Es ist schwer, sie ohne Anstrengung ausfindig zu machen. Reporter müssen nicht unverschämt sein, sondern sie werden dafür bezahlt, die Menschen an der Macht unter Druck zu setzen und sie zu fragen: „Warum?“ und „Wo habt ihr dafür Belege?“ Nehmt den Reportern ihren Skeptizismus nicht übel; ohne ihn blieben viele Wahrheiten verborgen.

Rufen Sie Ihren Journalisten vor Ort an. Wir bekommen Anrufe von verärgerten Zuschauern. Wie können wir die Story besser machen? David French sagt: „Die Mehrheit der Reporter versucht wirklich, die Geschichte korrekt abzuliefern. Sie verdienen es nicht, mit so viel Gift und Drohungen bedacht zu werden.“ Wenn Ihnen etwas begegnet, das korrigiert werden sollte, rufen Sie an und bringen Sie Ihre Argumente vor. Testen Sie meine Behauptung, dass Reporter lieber wollen, dass ihre Geschichten richtig sind, als dass sie ihren persönlichen Ansichten entsprechen.

Gläubige haben mehr als andere einen Grund, sich über Zynismus zu erheben. Der Herr regiert! Wir überleben, auch wenn wir missverstanden oder falsch interpretiert zu werden. „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“, heißt es in Psalm 46,1. Vertraut dem, der die Wahrheit ist, selbst wenn die Wahrheit unklar sein sollte.

Beten Sie für Journalisten. Sie dienen uns. Wenn sie wirklich nach Wahrheit suchen – und die Gesellschaft braucht das –, dann sollten wir für Erfolg auf diesem Gebiet beten. Manche Christen scheinen einfach nur zu wollen, dass Journalisten aufhören. Aber dann würde viel Wissen verloren gehen.

Fokussieren Sie sich auf das, was wichtig ist. Quid novi? Was gibt es Neues? Der britische Akademiker Kenneth Minogue beobachtete, dass Journalismus diese alte, römische Frage beantwortet. Aber indem wir das tun, stehen wir Tag für Tag in einem ständigem Fluss aus Ereignissen und Informationen – manche davon wichtig, andere unwichtig. Wir müssen uns fragen: Was hat uns am Ende des Tages am meisten erbaut? Haben wir an Weisheit zugenommen? „Das Reflexionsvermögen wird verwässert durch die Leidenschaft für das Neue“, sagt Minogue. Wir müssen unsere Geräte ausschalten, die Neuigkeiten nicht so wichtig nehmen und über die Gute Nachricht nachdenken, die für immer alt sein wird und für immer neu, und für immer wahr.

Von: Rob Vaughn. Er war 33 Jahre lang Moderator beim amerikanischen Fernsehsender WFMZ-TV in Allentown im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Der Text erschien zuerst im Oktober 2020 auf der christlichen englischsprachigen Nachrichtenplattform Religion Unplugged. Übersetzung: Jörn Schumacher

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