Medien geißeln Familien-Schrift der Kirche

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will Familie „neu denken”. Das hat sie mit der Veröffentlichung einer Orientierungshilfe zum Thema klargestellt. Christliche und säkulare Medien stoßen sich an dem Gedanken.

Von PRO

Öffnet externen Link in neuem FensterWelt-Redakteur Matthias Kamann ärgert sich in seinem Kommentar besonders darüber, dass die Kirche die Ehe herabwürdige. So rate die neue Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit” jungen Paaren, sich bei ihren materiellen Erwägungen und beruflichen Entscheidungen darauf einzustellen, dass sie sich wieder trennen. „Somit wird die Ehe – vor protestantischen Altären geschlossen, ‚bis dass der Tod euch scheidet’ – von der Kirche hier aus der Perspektive von Scheidungsfolgen gesehen”, erklärt er. Die Krux dabei sei, dass die EKD so weit gehe, dass eine eigenständige Position der Kirche kaum noch erkennbar sei. Mit Blick auf das Bekenntnis der Kirche zu einer Anerkennung vieler verschiedener Lebensformen als Familie, etwa auch der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, schreibt Kamann: So überfällig eine Würdigung der Homo-Ehe durch die Kirche auch sei, so sehr werde dieses Bekenntnis relativiert, wenn die „dauerhafte Zweisamkeit der Ehe an anderen Stellen nur als ein zwar wünschenswertes, aber nicht leitendes Prinzip beschrieben wird”. Es entstehe der Eindruck, die EKD nehme den gesellschaftlichen Wandel nicht nur in den Blick, sondern verzichte auch darauf, ihm etwas entgegenzusetzen.

Ulf Poschardt, ebenfalls Autor der Tageszeitung Öffnet externen Link in neuem FensterDie Welt, schreibt: „Das neue Papier scheint fast einen Hauch zu populär, um wirklich von den Gläubigen umarmt zu werden. Diejenigen, die den Bibelschwur von ewiger Treue ernst nehmen, können künftig auch in der Gemeinde bestaunt werden wie ein kostbarer Oldtimer in einer Sackgasse.” In einem Kommentar für das evangelikale Magazin ideaSpektrum kritisiert der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, die EKD schiebe traditionelle Begriffe von Ehe und Familie beiseite. Ehe gelte nicht mehr als „Stiftung Gottes“, das Primat der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen bleibe auf der Strecke und das Scheitern erhalte „kirchlichen Segen“. Die Kirche nenne die Vereinbarkeit von Beruf und Familie „völlig unkritisch” eine Prämisse moderner Familienpolitik. Dies diskriminiere Mütter, die Familienarbeit leisteten.

„Kahle Rationalität der EKD

„Das wichtigste Ergebnis vorneweg” nennt Jan Fleischhauer in seiner Kolumne für Öffnet externen Link in neuem FensterSpiegel Online: „Wer demnächst vor den Traualtar tritt, kann unbekümmert das Eheversprechen ablegen – auch wenn der Pastor sagt, es gelte, ‚bis dass der Tod euch scheidet’. Keine Sorge, das ist nicht länger wirklich ernst gemeint.” Die Orientierungshilfe sei Dokument eines spektakulären Versuchs der Verweltlichung von innen, wie ihn so noch keine der großen Religionen unternommen hat. „Die Evangelische Kirche ist in der Selbstsäkularisierung schon weit vorangekommen, muss man sagen. Alles, was an den biblischen Texten zu streng oder bevormundend wirkt, hat sie soweit entschärft, dass man sich von ihr heute völlig unbesorgt ein Kerzlein aufstecken lassen kann”, schreibt Fleischhauer. Es sei eine Sache, sich der Nöte der Menschen anzunehmen und eine andere, dabei auf jeden normativen Anspruch zu verzichten. „Wer für alles Verständnis zeigt, wird irgendwann sprachlos. Dann ist auch der gute Rat nichts mehr wert.” Er schließt: „Die beruhigende Nachricht ist: Wenn man Heranwachsende nach ihren Zukunftsträumen fragt, steht die Ehe ganz weit oben. Gegen die romantische Natur hat auch die kahle Rationalität der EKD keine Chance.”

Wolfgang Thielmann stellt für die Publikation Öffnet externen Link in neuem FensterChrist und Welt fest: „Alles kann, nichts muss. ‚Kann’ ist, knapp 70-fach, deshalb auch das häufigste Wort in der neuen Orientierungshilfe der EKD über die Familie” Die EKD denke verzagt und redigiere oberflächlich. „Kann statt Kante – bei Ehe und Familie interpretiert die Kirche die Bibel als Spiegelbild der sichtbaren Wirklichkeit. Und zeigt sich etwas unambitioniert, den einen oder anderen Kampf zum Beispiel für Treue auszufechten.”

Der katholische Moraltheologe Peter Schallenberg stellte gegenüberÖffnet externen Link in neuem Fenster Domradio die Unterschiede zur katholischen Theologie klar: „Wir sind der Überzeugung, dass eine sakramental geschlossene Ehe ein für alle Mal gültig ist vor dem Angesicht Gottes. Es gibt eine Trennung der Eheleute möglicherweise in schwerwiegenden Fällen, aber es kann keine neue Verheiratung geben.” Es sei zudem katholische Auffassung, dass das Miteinander von Mann und Frau „keine Zufälligkeit ist, die auch einmal abgeschafft oder verändert werden könnte”. (pro)

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