Publikum von ARD und ZDF doch nicht so links

Eine Studie hatte im September für Aufregung gesorgt: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen erreiche vor allem ein politisch linkes Publikum, hieß es. Doch ganz so eindeutig scheint es nicht zu sein. Teile der Studie wurden offenbar missverstanden.
Von Jonathan Steinert
Die „Tagesschau“ hat im Vergleich zu anderen Nachrichtensendungen in allen politischen Lagern die höchste Reichweite – außer an den äußeren Rändern

Haben die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF vor allem ein politisch linkes Publikum? So war es im September in mehreren Medien zu lesen. Sie bezogen sich dabei auf eine gesonderte Auswertung von Daten des Digital News Reports der Universität Oxford und des Reuters Institute for the Study of Journalism. Auch pro berichtete darüber und titelte: „Publikum der öffentlich-rechtlichen Nachrichten: Alt und eher links“. In der Studie steht: Die meisten untersuchten öffentlich-rechtlichen Medien von acht ausgewählten Ländern erreichten ein Publikum quer durch das politische Spektrum. „Wir sehen eine leichte Abweichung nach links in Frankreich und eine etwas stärkere in Deutschland.“ Dazu die folgende Grafik:

Politische Orientierung des Nachrichtenpublikums im Ländervergleich laut der Studie „Old, Educated, and Politically Diverse: The Audience of Public Service News“ von Anne Schulz, David A. L. Levy, und Rasmus Kleis Nielsen Foto: Reuters Institute for the Study of Journalism | CC BY-SA 2.0 Generic
Politische Orientierung des Nachrichtenpublikums im Ländervergleich laut der Studie „Old, Educated, and Politically Diverse: The Audience of Public Service News“ von Anne Schulz, David A. L. Levy, und Rasmus Kleis Nielsen

Doch ganz so eindeutig ist die Sache offenbar nicht. Die Wissenschaftler Sascha Hölig und Uwe Hasebrink vom Leibniz-Institut für Medienforschung, die Autoren des deutschen Teils des Digital News Reports, veröffentlichten im Oktober detailliertere Daten und nahmen zu der Debatte Stellung. Der Medienblog Übermedien berichtete nun darüber.

Um die politische Orientierung zu messen, sollten die Befragten auf einer Skala von 1 – „links außen“ – bis 7 – „rechts außen“ – angeben, wo sie stehen. Ziffer 4 war „Mitte“. Diese Angaben wurden mit denen zur Nutzung der Nachrichten von ARD, ZDF, RTL und n-tv in Verbindung gebracht. Die Befragten, die sich zum Publikum der „Tagesschau“ zählten, verorteten sich demnach im Schnitt bei 3,73, die Zuschauer der „heute“-Sendung des ZDF bei 3,66. Die durchschnittliche Abweichung des öffentlich-rechtlichen Publikums nach links ist also kleiner als ein halber Schritt auf der Skala. Die Gesamtbevölkerung liegt mit ihrer politischen Orientierung durchschnittlich bei 3,79 – also ebenfalls leicht links der Mitte.

Keine klare Links-Orientierung

Die „Tagesschau“ erreiche vor allem die Personen „etwas links der Mitte“ überproportional häufig, erklären Hölig und Hasebrink. Diese Erkenntnis, schreiben die Forscher, habe zu der oben genannten missverständlichen Darstellung geführt. Sie weisen aber mit Blick auf die differenzierten Daten darauf hin, dass gerade die „Tagesschau“ bei den Befragten aus fast allen politischen Lagern die am häufigsten genutzte Nachrichtensendung ist – nämlich mit Ausnahme derjenigen, die rechts oder links außen stehen. Der Anteil der „etwas links der Mitte“ Stehenden ist bei „tagesschau“- und „heute“-Nutzern höher als im Schnitt der Gesamtbevölkerung. Aber auch diejenigen, die ihre Position als „etwas rechts der Mitte“ angeben, sind im ARD-Publikum etwas häufiger vertreten als im Bevölkerungsdurchschnitt – wenngleich deren Anteil unter den n-tv-Nutzern noch höher ist. Personen der „Mitte“ sind bei den Zuschauern der ARD etwas weniger, bei denen des ZDF etwas häufiger vertreten als in der Gesamtbevölkerung, während sie vor allem im Publikum von RTL überrepräsentiert sind.

Hölig und Hasebrink stellen zusammenfassend klar: „Der wichtigste Befund besteht darin, dass alle hier berücksichtigten Nachrichtenformate Menschen im gesamten Spektrum politischer Orientierungen erreichen. Hauptbotschaft, gerade im Hinblick auf internationale Vergleiche, ist also, dass es wenig Anzeichen für eine starke Polarisierung der Nachrichtenpublika in Deutschland gibt.“ Eine „klare Links-Orientierung der öffentlich-rechtlichen Nachrichten“, wie es manche Medien betont hatten, sei nicht gegeben.

Für die Studie waren in Deutschland 2.022 Personen ab 18 Jahren zwischen Ende Januar und Anfang Februar dieses Jahres repräsentativ online befragt worden. Durchgeführt hat die Erhebung das Meinungsgforschungsinstitut YouGov.

Von: Jonathan Steinert

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